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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 504/05 OLG Hamm

Leitsatz: Gegen die rückwirkende Entpflichtung eines Zeugenbeistandes ist die Beschwerde zulässig: Der Zeugenbeistand kann nicht rückwirkend entpflichtet werden.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Zeugenbeistand; Entpflichtung, Beschwerde; Zulässigkeit

Normen: StPO 68 b; StPO 304

Beschluss: Strafsache
gegen K.
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei, (hier: Beschwerde des Zeugen V., vertreten durch den Zeugenbeistand E., gegen den Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 20.09.2005

Auf die Beschwerde des Zeugen V. gegen den Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 20.09.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Auf die Beschwerde des Zeugen V. wird der Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 20.09.2005 betreffend den rückwirkenden Widerruf der Beiordnung von Rechtsanwalt E. als Beistand des Zeugen V. aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Zeugen V. trägt die Staatskasse.

G r ü n d e :
I.
Der Vorsitzende der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld hatte in der Hauptverhandlung vom 20.09.2005 gegen den Angeklagten de Kuijper dem Zeugen V. zunächst den Rechtsanwalt E. als Zeugenbeistand beigeordnet. Der Zeuge V. machte sodann in der Hauptverhandlung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls Angaben zu seiner Person und erklärte dann nach Unterbrechung der Hauptverhandlung und Erörterung der Sach- und Rechtslage nach etwa zweieinhalbstündiger Pause und Wiedereintritt in die Hauptverhandlung, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch mache.
Daraufhin widerrief der Vorsitzende der IX. Strafkammer mit dem angefochtenen Beschluss die Beiordnung von Rechtsanwalt E. als Beistand des Zeugen V. rückwirkend. Zur Begründung führte er aus, dass die vorzeitige Beiordnung des Zeugenbeistandes darauf beruhe, dass Rechtsanwalt E. angekündigt habe, der Zeuge werde Angaben zur Sache machen. Anderenfalls wäre über die Beiordnung erst nach entsprechendem Befragen des Zeugen entschieden worden. Vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme des Auskunftsverweigerungsrechts habe es der Beiordnung nicht bedurft, wie auch die Vernehmung eines anderen Zeugen gezeigt habe.

Gegen diesen Beschluss hat Rechtsanwalt E. mit Schriftsatz vom 27.09.2005, am selben Tage per Fax bei dem Landgericht in Bielefeld eingegangen, Beschwerde eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 09.11.2005 hat er die Beschwerde sodann begründet.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14.10.2005 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass der Zeugenbeistand Rechtsanwalt E. aus Sicht des Landgerichts zu Unrecht die Sprachkenntnisse zweier Dolmetscherinnen kritisiert habe. Anschließend habe der Zeuge von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, weil er von einer weiteren Aussage Nachteile für sein Strafverfahren befürchtete, was ihm auch der Vorsitzende der Kammer bestätigt habe. Ob das Gesetz im Normalfall die rückwirkende Entpflichtung des Zeugenbeistands vorsehe, könne dahinstehen. Nachdem der Zeugenbeistand zu Beginn der Hauptverhandlung am 20.09.2005 auf Befragung des Kammervorsitzenden erklärt habe, sein Mandant sei bereit, eine Aussage zu machen, führe die Rücknahme dieser Bereitschaft mit dem fadenscheinigen Argument, sein Mandant fühle sich trotz der Anwesenheit des der ungarischen Sprache mächtigen Zeugenbeistands sprachlich nicht ausreichend betreut, "jedenfalls nach dem Allgemeinen Teil des BGB zur rückwirkenden Entpflichtung".

II.
Die Beschwerde ist zulässig.

Zunächst ist davon auszugehen, dass der Zeugenbeistand Rechtsanwalt E., dem selbst kein eigenes Beschwerderecht zusteht, die Beschwerde im Namen seines Mandanten, des Zeugen V., eingelegt hat. Der Zeuge ist nämlich durch die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung des Zeugenbeistandes Rechtsanwalt E. beschwert. Legt der Zeugenbeistand bei einer derartigen Lage Beschwerde gegen den "Widerrufsbeschluss" des Landgerichts ein, so ist diese im Zweifel dahin auszulegen, dass sie im Namen des beschwerten Zeugen erfolgt, dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 300 StPO.

Die Beschwerde ist auch zulässig. Insbesondere steht die Bestimmung des § 68 b Satz 3 StPO der Zulässigkeit bzw. der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die Entscheidung über die Beiordnung sowie über die Ablehnung der Beiordnung unanfechtbar (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 68 b Rdnr. 8 m.w.N.; Senat, Beschluss vom 07.12.1999, NStZ 2000, 22). Vorliegend geht es aber nicht um die Beiordnung oder die Ablehnung der Beiordnung des Zeugenbeistandes, vielmehr um den gesetzlich nicht geregelten und damit auch von dem Ausschluss der Beschwerde gerade nicht erfassten Fall, dass die zunächst erfolgte Beiordnung des Zeugenbeistandes von dem Kammervorsitzenden rückwirkend widerrufen worden ist. Da dieser Fall von § 68 b S. 3 StPO nicht erfasst wird, ist die Beschwerde nach allgemeinen Grundsätzen statthaft, § 304 Abs. 1 StPO.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung des Zeugenbeistandes ist zu Unrecht erfolgt. Für das Vorgehen des Vorsitzenden der Strafkammer gibt es keine gesetzliche Grundlage. Nach § 68 b StPO kann dem Zeugen, der noch keinen anwaltlichen Beistand hat, für die Dauer der Vernehmung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Rechtsanwalt unter bestimmten Voraussetzungen beigeordnet oder aber die Beiordnung des Rechtsanwalts kann abgelehnt werden. Jede dieser beiden Entscheidungen ist unanfechtbar und damit auch der Aufhebung durch den Tatrichter, der die Beiordnung des Zeugenbeistandes angeordnet hat, entzogen. Hinzu kommt, dass der Zeugenbeistand hier nichts anderes getan oder veranlasst hat, als die ihm obliegende Aufgabe, seinen Mandanten insbesondere auch über die Inanspruchnahme des Auskunftsverweigerungsrechts gemäß § 55 StPO zu beraten, wahrzunehmen. Mit der Beiordnung eines Zeugenbeistandes verliert der Zeuge keineswegs sein Recht auf Auskunftsverweigerung nach dieser Vorschrift. Im Gegenteil dient die Beiordnung des Zeugenbeistandes gerade dazu, dem Zeugen die sachgemäße Wahrnehmung dieses Rechtes zu ermöglichen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 68 b Rdnr. 3 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3, 4 StPO analog.


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