Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. 67/00 (7/00) OLG Hamm
Leitsatz: Ist im Auslieferungsverfahren zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten der Einsatz technischer Mittel erforderlich, ist das Oberlandesgericht für die Anordnung des Einsatzes sachlich zuständig (Fortführung von Senat in NStZ-RR 1998, 350 = wistra 1999, 37.
Gericht: OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: Auslieferungssache
Stichworte: Anordnung einer Telefonüberwachung, Einsatz technischer Mittel, Zuständigkeit für Anordnung im Auslieferungsverfahren
Normen: StPO 100 a, StPO 100 c Abs. 1 Nr. 1 a StPO 100 c Abs. 2 Satz 1 und 2
Beschluss: Auslieferungssache betreffend den türkischen Staatsangehörigen F.T. wegen Auslieferung des Verfolgten aus der Bundesrepublik Deutschland in das Königreich Niederlande zum Zweck der Strafverfolgung wegen Mordes (hier: Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Bestätigung der Anordnung einer Telefonüberwachung u.a.).
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 10. Februar 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.02.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht beschlossen:
1. Die Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs bezüglich des Anschlusses xxxxxx Anschlussinhaber I.F. wird bestätigt.
2. Die Überwachung und Aufzeichnung des diesen Anschluss betreffenden Fernmeldeverkehrs wird befristet auf drei Monate angeordnet.
3. Es wird die Anfertigung von Videoaufnahmen der Besucher der Wohnung des I.F. - befristet auf drei Monate angeordnet.
G r ü n d e:
I. Mit Schreiben vom 7. und 8. Februar 200 hat die Staatsanwaltschaft Breda um Observation der Mutter des Verfolgten und im Falle seines Antreffens um Festnahme des Verfolgten ersucht. Die Staatsanwaltschaft Breda wirft dem Verfolgten vor, an einem Mord in Tilburg/Niederlande am 6. Januar 2000 beteiligt gewesen zu sein. Wegen dieser Tat liegt gegen den Verfolgte auch eine SIS-Ausschreibung der Niederlande zur Festnahme zum Zwecke der Auslieferung vor. Zu der Tat soll es in Zusammenhang mit einem Rauschgiftgeschäft, das der Verfolgte mit teilweise noch unbekannten Mittätern abwickeln wollte, gekommen sein.
Nach Erkenntnissen der niederländischen Strafverfolgungsbehörden beabsichtigte die Mutter des Verfolgten, sich mit diesem in der Bundesrepublik Deutschland in Drolshagen zu treffen. In den Abendstunden des 8. Februar 2000 suchte sie die Wohnung des I.F. auf. Bei I.F. handelt es sich um den Bruder der Ehefrau des Verfolgten, die sich ebenfalls in der Wohnung G-Str. 12 in D. aufhält.
Um festzustellen, ob der Verfolgte sich ebenfalls in dieser Wohnung aufhält und/oder um in Erfahrung zu bringen, wo er sich zur Zeit aufhält, hat die Generalstaatsanwaltschaft am 8. Februar 2000 die Überwachung des Fernmeldeanschlusses des I.F. angeordnet, da eine Entscheidung des Senats wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit zuvor nicht hatte herbeigeführt werden können. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt nunmehr, diese Anordnung zu bestätigen und für die Dauer von drei Monaten die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs des I.F. anzuordnen. Sie beantragt außerdem gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO die Anfertigung von Videoaufnahmen der Besucher der oben bezeichneten Wohnung des I.F.
II. Den Anträgen war zu entsprechen.
1. Der Senat ist für die Entscheidung über die Anträge zuständig.
Der Senat hat für eine Telefonüberwachung - bereits entschieden, dass, wenn im Auslieferungsverfahren zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten die Überwachung des Telefonverkehrs des Verfolgten erforderlich ist, das Oberlandesgericht für die Anordnung der Telefonüberwachung sachlich zuständig ist, da es sich um eine Annexentscheidung zum Auslieferungsverfahren handelt; insoweit bedarf es dann auch keines darauf besonders gerichteten Rechtshilfeersuchens des ersuchenden ausländischen Staates (Senat in NStZ-RR 1998, 350 = wistra 1999, 37).
Diese "Annexkompetenz" gilt aber nicht nur für die Anordnung einer Telefonüberwachung, sondern auch für den Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten nach § 100 c StPO. Die für die Anordnung der Telefonüberwachung durch den Senat geltenden Argumente (vgl. dazu Senat, a.a.O.) gelten für den Einsatz technischer Mittel in gleicher Weise. Es wäre zudem widersinnig, den Senat als zuständig für die Anordnung der Telefonüberwachung anzusehen, die Anordnung des Einsatzes technischer Mittel hingegen dem Amtsgericht zu überlassen.
2. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Telefonüberwachung bei I.F. nach § 100 a Satz 1 und 2 StPO liegen vor.
"Bestimmte Tatsachen" im Sinn des § 100 a Satz 1 StPO begründen den Verdacht, dass der Verfolgte an einem Mord, einer Katalogtat des § 100 a Satz 1 Nr. 2, beteiligt war. Dies ist den der SIS-Ausschreibung zugrunde liegenden Unterlagen und Angaben der niederländischen Behörden zu entnehmen, die offenbar auf die Angaben von Tatbeteiligten und Zeugen zurückgehen. Auch spricht der zeitliche Ablauf der geschilderten Tat für eine Beteiligung des Verfolgten.
Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs war und ist zur Erforschung des Aufenthalts des Verfolgten und damit zur Festnahme des Verfolgten auch unentbehrlich i.S. des § 100 a Satz 1 StPO. Bislang sind die Versuche der niederländischen und der deutschen Polizeibehörden, den Aufenthalt des Verfolgten zu ermitteln, ergebnislos geblieben. Weitere Aufklärungsmittel als die bereits erfolgten Nachforschungen und die zur Zeit durchgeführten Überwachungs- und Observierungsmaßnahmen sind nicht vorhanden. Damit wäre die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Verfolgten ohne die Telefonüberwachung aussichtslos.
Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Anordnung des Fernmeldeanschlusses des Betroffenen I.F. Zwar kommt dieser nur als sog. Nachrichtenmittler in Betracht, die Anordnung der Überwachung seines Telefonanschlusses ist jedoch zulässig, da aufgrund bestimmter Tatsachen davon ausgegangen werden kann, dass er Nachrichten für den Verfolgten entgegennimmt oder an ihn weiterleitet. Dafür spricht eindeutig, dass sich sowohl die Ehefrau als auch die Mutter des Verfolgten in seiner Wohnung aufhalten.
Schließlich ist die Anordnung der Telefonüberwachung angesichts der Schwere des dem Verfolgten gemachten Tatvorwurfs auch verhältnismäßig.
3. Auch die Fertigung von Videoaufnahmen von Besuchern des I.F. gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 Satz 2 StPO war anzuordnen. Zur Begründung kann insoweit auf die entsprechend geltenden Ausführungen zu 2. verwiesen werden.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 100 b Abs. 2 Satz 3 StPO bzw. auf § 100 d Abs. 2 Satz 4 StPO in Verbindung mit § 100 b Abs. 2 Satz 3 StPO.
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