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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 235/99 OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: Vollzugssache

Stichworte: Verlegung in den offenen Vollzug, Vorschaltverfahrensgesetz, Widerspruchsverfahren

Normen: StVollzG 116, StVollzG 159


Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen J.K. wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden, (hier: Verlegung in den offenen Vollzug).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 09.12.1999 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 22.11.1999 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.

Gründe :
I. Der Antragsteller verbüßt in der JVA Werl eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren neun Monaten wegen Bandendiebstahls. Aufgrund der Einweisungsentschließung der JVA Hagen vom 16.04.1999 wurde er am 30.04.1999 der JVA Werl zugeführt. 2/3 der Freiheitsstrafe werden am 03.11.2002 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 04.06.2005 notiert.
Am 29.05.1999 beantragte der Antragsteller, aus medizinischen Gründen in den offenen Vollzug verlegt zu werden, um eine Rehabilitationsmaßnahme durchführen zu können. Der Leiter der JVA Werl lehnte den Antrag nach Erörterung in einer Vollzugskonferenz gemäß § 159 StVollzG am 31.08.1999 ab. Die Entscheidung wurde dem Antragsteller am gleichen Tag mündlich eröffnet. Mit Schreiben vom 05.09.1999 beantragte der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege der gerichtlichen Entscheidung zu verpflichten, ihn in den offenen Vollzug zu verlegen. Er trug vor, sein Antrag vom 29.05.1999 sei bereits unmittelbar nach Antragstellung am 31.05.1999 mündlich durch den Abteilungsbeamten RAR A. abgelehnt worden, wobei ihm eine Begründung verweigert worden sei. Gegen diese Entscheidung habe er - was zutrifft - unter dem 01.06.1999 schriftlich Widerspruch eingelegt. Über diesen Widerspruch habe der Präsident des Justizvollzugsamtes innerhalb der Frist des § 1 Abs. 3 S. 1 des Vorschaltverfahrensgesetzes NW nicht entschieden.
Erst während des laufenden Klageverfahrens erging sodann der Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Justizvollzugsamtes vom 23.09.1999. Der Widerspruch wurde als unzulässig verworfen, da zum Zeitpunkt des Einlegens des Widerspruches noch keine ablehnende Entscheidung vorgelegen habe. Diese sei erst am 31.08.1999 getroffen worden.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen. Sie ist dem Vortrag des Leiters der JVA Werl gefolgt, wonach eine ablehnende Entscheidung durch den Regierungsrat A. am 31.05.1999 nicht erfolgt sei, diese sei in der Gefangenenpersonalakte nicht dokumentiert. Der Widerspruch vom 01.06.1999 könne auch nicht in einen solchen gegen die Entscheidung vom 31.08.1999 umgedeutet werden, da ein Rechtsbehelf erst dann wirksam eingelegt werden könne, wenn eine Entscheidung ergangen ist.

Diese Entscheidung kann in der Sache keinen Bestand haben. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Sie hat auch in der Sache vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat zu Unrecht den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen, da ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Zunächst hat sie nicht hinreichend hinsichtlich der vom Betroffenen zur Überprüfung gestellten Entscheidungen differenziert. Nach seinem Antrag vom 05.09.1999 wandte sich der Betroffene ersichtlich sowohl gegen die ihm - angeblich - mündlich eröffnete Entscheidung vom 31.05.1999 als auch die vom 31.08.1999. Hinsichtlich der Entscheidung vom 31.05.1999 kann die Unzulässigkeit nicht auf § 109 Abs. 3 StVollzG i.V.m. § 1 Abs. 1 Vorschaltverfahrensgesetz gestützt werden. Denn hinsichtlich dieser Entscheidung hat der Gefangene unstreitig unter dem 01.06.1999 einen Widerspruch an den Präsidenten des Justizvollzugsamtes Westfalen-Lippe gerichtet. Dieser ist auch dort eingegangen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren drei Monate nach Einlegung dieses Widerspruches verstrichen, so dass gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 Vorschaltverfahrensgesetz der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig war. Der Antrag des Betroffenen war daher nur dann unzulässig, wenn unter dem 31.05.1999 ihm tatsächlich keine Entscheidung eröffnet wurde. Dies ist von der Strafvollstreckungskammer nicht zureichend überprüft worden. Sie hat allein die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zugrunde gelegt, dass in der Personalakte eine solche Entscheidung nicht "dokumentiert sei". Dies reichte aufgrund des Sachvortrages des Betroffenen ersichtlich nicht aus. Dieser hat geltend gemacht, eine solche Entscheidung sei ihm durch den RAR A. eröffnet worden. Dem angefochtenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, ob dieser namentlich benannte Vollzugsbeamte zu dieser Frage überhaupt gehört und ggf. was dieser hierzu geäußert hat. Erst nach den entsprechenden Feststellungen hätte das Begehren des Betroffenen daher ggf. als unzulässig verworfen werden dürfen.

Auch soweit der Betroffene sich gegen die Entscheidung vom 31.08.1999 wendet, kann nach den bisherigen Feststellungen sein Begehren nicht ohne weiteres als unzulässig zurückgewiesen werden. Zwar kann sein Widerspruch vom 01.06.1999 nicht als ein solcher gegen die Entscheidung vom 31.08.1999 gewertet werden. Doch hätte sich die Strafvollstreckungskammer mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie nicht im vorliegenden Fall gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 des Vorschaltverfahrensgesetzes - ggf. in analoger Anwendung - ausnahmsweise auch ohne die Durchführung des Widerspruchsverfahrens "wegen besonderer Umstände des Falles" angerufen werden durfte. Insoweit hatte sie zu berücksichtigen, dass der Betroffene unstreitig am 29.05.1999 einen schriftlichen Antrag auf Überstellung in den offenen Vollzug gestellt hatte. Mit dem Widerspruchsschreiben vom 01.06.1999 hatte die Widerspruchsbehörde gleichfalls Kenntnis von diesem Antrag. Ohne ersichtlichen Grund wurde der Antrag sodann erst nach Ablauf von drei Monaten durch den Leiter der Justizvollzugsanstalt beschieden, ohne dass die Widerspruchsbehörde - zumindestens für den Senat nicht ersichtlich - auf eine zügige Entscheidung hingewirkt oder diese angemahnt hat. Diese - nach dem bisherigen Sachverhalt durch nichts zu rechtfertigende - Verzögerung der Bearbeitung des Antrages des Betroffenen könnte es gerechtfertigt erscheinen lassen, von einem Vorschaltverfahren abzusehen. Hiermit hätte sich die Strafvollstreckungskammer auseinandersetzen müssen.

Daher war wie geschehen zu entscheiden.


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