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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 BL 318/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zum wichtigen Grund im Sinn von § 121 Abs. 1 StPO

Senat: 2

Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: wichtiger Grund, umfangreiche Ermittlungen, Auswertung umfangreicher Unterlagen

Normen: StPO 121, GG Art. 2

Beschluss: Strafsache gegenH.S., wegen Betruges u.a. (hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht)

Auf die Vorlage der (Zweit-)Akten zur Haftprüfung gemäß den §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. Februar 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeschuldigten und seiner Verteidiger beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

G r ü n d e:

I. Der Angeschuldigte befindet sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 23. Juni 1998 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Witten vom 24. Juni 1998 (9 Gs 264/98) seit diesem Tag in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl vom 24. Juni 1998 ist inzwischen durch Beschluss des Amtsgerichts Witten vom 11. Dezember 1998, der dem Angeschuldigten am 17. Dezember 1998 verkündet worden ist, neu gefasst worden. In diesem Haftbefehl wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, in der Zeit von August 1994 bis Juni 1998 durch 17 selbständige Handlungen Betrugstaten begangen zu haben, wodurch beträchtlicher Schaden entstanden ist. In der inzwischen erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 1. Februar 1999 wird dem Angeschuldigten zusätzlich noch eine Steuerhinterziehung zur Last gelegt. Insoweit ist der Haftbefehl aber noch nicht angepasst worden, so dass der Senat nach seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. u.a. Senat in StV 1995, 200; 1998, 273 = wistra 1998, 158) für die Haftprüfung nach den §§ 120, 121 StPO vom Vorwurf des Beschlusses vom 11. Dezember 1998 auszugehen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des dem Angeschuldigten zur Last gelegten Tatgeschehens, wird auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Witten vom 11. Dezember 1998 sowie auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 1. Februar 1999 Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat im Beschluss vom 17. Dezember 1998 die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich angesehen und die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft Bochum und der Generalstaatsanwaltschaft dem Senat zur Entscheidung über die Haftfortdauer gemäß den §§ 121, 122 StPO vorgelegt.

II. Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeschuldigten über sechs Monate hinaus war, entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, anzuordnen.

1. Es besteht gegen den Angeschuldigten dringender Tatverdacht hinsichtlich der ihm im Haftbefehl vom 11. Dezember 1998 zur Last gelegten Taten, die auch Gegenstand der Anklage vom 1. Februar 1999 sind. Der Tatverdacht gegen den Angeschuldigten, der sich hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Taten teilweise geständig eingelassen hat, ergibt sich über diese Einlassung hinaus insbesondere aus den Angaben der im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen sowie den umfangreichen Unterlagen, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeschuldigten sichergestellt und beschlagnahmt worden sind. Die daraus zu ziehenden Schlüsse und die Erkenntnisse der übrigen Ermittlungen sind von der Staatsanwaltschaft im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage vom 1. Februar 1999 zutreffend gewürdigt worden. Dieser Würdigung tritt der Senat bei und nimmt auf sie, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, Bezug. Er weist allerdings darauf hin, dass es besonderer Prüfung der Strafkammer bedarf, inwieweit in den Fällen, in denen der Angeschuldigte durch notarielle Verträge Grundstücke erworben hat, ohne in der Lage zu sein, diese bezahlen zu können, tatsächlich ein Schaden i.S. des § 263 StGB entstanden ist. In Betracht kommt insoweit im Zweifel, da der Angeschuldigte die Grundstücke nicht in Besitz genommen hat, nur eine Vermögensgefährdung der Verkäufer. Diese Frage muß jedoch der endgültigen Klärung in der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

2. Als Haftgrund ist der des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gegeben. Der Angeschuldigte hat - auch unter Berücksichtigung seines pauschalen Geständnisses - wegen der ihm zur Last gelegten Taten mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil er in der Vergangenheit bereits schon wegen Betruges in Erscheinung getreten ist und auch schon Freiheitsstrafe verbüßt hat. Diese hohe Straferwartung stellt erfahrungsgemäß einen nicht unerheblichen Fluchtanreiz dar, der vorliegend durch andere Umstände nicht gemildert wird. Zwar ist der Angeschuldigte verheiratet. Der Senat ist aber, vor allem wegen des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft offenbar die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeschuldigten für erforderlich hält und demgemäss auch in der Hauptverhandlung beantragen wird, davon überzeugt, dass allein diese sozialen Bindungen den Angeschuldigten, der auch nicht über eine Arbeitsstelle verfügt, nicht davon abhalten würden, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen, wenn er auf freien Fuß käme.

3. Demgemäss war der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO, insbesondere nicht durch eine Kaution, zu erreichen.

Es steht die bisher gegen den Angeschuldigten vollzogene Untersuchungshaft im übrigen auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tatvorwürfe und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Freiheitsstrafe (vgl. zur Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes BVerfG StV 1998, 558).

4. Die besonderen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO, unter denen die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fortdauern darf, sind ebenfalls noch gegeben.

Nach § 121 Abs. 1 StPO kommt - solange kein auf Freiheitsentziehung lautendes Urteil vorliegt - die Fortdauer von Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur dann in Betracht, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang oder ein anderer wichtiger Grund ein Urteil noch nicht zugelassen haben. Bei der insoweit erforderlichen Prüfung des Verfahrens(fort)- gangs sind die Ausnahmetatbestände des § 121 Abs. 1 StPO grundsätzlich eng auszulegen (vgl. u.a. BVerfGE 36, 264, 271 mit weiteren Nachweisen; siehe auch BVerfG NJW 1980; 1448; 1992, 1749 f. = StV 1991, 565; vgl. die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 121 StPO Rn. 18 ff.), jedoch ist anerkannt, dass schwierige, umfangreiche Ermittlungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen können. Nach den dem Senat vorliegenden Akten ist zwar nicht erkennbar, wie und in welchem Umfang das Verfahren in der ersten Monaten nach der Festnahme des Angeschuldigten durch Fortführung der Ermittlungen gefördert worden ist. Insoweit ist aber einerseits zunächst zu berücksichtigen, dass Akteneinsichtsgesuche und Haftprüfungsanträge den Fortgang der Ermittlungen mitverzögert haben; immerhin haben zwei Haftprüfungstermine stattgefunden. Zum anderen kann nicht außer Betracht bleiben, dass - wie sich aus dem Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 26. Januar 1999 ergibt - (zunächst) Schwierigkeiten bestanden haben, die sichergestellten umfangreichen - 3 Umzugskartons ungeordnete - Unterlagen auszuwerten. Soweit dies ggf. auf Personalmangel bei der Staatsanwaltschaft und nicht auf den erheblichen Umfang der Unterlagen zurückzuführen ist, war ein etwaiger Personalmangel nach Überzeugung des Senats jedoch nur vorübergehend, und zwar durch die Sommer(ferien)zeit verursacht. Dies folgt schon daraus, dass ab September 1998 die Ermittlungen durch Vernehmung des Angeschuldigten und von Zeugen sowie durch bevorzugte Auswertung der Unterlagen weitgehend zügig geführt worden sind. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft unter dem 1. Februar 1999 Anklage bei der Strafkammer erhoben. Außerdem ist die Einholung eines Gutachten zu den Fragen des § 66 StGB in die Wege geleitet worden. Die Strafkammer hat Termin zur Hauptverhandlung für Ende März/Anfang April 1999 vorgesehen.

Nach allem ist damit das vorliegende Verfahren noch ausreichend gefördert worden. Selbst wenn ein Zeitverlust eingetreten sein sollte, ist dieser nicht so erheblich, dass er - auch unter Berücksichtigung des sich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergebenden Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Angeschuldigten - zur Aufhebung des Haftbefehls führen müsste. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass weitere Verzögerungen des Verfahrensabschlusses angesichts der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft und des bisherigen Verfahrensablaufs nicht mehr hinnehmbar erscheinen dürften und das staatliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung zugunsten des Freiheitsanspruchs des noch nicht verurteilten Angeschuldigten im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dann zurücktreten müsste.

III. Die Nebenentscheidung beruht auf § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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