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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 130/00 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einer Verurteilung wegen Beleidigung müssen die Umstände des Einzelfalls, die für die Beurteilung des Frage des Vorliegens eines Angriffs auf die Ehre des anderen maßgeblich sind, umfassend aufgeklärt und im tatrichterlichen Urteil mitgeteilt werden.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Beleidigung, tatsächliche Feststellungen, politische Auseinandersetzung, lückenhafte Feststellungen

Normen: StGB 185, StPO 267

Beschluss: Strafsache gegen F.D. wegen Beleidigung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 21.09.1999 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.02.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Witten zurückverwiesen.
Die Anschlusserklärung des Geschädigten M.H. als Nebenkläger, vertreten durch Rechtsanwalt N., wird für berechtigt erklärt.

Gründe: I. Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom 21. 9. 1999 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen in Höhe von je 60,- DM kosten- und auslagenpflichtig verurteilt worden. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende tatsächliche Feststellungen getroffen: "Der Angeklagte ist Mitglied der CDU. Der Zeuge H. ist im Stadtverband der Stadt Witten der CDU an führender Stelle tätig. In den Jahren 1997 und 1998 kam es wiederholt zu politischen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen H.. Bei verschiedenen Gelegenheiten warf der Angeklagte dem Zeugen H. vor, dieser verfolge einen stark rechtsgerichteten Kurs. Am 04.02.1998 gegen 04:59 Uhr sandte der Angeklagte vom Fax-Gerät seiner Anwaltskanzlei in Witten etwa 200 gleichlautende Telefaxe an den Stadtverband der CDU in Witten. Das Telefax trug am oberen und unteren Rand jeweils den Endlostext "Stoppt H. und Konsorten". In der Mitte befand sich folgender Text: "Hasenmeyer-Kolbenkamp und deine Bande fahrt zur Hölle! Tod dem "Oberförster" und allen Anhängern! Es ist gerüstet - die Hunde lechzen schon nach euch". Eine Unterschrift trugen die Telefaxe nicht." An anderer Stelle des Urteils heißt es weiter: "Der Angeklagte hat eingeräumt, die oben geschilderten Telefaxe an den Stadtverband der CDU in Witten abgesandt zu haben. Er sei als Mitglied der CDU seit vielen Jahren ein innerparteilicher Gegner des Zeugen H., der in der CDU an führender Stelle tätig sei. Durch die Anspielung auf den Schriftsteller Kolbenheyer, so wie durch die Zitate aus dem Roman "Auf den Marmorklippen", habe er auf die seiner Ansicht nach bedenkliche Nähe der politischen Ansichten des Zeugen H. zu rechtsradikalen Positionen hinweisen wollen. Der Zeuge H. bekundet, der Angeklagte sei seit 1996 ein politischer Gegner. Es sei bei mehreren Gelegenheiten zu Auseinandersetzungen gekommen. Dabei habe ihn der Angeklagte beschimpft und bedroht. ..."
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig (Sprung-)Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Mit Schriftsatz vom 11.10.1999 hat der Geschädigte beantragt, als Nebenkläger zugelassen zu werden.
II. Die rechtzeitige und damit zulässige Revision hat auf die allein zu erörternde Sachrüge - die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und deshalb nach § 344 Abs. 2
S. 2 StPO unzulässig - Erfolg.
Die Urteilsfeststellungen bieten keine tragfähige Grundlage für die Prüfung, ob das Recht auf den Sachverhalt richtig angewendet worden ist. Sie erweisen sich als lückenhaft, so dass die geltend gemachte Beschwer durch das Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden kann, was zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO,
44. Aufl., zu § 267 Rdnr. 42 und zu § 337 Rdnr. 21). So liegt der Fall hier.
Beleidigung i.S.d. § 185 StGB ist der rechtswidrige Angriff auf die Ehre eines Anderen durch vorsätzliche Kundgabe der eigenen Missachtung oder Nichtachtung (vgl. Dreher/Tröndle, StGB,
49. Aufl., zu § 185 Rdnr. 1 a m.w.N.). Missachtung oder Nicht-
achtung bringt eine wie hier schriftliche Äußerung dann zum Ausdruck, wenn nach ihrem objektiven Sinngehalt der betroffenen Person der sittliche, personelle oder soziale Geltungswert ganz oder teilweise abgesprochen und ihr grundsätzlich uneinge-
schränkter Achtungsanspruch verletzt wird (OLG Hamm, NJW 1971, S. 1852; Schönke-Schröder-Lenckner, StGB, 25. Aufl., § 185 Rdnr. 2 m.w.N.; BayObLG NJW 1983, S. 2040 m.w.N.).
Ob vorliegend die Grenze zur Strafbarkeit i.S.d. § 185 StGB gemessen an dem zuvor Gesagten bereits tatbestandlich überschritten ist, erscheint zwar dem Senat sehr fraglich. Er vermag diese Frage aber nach den bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden. Denn ob eine Kundgabe schon solchen strafbewehrten Inhalts vorliegt, ist nach den Umständen
des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. Lackner/Kühl, StGB,
23. Aufl., § 185 Rdnr. 4). Dabei kann es u.a. auf situative und kontextuale Zusammenhänge, auf örtliche und zeitliche Verhältnisse und Vorgänge, auf Gebräuche und Sprachregelungen des Kreises ankommen, dem die Beteiligten angehören und auch auf die Persönlichkeiten des Kundgebers und Empfängers sowie
ihre Beziehung zueinander (vgl. dazu etwa LK-Herdegen, StGB, 10. Aufl., § 185 Rdnr. 21 m.w.N.). Nicht jede Verletzung von Persönlichkeitsrechten stellt nämlich auch schon eine gemäß
§ 185 StGB strafbare Ehrverletzung dar. So liegt in der bloßen Ablehnung eines Anderen für sich allein keine Beleidigung, wenn damit eine Ehrverletzung noch nicht einhergeht. Deshalb ist es eine anhand der Umstände des Einzelfalls tatrichterlich zu entscheidende Interpretationsfrage, ob mit einer beispielsweise ausländerfeindlichen Äußerung zugleich auch die Minderwertigkeit des Betroffenen zum Ausdruck gebracht wird (vgl. OLG Zweibrücken, NStZ 1994, S. 490). Daraus folgt, dass der Tatrichter die Umstände des Einzelfalls, die für die Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Angriffes auf die Ehre maßgeblich sind, so umfassend aufklären und im Urteil mitteilen muss, dass dem Senat aus den Urteilsfeststellungen heraus allein eine Überprüfung ermöglicht wird.
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es teilt lediglich mit, der Angeklagte und der Betroffene seien Mitglieder der gleichen Partei, Letzterer an führender Stelle im Stadtverband. Zwischen beiden habe es in den letzten zwei Jahren wiederholt politische Auseinandersetzungen gegeben. Sie seien innerparteiliche Gegner und der Angeklagte habe den Betroffenen, dem er einen stark rechtsradikalen Kurs nachsage, mehrfach beschimpft und bedroht. Welcher Form und welchen Inhalts die Auseinandersetzungen der Beteiligten waren, wird nicht mitgeteilt. Konkrete Feststellungen zu örtlichen Verhältnissen oder zeitnahen Vorkommnissen, die für die Beurteilung des Einzelfalles maßgeblich wären, sind nicht niedergelegt. Gerade im politischen Meinungskampf, innerhalb dessen überzogene oder ausfällige Kritik in aller Regel straflos hinnehmbar sind, können nur die konkreten Umstände des Einzelfalles ergeben, ob starke, eindringliche Formulierungen und sinnfällige Schlagworte nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dienen, sondern vornehmlich auf die Diffamierung und Ehrverletzung der angegriffenen Person gerichtet sind. Mangels Mitteilung derartiger konkreter und einzelfallbezogener Umstände ist dem Senat eine Sachprüfung nicht möglich.
Erst wenn der äußere und innere Tatbestand der Beleidigung als ehrverletzende Kundgabe festgestellt werden kann, wird sich die vom Amtsgericht ausführlich erörterte Frage der Rechtfertigung über § 193 StGB i.V.m. Art. 5 GG stellen.
Danach war das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Zulassung des Nebenklägers beruht auf den §§ 395 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 4, 396 Abs. 2 StPO.


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