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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 452/05 OLG Hamm

Leitsatz: In der Bedrohung mit einer - auch nur scheinbar geladenen - Schusswaffe und den sonstigen einschüchternden Umständen eines solchen Überfalls kann eine das Leben gefährdende Behandlung i.S.d. § 224 StGB liegen, so dass beim Opfer die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger gegeben ist.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Nebenklage; Anschlussberechtigung; gefährliche Körperverletzung; das Leben gefährdende Behandlung

Normen: StPO 395; StGB 224
gegen S.A.
wegen schweren Raubes
(hier: Ablehnung der Zulassung der Nebenklage).

Auf die Beschwerde der Verletzten H. vom 5. Juli 2005 gegen den Beschluss der 8. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 21. Juni 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 10. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Verletzte Susanne H. wird als Nebenklägerin zugelassen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die etwaigen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Münster legt dem Angeklagten S. mit der Anklageschrift vom 10. März 2005, die durch Beschluss der 8. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 18. Mai 2005 zur Hauptverhandlung zugelassen worden ist, zur Last, am 5. April 2004 gemeinsam mit einem gesondert verfolgten Mittäter den Lidl-Markt in Beckum-Neubeckum überfallen und die dort als Kassiererin tätige Zeugin H. mit einer Schreckschusspistole der Marke "Umarex", Kal. 9 mm, bedroht zu haben. Die Beute betrug 1.350,- €.

Das Verfahren ist, da der Angeklagte nach zwischenzeitlicher Haft und Haftverschonung unbekannten Aufenthalts ist, durch Beschluss der Strafkammer vom 4. Juli 2005 gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt worden.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. Juni 2005 beantragte die Zeugin die Zulassung als Nebenklägerin unter Beiordnung der Rechtsanwältin A. und Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Zeugin habe durch den Überfall einen Schock erlitten und sich in ärztliche Behandlung begeben müssen.

Die Strafkammer hat durch Beschluss vom 21. Juni 2005 den Antrag der Zeugin auf Zulassung als Nebenklägerin abgelehnt.
Die Voraussetzungen des § 395 StPO lägen nicht vor. Zwar komme die Zeugin als Verletzte einer Körperverletzung nach § 223 StGB in Betracht. Ein entsprechender Strafantrag sei jedoch innerhalb der Antragsfrist nicht gestellt worden, und die Staatsanwaltschaft habe das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bislang nicht bejaht. Wegen der Körperverletzung bestehe daher derzeit ein Verfolgungshindernis, so dass die Zeugin nicht berechtigt sei, sich dem Verfahren als Nebenklägerin anzuschließen.

Dagegen wendet sich die Zeugin mit ihrer Beschwerde vom 5. Juli 2005, mit der ausgeführt wird, die Zeugin leide infolge der Bedrohung mit der Waffe an Kopfschmerzen und erheblichen Angstzuständen, sie befinde sich daher in psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung. Ein ärztliches Attest ist beigefügt. Da der krankhafte Zustand mittels einer Waffe verursacht worden sei, sei der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB erfüllt, so dass es gemäß § 230 StGB keines Strafantrages bedürfe.

Die Strafkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30. August 2005 nicht abgeholfen. § 224 StGB erfordere die Verwendung eines Tatwerkzeugs mit der Gefahr erheblicher Verletzungen. Dazu zähle nicht der durch die Bedrohung mit einer Waffe ausgelöste Schock, da sich hierin nicht die spezifische Gefahr der Waffe äußere.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet, soweit es um die Zulassung der Nebenklage geht.

Gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 c) StPO ist derjenige, der durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 223 - 226 StGB verletzt ist, nebenklageberechtigt. Zutreffend hat die Strafkammer die Anschlussberechtigung wegen einer einfachen Körperverletzung gemäß § 223 StGB verneint, da insoweit ein Strafantrag gestellt oder das besondere öffentliche Interesse durch die StA bejaht worden sein muss (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 395 Rdnr. 5 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Vorliegend kommt jedoch die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB, eines Offizialdelikts, zum Nachteil der Beschwerdeführerin in Betracht, wobei die rechtliche Möglichkeit, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, genügt. Dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage nicht auch auf das Nebenklagedelikt gestützt hat, ist ohne Bedeutung (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 395 Rdnr. 4 und § 396 Rdnr. 10 m.w.N.). In der Bedrohung mit einer - auch nur scheinbar geladenen - Schusswaffe und den sonstigen einschüchternden Umständen eines solchen Überfalls kann eine das Leben gefährdende Behandlung i.S.d. § 224 StGB liegen (vgl. BGH NStZ 1986, 166). Es reicht aus, dass die Vorgehensweise des Täters abstrakt geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 44). Das Opfer muss nicht tatsächlich in Lebensgefahr geraten. Die Bedrohung mit einer aus der Sicht des Opfers scharfen geladenen Schusswaffe ist geeignet, schwere körperliche Beeinträchtigungen bis hin zum tödlichen Herzinfarkt hervorzurufen (vgl. BGH NStZ 1986, 166). Die äußeren Umstände, aus denen sich die mögliche Lebensgefährdung ergibt, waren dem Angeklagten bekannt, der mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund der naheliegenden Todesangst seines Opfers konkret rechnen musste und diese zur Durchsetzung seines Zieles zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Die Voraussetzungen einer - rechtlich möglichen - gefährlichen Körperverletzung und damit einer Anschlussberechtigung als Nebenklägerin gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1 c) StPO liegen mithin vor.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Verletzte H. als Nebenklägerin zuzulassen.

Die Kosten- und Auslagenfolge beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 465, 473 StPO.

Über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 397 a Abs. 2 StPO konnte der Senat nicht entscheiden, da den vorgelegten Doppelakten die Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen war.


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