Gericht: OLG Hamm
Senat: 1
Gegenstand: Vollzugssache
Stichworte: Besuche am Samstag, Besuchsregelung, zusätzliche Besuche, Anspruch auf rechtliches Gehör, Amtsermittlung
Normen: StVollzG 24, StVollzG 109, StVollzG 115, StVollzG 116, StVollzG 119, StPO 267
Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen W. N., wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Besuch an Samstagen).
Auf den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde und auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. Dezember 1999 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 5. November 1999 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe beschlossen:
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gewährt.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe:
Die Strafvollstreckungskammer hat durch den angefochtenen Beschluss einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung über sein Begehren, weitere Besuchstermine an Samstagen zu erhalten, zurückgewiesen. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer den Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe vom 29. September 1999 wiedergegeben, der wie folgt lautet:
"Nach § 24 Abs. 1 S. 1 und 2 StVollzG darf der Gefangene regelmäßig Besuch empfangen, wobei die Gesamtdauer mindestens eine Stunde im Monat beträgt. Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Besuchszeiten sowie Häufigkeit und Dauer der Besuche sind nach § 24 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 161 Abs. 2 Nr. 1 StVollzG in der Hausordnung zu regeln.
In der Justizvollzugsanstalt Bochum ist insoweit für Privatbesuche der Strafgefangenen geregelt, dass nur an einem Samstag im Monat Besuch bewilligt werden kann. Maßgeblich für diese Regelung ist, dass es in der Justizvollzugsanstalt Bochum vor dem Hintergrund der angespannten Belegungssituation und des dadurch bedingten hohen Besuchsaufkommens aus organisatorischen Gründen zur Zeit nicht möglich ist, mehr als einen Besuch im Monat an einem Samstag zu gewähren.
Die Regelung gibt keinen Anlass zur Beanstandung. Gründe, in Ihrem Fall von dieser Regelung abzuweichen, sind nicht erkennbar. Der von Ihnen aufgeführte Grund, Ihre Verlobte könne Sie berufsbedingt an anderen Tagen als Samstags nicht besuchen, reicht nicht aus. Die nur eingeschränkte Besuchsmöglichkeit aus beruflichen Gründen trifft auf eine Vielzahl von Gefangenen zu. Mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Ihnen vor den anderen Gefangenen der Vorzug gegeben würde."
Diesen Ausführungen hat die Strafvollstreckungskammer sich in vollem Umfang angeschlossen. Darüber hinaus ist lediglich noch ausgeführt, die getroffene Entscheidung des Antragsgegners sei insgesamt nicht zu beanstanden.
Gegen diese, ihm am 10. November 1999 zugestellte Entscheidung, richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. Dezember 1999. Bereits am 29. November 1999 hatte der Verurteilte Vorführung beim Urkundsbeamten des Amtsgerichts Bochum beantragt. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 hatte das Amtsgericht Bochum um Mitteilung gebeten, in welcher Angelegenheit die Vorführung stattfinden solle. Dies hatte der Betroffene mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 beantwortet, welches der Sachbearbeiter des Landgerichts indes erst am 14. Dezember 1999 erhielt. Gleichzeitig beantragte der Antragsteller Vorführung bei dem Landgericht Bochum zur Einlegung der Rechtsbeschwerde am 4. Dezember 1999. Dieser am 7. Dezember 1999 eingegangene Antrag wurde dem Sachbearbeiter erst am 10. Dezember 1999 vorgelegt. Der Verurteilte hat daraufhin am 15. Dezember 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Insbesondere beanstandet er, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Begründung des Widerspruchsbescheides übernommen habe, ohne dass eine Überprüfung der Sachlage stattgefunden habe. Darüber hinaus rügt er, dass er zu der abgegebenen Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bochum nicht gehört worden sei. Insoweit trägt er vor, er sei von der Justizvollzugsanstalt Werl nach Bochum verlegt worden, weil dort zwei Samstagsbesuche à zwei Stunden möglich gewesen seien. Der zuständige Sozialarbeiter in der Justizvollzugsanstalt Werl habe sich vor seiner Verlegung bei der Justizvollzugsanstalt Bochum bezüglich der Besuchsregelung erkundigt. Die Möglichkeit der zwei Samstagsbesuche à zwei Stunden in der JVA Bochum sei ihm bestätigt worden.
Dem Betroffenen war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.
Auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG sind gegeben. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Das Rechtsmittel hat auch einen - vorläufigen - Erfolg.
Nach dem Akteninhalt trifft das Vorbringen des Betroffenen, die Entscheidung sei unter Verletzung des ihm zustehenden rechtlichen Gehörs ergangen, zu. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 1999, eingegangen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum am 29. Oktober 1999, hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bochum Stellung genommen zu dem Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung. Beigefügt war die Besuchsregelung der Justizvollzugsanstalt für Untersuchungs- und Strafgefangene der Häuser I und II, der Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt an den Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe vom 26. August 1999 sowie der Widerspruchsbescheid. Eine Übersendung einer Abschrift dieser Stellungnahme sowie der beigefügten Unterlagen hat der Richter der Strafvollstreckungskammer nicht verfügt. Vielmehr ist unter dem 5. November 1999 eine Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung getroffen worden.
Ebenso wie in anderen gerichtlichen Verfahren besteht auch im Verfahren nach §§ 109 ff. Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 33 StPO; vgl. Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 7. Aufl., § 115 Rdnr. 5; OLG Hamm, ZfStrVo 1986, 127). Daraus folgt, dass die gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gegründet werden darf, zu denen die Verfahrensbeteiligten Stellung nehmen konnten. Dementsprechend muss der Antragsteller Gelegenheit erhalten, zu den entscheidungsrelevanten Tatsachen und Wertungen der Vollzugsbehörde Stellung zu nehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer darauf beruht, dass der Verurteilte sich insoweit nicht hat äußern können. Nicht ausschließbar hätte der Betroffene im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgetragen, dass seine Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Bochum aufgrund der Zusage, er könne an zwei Samstagen im Monaten Besuch erhalten, erfolgt sei. Dies hätte sodann von der Strafvollstreckungskammer näher aufgeklärt und gewertet werden müssen. Demgemäss war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG der Grundsatz der Amtsermittlung gilt. Das Gericht hat den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Die Strafvollstreckungskammer hätte demgemäss den zugrunde liegenden Sachverhalt vollständig ermitteln müssen. Dies ist nicht geschehen.
Darüber hinaus hat das Gericht nach § 115 Abs. 5 StVollzG Ermessensentscheidungen unter den Gesichtspunkten der Ermessensüberschreitung und des Ermessensfehlgebrauchs zu überprüfen. Dabei hat der Senat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass für den Beschluss nach § 115 StVollzG die gleichen Anforderungen gelten, die § 267 StPO an die Begründung eines strafgerichtlichen Urteils stellt. Das Gericht muss deshalb die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte anführen. Die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen müssen so vollständig wiedergegeben sein, dass eine hinreichende Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren ermöglicht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 1997 - 1 Vollz (Ws) 56/97 - m.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Beschluss nicht. Die Strafvollstreckungskammer hat sich lediglich den Ausführungen des Präsidenten des Justizvollzugsamtes angeschlossen. Die Strafvollstreckungskammer hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen nach ihrer Auffassung die getroffene Entscheidung des Anstaltsleiters nicht zu beanstanden ist. Der Senat kann daher nicht feststellen, ob eine Überprüfung der Anstaltsleiterentscheidung tatsächlich stattgefunden hat.
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