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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1252/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zueignungsabsicht beim Diebstahl, wenn der Täter die entwendete Sache alsbald wieder weggibt.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Zueignungsabsicht beim Diebstahl oder Raub, Alkoholgenuss, Sachverständigengutachten, Bewährungsstrafe, Aussetzung zur Bewährung bei langer straffreier Führung, ausreichende Urteilsgründe, Feststellungen

Normen: StGB 248 a, StGB 249, StGB 56, StGB 21

Beschluss: Strafsache gegen P.S. wegen Raubes u.a.

Auf die Revision des Angeklagten vom 3. Februar 1998 gegen das Urteil der VIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 30. Januar 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht gem. § 349 Abs. 2, 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der Revision im übrigen - im Schuldspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen insoweit aufgehoben, als der Angeklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache verurteilt worden ist.

Außerdem wird der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

G r ü n d e:
I. Das Amtsgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 30. Juni 1997 wegen Raubes in einem minder schweren Fall sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hin hat das Landgerichts den Angeklagten im angefochtenen Urteil wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte nun noch mit der Revision, mit der er die materielle Rüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.

II. Die Revision hat mit der Sachrüge hinsichtlich der Verurteilung wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache - zumindest vorläufig - Erfolg, so dass das angefochtene Urteil hinsichtlich dieses Teils der Verurteilung (auch) im Schuldspruch aufzuheben war. Die Angriffe gegen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gehen indes fehl, so dass die Revision des Angeklagten insoweit zu verwerfen war. Wegen der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs konnte schließlich der Rechtsfolgenausspruch, mit dem eine Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten festgesetzt worden ist, mit den zugrundeliegenden Feststellungen keinen Bestand haben.

1. Die Strafkammer hat zum Schuldspruch folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte befand sich am Abend des 26. Oktober 1996 mit dem anderweitig verfolgten K. in Dortmund auf der Martener Straße. Beide wollten einen hier gelegenen Imbiss aufsuchen. Auf dem Gehweg der Martener Straße bemerkte der Angeklagte die vor ihm befindliche Zeugin A.O., die als Fan des Fußballvereins FC Bayern München einen Fanschal dieses Clubs trug. Der Angeklagte erfasste diesen Schal, den die Zeugin in der Weise umgelegt hatte, dass die beiden an der Brustseite herunterhängenden Enden nicht verknotet, sondern mit dem Einsatz einer Sicherheitsnadel zusammengehalten wurden, an beiden Enden und drehte sie so, dass der Hals der Zeugin kurzfristig zugedrückt wurde. Als die Mutter der Zeugin A.O., die Zeugin H.O., sich daraufhin sogleich schreiend auf den Angeklagten stürzte, riss dieser der Zeugin A.O. den Schal vom Hals und begab sich mit dem Schal in Begleitung des K. weiter in Richtung zu dem angestrebten Imbiss. Unterwegs überreichte der Angeklagte diesen Schal dem ihn begleitenden K.."

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen eines Diebstahls einer geringwertigen Sache nach §§ 242, 248a StGB nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte muß das tatrichterliche Urteil das Tatgeschehen durch eine geschlossene Sachverhaltsschilderung wiedergeben. Diese muß gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die durch das Gericht für erwiesen erachteten Tatsachen enthalten. Dazu gehört sowohl die Darstellung der äußeren Tatseite als auch die der Merkmale der inneren Tatseite. Beide müssen, sofern sie sich nicht von selbst aus der Sachverhaltsschilderung ergeben, durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. zu allem Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 267 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Erfordert der festgestellte Straftatbestand zusätzlich (auch noch) eine bestimmte Absicht, muß der Tatrichter auch darlegen, dass es dem Angeklagten darauf angekommen ist, den im Gesetz bezeichneten Erfolg herbeizuführen oder dass dieser Erfolg jedenfalls von seinem Bestreben mit umfasst war (Hürxthal in Karlsruher Kommentar, StPO, 3. Aufl., § 267 Rn. 10).

Diesen Anforderungen werden die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der Diebstahls eines geringwertigen Sache nicht gerecht. Ihnen lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der Angeklagte die für die Begehung des Diebstahls erforderliche Zueignungsabsicht hatte. Zueignen im Sinn der §§ 248 a, 242 StGB bedeutet, dass der Täter die Sache selbst oder wenigstens den in ihr verkörperten Sachwert unter dauerndem Ausschluss des Berechtigten seinem eigenen Vermögen einverleiben will. Erforderlich ist es danach, dass der Täter unter Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung den Berechtigten dauernd aus seiner Herrschaftsposition ausschließen und die Sache ihrer Substanz nach seiner Verfügungsgewalt unterwerfen oder ihren spezifischen Funktionswert seinem Vermögen zuführen will (Lackner, StGB, 11. Aufl., § 242 Rn. 21.). Dass der Angeklagte die Zeugin A.O. tatsächlich dauernd aus ihrer Eigentümerposition verdrängen und sich den Schal bzw. dessen Wert seinem eigenen Vermögen einverleiben wollte, diesen also ggf. behalten wollte, lässt sich indes den getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht entnehmen. Im angefochtenen Urteil sind dafür bislang keine Tatsachen festgestellt. Allein die getroffene Feststellung, dass der Angeklagte der Zeugin den Schal vom Hals riss und diesen dann dem K. übergab, lasst nicht zweifelsfrei die Annahme zu, dass sich der Angeklagte dadurch eine eigentümerähnliche Stellung anmaßen und den Schal dauerhaft behalten wollte. Es ist schon nicht erkennbar, warum der Angeklagte den Schal dem K. übergeben hat. Die notwendige Zueignungsabsicht wird durch diese, lediglich das äußere Tatgeschehen beschreibende Feststellung, jedenfalls nicht belegt, zumal sich das angefochtene Urteil weder mit der besonderen Situation - Aufeinandertreffen zweier "verfeindeter" Fußball-Fans - noch damit auseinandersetzt, dass der Angeklagte nach Eintreffen der Polizei den Schal sofort zurückgeben hat.

Nach allem konnte somit die Verurteilung wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache nach §§ 242, 248a StGB keinen Bestand haben.

3. Soweit der Angeklagte mit seiner Revision auch die Verurteilung wegen einer vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 StGB angegriffen hat, hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg und war - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwalt - gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die von der Strafkammer insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten. Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte den Schal der Zeugin A.O., der durch eine Sicherheitsnadel zusammengehalten wurde, an den beiden herunterhängenden Enden erfasste und diese so drehte, dass der Hals der Zeugin kurzfristig zugedrückt wurde. Dadurch erlitt die Zeugin Schmerzen und auch - vorübergehend - Atemnot. Damit sind ausreichende tatsächliche Feststellungen für eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung getroffen. Insbesondere sind auch die Merkmale der inneren Tatseite durch die Strafkammer ausreichend festgestellt. Bei der vom Tatrichter festgestellten Vorgehensweise des Angeklagten ist der Tatrichter zu Recht von zumindest bedingtem Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten ausgegangen.

II. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

1. Das Landgericht hat zwar wegen des vom Angeklagten genossenen Alkohols das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht, von der nach § 49 StGB grundsätzlich möglichen Strafmilderung jedoch abgesehen. Dies hat die Strafkammer damit begründet, dass der Angeklagte alkoholgewöhnt sei und wisse, dass er nach Alkoholgenuss zur Begehung von Straftaten neige. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass bei Ablehnung einer Strafmilderung wegen verminderter Schuldfähigkeit infolge Alkoholkonsums im tatrichterlichen Urteil im einzelnen dargelegt werden muß, dass der Täter die für ihn ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte. Dazu gehört, dass er wusste, dass er unter Alkoholgenuss zu Straftaten neigt. Insbesondere muß sich den tatrichterlichen Feststellungen aber auch entnehmen lassen, dass die früher unter Alkoholgenuss begangenen Taten mit den nun abgeurteilten vergleichbar sind (vgl. Tröndle, (vgl. dazu Tröndle, StGB, 48 Aufl., § 21 Rn. 6). Vorliegend hat die Strafkammer lediglich aufgeführt, dass der Angeklagte die Auswirkungen von Alkoholgenuss auf sein strafrechtliches Verhalten kenne. Eine konkrete Darlegung der Straftaten, die der Angeklagte in der Vergangenheit unter dem Einfluss von Alkohol begangen hat, ist indes nicht erfolgt, so dass das Revisionsgericht derzeit nicht überprüfen kann, ob der Tatrichter das ihm eingeräumte Ermessen, von der Strafmilderung ggf. keinen Gebrauch zu machen zutreffend ausgeübt hat oder ob das ggf. aus Rechtsgründen zu beanstanden ist.

2. Der Senat weist außerdem darauf hin, dass die Strafkammer bei ihrer Entscheidung über die Versagung der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 56 StGB) einen wesentlichen Umstand bislang - jedenfalls für das Revisionsgericht nicht erkennbar - nicht berücksichtigt hat. Maßgeblich für die negative Entscheidung der Strafkammer hinsichtlich der Versagung der Bewährung war, dass der Angeklagte mehrfach einschlägig vorbestraft und weniger als zehn Monate vor der diesem Verfahren zugrundeliegenden Tat wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Bei dieser Entscheidung hat die Strafkammer bislang offenbar jedoch nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte vorher wegen Körperverletzung zuletzt 1987 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt wurde. Nach Teilverbüßung wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und dann mit Wirkung vom 11. Januar 1993 erlassen. In der Zeit zwischen 1987 bis 1995 hat der Angeklagte sich straffrei geführt, bevor er im Januar 1996 dann wegen Körperverletzung erneut zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, wobei die besondere Tatsituation berücksichtigt worden ist. Damit hat der Angeklagte in der Vergangenheit gezeigt, dass er sich auch über einen längeren Zeitraum straffrei verhalten kann. Es bedarf daher näherer Darlegung, warum im vorliegenden Verfahren nun nach der Verurteilung zu der Geldstrafe sofort eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung erforderlich erscheint. Dabei sind nicht nur die sich offenbar konsolidierenden persönlichen Verhältnisse des Angeklagten von Belang, sondern auch noch die besonderen Umstände der vorliegend festgestellten Tat.


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