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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 408/04 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen beim Vollrausch

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Vollrausch; tatsächliche Feststellungen; Vorsatz; Fahrlässigkeit; Rauschtat; Strafzumessung

Normen: StGB 323a; StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen PP.
wegen Vollrausches

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 19. Mai 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am
14. 12. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 19.05.2004 wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden.

Das Amtsgericht hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte kam am 8.5.2003 gegen 23.45 Uhr in die Gaststätte "S.Schänke" auf der S.straße in Essen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits stark angetrunken. Nicht auszuschließen ist, daß - möglicherweise auch auf Grund anderer Drogen - seine Schuldfähigkeit ausgeschlossen war. Er handelte bei dem folgenden Geschehen jedoch mit natürlichem Vorsatz.

Bald nach dem Angeklagte die Gaststätte betreten hatte, kam es zwischen ihm und dem Zeugen N zu einer verbalen Auseinandersetzung. Der Zeuge hatte den Angeklagten nämlich aufgefordert, sich in Zukunft nicht mehr belästigend seiner, des Zeugen, Ehefrau zu nähern. Der Angeklagte geriet darüber in Zorn und schüttete den Inhalt seines Bierglases in das Gesicht des Zeugen. Getroffen von der Flüssigkeit wurde auch die Zeugin L, die sich ebenfalls in der Gaststätte aufhielt. Der Zeuge bewahrte die Ruhe, erklärte dem Angeklagten jedoch, daß dieser in der Gaststätte nichts mehr zu suchen habe und schob ihn gewaltsam aus der Gaststätte. Der Angeklagte hatte sein Bierglas weiter in der Hand gehalten. Draußen angelangt, schlug er das Bierglas gegen die Fensterbank, so daß das Bierglas zerbrach. Mit dem restlichen Glas in der Hand versuchte er, den Zeugen in das Gesicht zu schlagen, wobei der Zeuge sich in unmittelbarer Nähe zu ihm befand. Der Zeuge konnte dem Schlag nicht mehr ausweichen, diesen vielmehr lediglich mit dem linken Arm abwehren, worauf der Angeklagte noch etwa 2 bis 3mal auf diesen Arm schlug. Der Arm des Zeugen wurde dadurch erheblich verletzt. Es wurden Muskel an der Außenseite und des Unterarms sowie Gefäße und die Sehne durchtrennt.“

Zu den Folgen der Tat hat das Amtsgericht festgestellt, der Zeuge habe bis zum 13.5.2003 stationär behandelt werden müssen und habe sich anschließend mehrere Monate in hausärztlicher Behandlung befunden. Als Dauerfolge sei die Bewegung des Daumens erheblich eingeschränkt.

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Angeklagte habe durch sein Verhalten § 323 a StGB verletzt. Er habe im Zustand des zumindest fahrlässig herbeigeführten Vollrausches eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich eine gefährliche Körperverletzung, strafbar nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, begangen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die erhobene Sachrüge hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Der Schuldausspruch des amtsgerichtlichen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Der objektive Tatbestand des § 323 a StGB setzt einen Rausch des Täters durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel voraus. Die Urteilsfeststellungen stellen keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme eines Vollrausches i. S. d. § 323 a StGB dar. Für die Beurteilung der Frage, ob ein alkoholbedingter Rausch vorliegt, der zur Folge hat, dass der Täter schuldunfähig ist oder seine Schuldunfähigkeit jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, kommt der Blutalkoholkonzentration ein erhebliches indizielles Gewicht zu, neben der allerdings auch die konkreten Umstände des Tatgeschehens, die Persönlichkeit des Täters sowie sein Leistungsverhalten vor, während und nach der Tat zu berücksichtigen sind (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2003, § 20, Rdn. 22, 23 m.w.N.). In den Gründen des angefochtenen Urteils wird die Höhe der Blutalkoholkonzentration aber nicht mitgeteilt, eben so wenig, welche sonstigen Drogen der Angeklagte in welchen Mengen jedenfalls nicht ausschließbar konsumiert haben soll. Es werden auch keine sonstigen Umstände festgestellt, aus denen sich nachvollziehbar eine (zumindest nicht auszuschließende) Schuldunfähigkeit des Angeklagten infolge des Konsums von Alkohol und Drogen ergibt.

Darüber hinaus enthält das angefochtene Urteil auch keine ausreichenden Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des § 323 a StGB. Der Täter muss sich vorsätzlich oder fahrlässig in den Rausch versetzt haben. Mitgeteilt wird hier nur die rechtliche Würdigung, der Angeklagte habe sich fahrlässig in einen Rausch versetzt.
Fahrlässig handelt der Täter, wenn er die Folgen des Rauschmittels hätte erkennen können und müssen (Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 323 a, Rdn. 10). Worauf das Amtsgericht seine Überzeugung, der Angeklagte habe fahrlässig gehandelt hat, gestützt hat, wird in dem angefochtenen Urteil nicht näher ausgeführt und ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Es fehlen sowohl Feststellungen dazu, welche Vorstellung der Angeklagte über die Auswirkungen seines Alkohol- und Drogenkonsums hatte, als er sich betrank und (möglicherweise) sonstige Drogen zu sich nahm, als auch dazu, dass er vorhersehen konnte, dass er in einen alkoholbedingten (möglicherweise zusätzlich durch Drogen verursachten) Rausch geraten würde.

Der subjektiven Tatbestand des § 323 a StGB erfordert außerdem, dass für den Täter mindestens vorhersehbar ist, dass er im Rausch irgendwelche Ausschreitungen strafbarer Art begehen wird (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 323 a, Rdn. 18 m.w.N.). Auch damit befasst sich das angefochtene Urteil nicht.

Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils war daher aufzuheben. Damit entfällt auch dessen Rechtsfolgenausspruch, so dass es auf etwaige Rechtsfehler im Rahmen der Strafzumessung nicht mehr ankommt.

Soweit mit der Revision gerügt wird, dass bei der Strafzumessung die Folgen der Rauschtat berücksichtigt worden sind, ist allerdings anzumerken, dass bei einem Delikt gemäß § 323 a StGB zwar die im Rausch begangene Tat als solche dem Täter nicht vorgeworfen werden darf, weil er insoweit ohne Schuld gehandelt hat, jedoch dürfen die tatbezogenen Merkmale der Rauschtat, wie Art, Umfang, Schwere und Gefährlichkeit oder Folgen dieser Tat bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden (BGH, NStZ-RR 2001, 15; NStZ 1993, 32).


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