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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 769/05 OLG Hamm

Leitsatz: Um eine dringende persönliche oder berufliche Angelegenheit, die das Ausbleiben zur Hauptverhandlung rechtfertigen könnte, handelt es sich bei einer Urlaubsreise des Betroffenen nicht, wenn die Reise in Kenntnis der Ladung zum Hauptverhandlungstermin gebucht und angetreten worden ist.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verwerfungsurteil; genügende Entschuldigung; Urlaubsreise; Buchung in Kenntnis der Ladung

Normen: OWiG 74

Beschluss: Bußgeldsache
gegen G.R.
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 18. August 2005 gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 04. August 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 12. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gem. §§ 79 Abs. 6 OWiG, 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
2. Eine Entscheidung des Senats über die weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 1. auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom
3. August 2005 ist nicht veranlasst.

Gründe:
I.
Der Bürgermeister der Stadt Recklinghausen hat gegen den Betroffenen wegen einer am 22. November 2004 begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung mit Bußgeldbescheid vom 03. Januar 2005 eine Geldbuße in Höhe von 125 € festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Nach rechtzeitigem Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Recklinghausen mit Verfügung vom 10. Juni 2005 Hauptverhandlungstermin auf den 04. August 2005 anberaumt; die Ladung ist dem Betroffenen am 11. Juni 2005 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2005, per Fax beim Amtsgericht eingegangen am 28. Juli 2005, hat der Betroffene unter Beifügung einer Reisebestätigung vom 28. Juli 2005 um Aufhebung des Termins gebeten, da er sich in der Zeit vom 03. August bis zum 17. August 2005 urlaubsbedingt in Italien aufhalte. Mit Verfügung vom 28. Juli 2005 hat das Amtsgericht Recklinghausen die Terminsverlegung abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen vom 02. August 2005 hat das Landgericht Bochum mit Beschluss vom 03. August 2005 zurückgewiesen, der weiteren Beschwerde hat das Landgericht Bochum mit Beschluss vom 04. August 2005 nicht abgeholfen. Sodann hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 04. August 2005 beantragt, den erkennenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Recklinghausen mit Beschluss vom 04. August 2005 als unzulässig verworfen und sodann den Einspruch des nicht erschienenen Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Gegen dieses ihm am 16. August 2005 zugestellte Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. August 2005, der am 19. August 2005 bei dem Amtsgericht Recklinghausen eingegangen ist, Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. September 2005 rechtzeitig begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu wie folgt Stellung genommen:

„a) Soweit sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wendet, ist sie bereits unzulässig.
Das die Richterablehnung betreffende Rechtsmittel gem. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG ist seiner Natur nach eine Beschwerde. Für diese gelten aber die Form- und Fristerfordernisse der Revision. Die Anfechtung nach § 28 Abs. 2 S. 2 StPO wird wie eine Verfahrensrüge behandelt, auf die § 344 Abs. 2 S. 2 StPO anzuwenden ist (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 228 Rdnr. 10). Nach dieser Vorschrift müssen die den Mangel enthaltenen Tatsachen so vollständig und genau angegeben werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Beschwerdeschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen werden. In der Beschwerdebegründung muss u.a. der Wortlaut des Ablehnungsantrages und des zurückweisenden Beschlusses sowie sonstiges zum Verständnis der Rüge erforderliches Vorbringen genau mitgeteilt werden (zu vgl. KK-Pfeiffer, StPO, 5.Aufl., § 28 Rdnr. 6; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 338 Rdnr. 29). Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerdeschrift, die den Inhalt des Ablehnungsantrages sowie den des zurückweisenden Beschlusses nur bruchstückhaft mitteilt, nicht gerecht.

b) Soweit der Betroffene einen Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG rügt, ist die Rechtsbeschwerde zulässig, aber unbegründet.
Auch ein solcher Verstoß kann nur mit einer den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügenden Verfahrensrüge geltend gemacht werden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 17.08.2001 2 Ss OWi 730/01 -). Dabei hängt der Umfang der Darlegungspflicht des Beschwerdeführers bei einem Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG auch davon ab, ob der Verfahrensfehler sich aus dem Inhalt des angefochtenen Urteils ergibt. Wenn das angefochtene Urteil Ausführungen dazu enthält, dass der Betroffene Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, dann reicht zur Begründung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge aus, das Gericht habe das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt ansehen dürfen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18.09.2003 3 Ss Owi 5/03 -).
Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung noch. Bereits das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen enthält Feststellungen dazu, wie der Betroffene sein Ausbleiben entschuldigt hat. Auch enthält das Urteil Ausführungen dazu, dass der Betroffene am 11.06.2005 zur Hauptverhandlung geladen wurde und dennoch am 28.07.2005 die durchgeführte Reise gebucht hat.
Die Beschwerde kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben, da das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Betroffene dem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt ferngeblieben ist.
Das Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin ist dann genügend entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht, der Ladung Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht (Senatsbeschluss vom 05.09.2005 2 Ss OWi 526/05 m.w.N.). Um eine dringende persönliche oder berufliche Angelegenheit, die das Ausbleiben zur Hauptverhandlung rechtfertigen könnte, handelt es sich bei der Urlaubsreise des Betroffenen nicht, zumal die Reise in Kenntnis der Ladung zum Hauptverhandlungstermin gebucht und angetreten worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Urlaub aus persönlichen Gründen unaufschiebbar gewesen sei, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Soweit der Betroffene schließlich rügt, das angefochtene Urteil lasse Ausführungen dazu vermissen, warum er trotz seiner weiteren Beschwerde sowie des unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsgesuches nicht hätte darauf vertrauen dürfen, nicht zur Hauptverhandlung erscheinen zu müssen, ist dieses Vorbringen so wenig nachvollziehbar, dass eine Erwähnung im Urteil nicht geboten erscheint. Weder einem Ablehnungsgesuch noch der Einlegung einer Beschwerde bzw. einer weiteren Beschwerde kommt aufschiebende Wirkung zu.“

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung. Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Der Senat hat bereits wiederholt zu der Frage Stellung genommen, wann das Ausbleiben eines Betroffenen im Hauptverhandlungstermin wegen der Erledigung dringender persönlicher oder beruflicher Angelegenheiten ausreichend entschuldigt ist (vgl. z.B. Senat in NZV 2004, 348; zuletzt Beschluss des Senats in 2 Ss 210/05 , VA 2005, 144 = VRR 2005, 270, zu § 329 Abs. 1 StPO). Danach ist das Ausbleiben dann genügend entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht, der Ladung Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht (Senat, a.a.O.). In dem Zusammenhang ist anerkannt, dass grundsätzlich berufliche Angelegenheiten gegenüber der Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, zurückzutreten haben. Bei unaufschiebbaren und besonders bedeutsamen beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten kann dem Betroffenen aber ausnahmsweise das Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein (Senat, a.a.O.; OLG Hamm NZV 2003, 348, 349; OLG Düsseldorf NZV 1994, 44, 45). Insoweit ist eine Güterabwägung vorzunehmen, bei der insbesondere Art und Anlass der beruflichen Inanspruchnahme auf der einen und die Bedeutung des den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden Vorwurfs auf der anderen Seite zu berücksichtigen sind. Die persönlichen Gründe, die das Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen sollen, kennt nur der Betroffene, er hat sie daher dem Gericht mitzuteilen (BayObLG NStZ 2003, 98).

Die Rechtsbeschwerde war nach alledem mit der sich aus § 473 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.

III.
Soweit der Betroffene sich gegen die Ablehnung seines Terminsverlegungsantrags durch das Amtsgericht Recklinghausen gewandt, das Landgericht Bochum 1. auswärtige Strafkammer diese Beschwerde durch Beschluss vom 3. August 2005 zurückgewiesen und der Betroffene hiergegen „weitere“ Beschwerde eingelegt hatte, war eine Entscheidung des Senats nicht veranlasst. Diese ohnehin unstatthafte weitere Beschwerde ist, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 09. November 2005 ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, nach Durchführung des Hauptverhandlungstermins am 04.08.2005 gegenstandslos geworden.


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