Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. 21/99 (25/00) OLG Hamm
Leitsatz: Zur Anordnung des Vollzugs des förmlichen Auslieferungshaftbefehls nach § 34 Abs. 1 Halbsatz 2 IRG.
Gericht: OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: Auslieferungssache
Stichworte: Invollzugsetzung, Durchführungshaftbefehl, förmlicher Auslieferungshaftbefehl, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit, Vorführungsbefehl
Normen: IRG 34, IRG 17
Beschluss: Auslieferungssache (Anordnung des Vollzugs des förmlichen Auslieferungshaftbefehl) betreffend die lettische Staatsangehörige I.W. wegen Auslieferung der Verfolgten aus Deutschland in die Republik Lettland zur Strafverfolgung wegen Raubes (hier: Anordnung des Vollzugs des förmlichen Auslieferungshaftbefehls).
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 27.03.2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.04.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht beschlossen:
Der Vollzug des förmlichen Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 23.11.1999 wird angeordnet.
G r ü n d e: I. Der Senat hat gegen die Verfolgte mit Beschluss vom 29.01.1999 die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet, den vorläufigen Auslieferungshaftbefehl aber unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Am 23.11.1999 ist dann die förmliche Auslieferungshaft angeordnet und die Auslieferung der Verfolgten nach Lettland für zulässig erklärt worden (vgl. den zur Veröffentlichung bestimmten Beschluss des Senats vom 23.11.1999 in 4 Ausl. 21/99 (95/99)). Der förmliche Auslieferungshaftbefehl ist erneut außer Vollzug gesetzt worden.
Inzwischen hat das Auswärtige Amt mit Verbalnote vom 01.03.2000 die Auslieferung der Verfolgten bewilligt. Deshalb hat nunmehr die Generalstaatsanwaltschaft die Anordnung des Vollzugs des förmlichen Auslieferungshaftbefehls gem. § 34 Abs. 1 zweiter Halbsatz IRG beantragt.
II. Gemäss § 34 Abs. 1 zweiter Halbsatz IRG war der Vollzug des Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 23.11.1999 anzuordnen.
Die nach § 34 Abs. 1 zweiter Halbsatz IRG erforderlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Vollzugs des bestehenden Auslieferungshaftbefehls sind gegeben. Nach der Systematik des § 34 Abs. 1 IRG steht die ggf. mögliche Anordnung des Vollzugs eines bestehenden Auslieferungshaftbefehls als Alternative für die Anordnung des sog. Durchführungshaftbefehls nach § 34 Satz 1 1. Halbsatz IRG zur Verfügung. Dies bedeutet nach Auffassung des Senats, dass die Anordnung des Vollzugs des Auslieferungshaftbefehls von den gleichen Voraussetzungen abhängig ist wie der Erlass eines Durchführungshaftbefehls. Der Verfolgte muss sich also auf freiem Fuß befinden und die Durchführung der Auslieferung darf nicht auf andere Weise gewährleistet sein.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Verfolgte befindet sich auf freiem Fuß. Die Durchführung ihrer Auslieferung ist nach Überzeugung des Senats auch nicht auf andere Weise gewährleistet. Aufgrund der familiären Verhältnisse der Verfolgten - diese muss außer ihrem Ehemann die beiden in ihrer Ehe lebenden Kinder versorgen - ist nach Überzeugung des Senats zu befürchten, dass sich die Verfolgte, die die ihr von den lettischen Behörden zur Last gelegten Taten bestreitet, nicht freiwillig zum Zweck der Übergabe an die lettischen Behörden auf dem Flughafen Düsseldorf einfinden wird. Hinzu kommt, dass die Verfolgte bislang noch davon ausgehen konnte, dass es nicht zu ihrer Auslieferung kommen werde. Nachdem nun aber mit Verbalnote vom 01.03.2000 durch das Auswärtige Amt die Auslieferung bewilligt ist, muss auch die Verfolgte davon ausgehen, dass die Auslieferung nun vollzogen werden wird. Dies verstärkt den vom Senat angenommenen Fluchtanreiz und rechtfertigt - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Verfolgte den ihr gemachten Auflagen nachgekommen ist - die Anordnung des Vollzugs des Auslieferungshaftbefehls.
Die bewilligte Auslieferung steht auch zeitlich und unmittelbar im Sinn des § 34 IRG bevor. Erfahrungsgemäss dauert die Terminabstimmung und die Klärung der Einzelheiten mit den ausländischen Behörden in der Regel nicht mehr als einen Monat.
Die Anordnung des Vollzugs des Auslieferungshaftbefehls ist auch verhältnismäßig. Dahinstehen kann, ob anstelle des Durchführungshaftbefehls und/oder der Invollzugsetzung eines Auslieferungshaftbefehls auch nur ein Vorführungsbefehl erlassen werden könnte (vgl. dazu Schomburg in Schomburg/Lagodny, IRG, 3. Aufl., § 34 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen). Dieser wäre nämlich nach Auffassung des Senats angesichts der Gesamtumstände, insbesondere der Tatsache, dass die Verfolgte dann ihre Familie sehr kurzfristig verlassen müsste, ohne die Möglichkeit zu haben, deren Versorgung zu organisieren, nicht das mildere Mittel, die Durchführung der bewilligten Auslieferung zu gewährleisten. Demgegenüber hat die Verfolgte nunmehr die Gelegenheit, aus der Auslieferungshaft heraus die Versorgung ihrer Familie zu organisieren.
Da sich neue Umstände, die ggf. der Zulässigkeit der Auslieferung entgegenstehen könnten (vgl. zur erneuten Zulässigkeitsprüfung Schomburg, a.a.O., § 34 Rn. 11), nicht ersichtlich sind, war die beantragte Invollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls anzuordnen.
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