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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 972/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Annahme von § 21 StGB.
2. Die Urteilsfeststellungen sind lückenhaft, wenn der Tatrichter zwar persönliche Leistungen des Angeklagten zur Schadenswiedergutmachung feststellt, dann aber nicht näher aufklärt, ob die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 oder 2 StGB erfüllt sein können.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Lückenhafte Urteilsfeststellungen, Alkoholisierung, Verminderte Schuldfähigkeit, persönliche Leistungen des Angeklagten zur Schadenswiedergutmachung, Täter-Opfer-Ausgleich, Berücksichtigung der Folgen der Verurteilung, drohender Bewährungswiderruf

Normen: StGB 46 a, StGB 21, StGB 49, StPO 267

Fundstelle: StV 1999, 89

Beschluss: Strafsache gegenT.P., wegen Körperverletzung u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10. März 1998 und auf die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin K. gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 10. März 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.08.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin K. gegen die Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils ist gegenstandslos.

G r ü n d e:
I. Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom 14. August 1997 wegen Körperverletzung in drei Fällen sowie wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Hiergegen hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Diese hat er in der Berufungshauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkt. Sein Rechtsmittel ist vom Landgericht im angefochtenen Urteil als unbegründet verworfen worden.

Das Landgericht hat u.a. festgestellt, dass der Angeklagte am 18. Mai 1996 in der von ihm betriebenen Gaststätte "Sonneneck" in Dortmund die Gäste W., V. und K. ohne Grund zum Teil erheblich körperlich verletzt und außerdem die Zeugin K. beleidigt hat.

Zur alkoholischen Beeinflussung des Angeklagte hat das Landgericht festgestellt, dass in der Gaststätte des Angeklagten am Tattag seit morgens Hochbetrieb geherrscht habe, der Angeklagte habe selbst hinter dem Tresen der Gaststätte gestanden und die zahlreich vorhandenen Gäste bewirtet. Dabei habe er auch selber nicht unerhebliche Menge Alkohol getrunken. Am Abend des Tages sei der Angeklagte "gegen 23.50 Uhr so mit den Nerven fertig und alkoholisiert" gewesen, dass er zunächst dem Zeugen Weißenberger ohne Grund körperlich verletzt habe und dann die Zeugen K. und V.

Das Landgericht hat außerdem festgestellt, dass der Angeklagte seit der Verurteilung in erster Instanz an die Geschädigten W. und K. Zahlungen geleistet hat, und zwar an den Zeugen W. 550,-- DM und an die Zeugin K. 900,-- DM. Außerdem hat er mit dieser einen Vergleich geschlossen, worin er sich verpflichtet hat, an diese Zeugin ein Schmerzensgeld von 6.000 DM zu zahlen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II. Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund.

1. Die auf die erhobene Sachrüge hin von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung, ob die Strafkammer mit Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist, ergibt, dass die vom Landgericht in Bezug genommenen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils so vollständig, klar und widerspruchsfrei sind, dass sie eine ausreichende Grundlage für die vom Senat nun noch vorzunehmende Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. BGHSt 27, 70, 72).

2. Die damit - wirksam - auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt jedoch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch führen. Die Ausführungen des Landgerichts zum Rechtsfolgenausspruch sind nämlich lückenhaft.

a) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt:

"Hinsichtlich des Angeklagten war dagegen strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte in erheblichem Umfang Alkohol zu sich genommen hatte und aufgrund dessen in seiner Einsichtsfähigkeit und Kritikfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist."

Es ist aus Rechtsgründen zunächst zu beanstanden, dass sich dem angefochtenen Urteil schon nicht eindeutig entnehmen lässt, in welchem Umfang der Angeklagte zur Tatzeit alkoholisiert war. Dazu heißt es nur, dass der Angeklagte alkoholisiert war. Zu beanstanden ist weiter, dass sich aus den o.a. Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht eindeutig ersehen lässt, in welchem Umfang die vom Landgericht angenommene Alkoholisierung des Angeklagten dann auf die Strafzumessung Einfluss gehabt hat. Die vom Landgericht gemachten Ausführungen lassen nämlich sowohl die Möglichkeit zu, dass der Tatrichter aufgrund des (offenbar erheblichen) Alkoholkonsums des Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht und aufgrund dessen von der Milderungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hat, als auch, dass die (erhebliche) Alkoholisierung des Angeklagten nicht zu einer Strafrahmenverschiebung geführt, sondern nur als allgemeiner Strafmilderungsgrund Berücksichtigung gefunden hat. Dies ist jedoch zu beanstanden, da das Revisionsgericht so (bislang) nicht überprüfen kann, ob die vom Landgericht für die Einzeltaten dann jeweils festgesetzten Strafen zutreffend gewählt worden sind.

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass vorliegende schon die vom Landgericht bisher getroffenen Feststellungen zumindest die Annahme des § 21 StGB mit der Möglichkeit der Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB nahe legen dürften. Denn nach den getroffenen - derzeit jedoch nur verhältnismäßig allgemeinen - Feststellungen hat der Angeklagte den ganzen Tag über "nicht unerhebliche Mengen Alkohol" getrunken und war deshalb abends gegen 23.50 Uhr (offenbar erheblich) "alkoholisiert". Das dürfte zur Anwendung von § 21 StGB bzw. jedenfalls dazu führen, dass das Vorliegen seiner Voraussetzungen nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Das Landgericht wird jedoch insoweit noch weitere Feststellungen treffen müssen und durch Befragung des Angeklagten und der Vernehmung von Zeugen auch treffen können. Denn geht man nur davon aus, dass der Angeklagte in der Zeit von 10.00 morgens bis zur Tatzeit um 23.50 Uhr stündlich zwei 0,2 Glas Bier getrunken hat, ergibt sich bei einem unterstellten Körpergewicht von 70 kg eine Blutalkoholkonzentration des Angeklagte von rund 2,7 o/oo. Damit liegt ggf. also sogar eine Blutalkoholkonzentration in solcher Höhe vor, dass die Anwendung der §§ 20, 323 a StGB in Betracht kommen kann, was das Landgericht zu weiterer Aufklärung zwingt.

b) Lückenhaft sind die Feststellungen und Ausführungen des Landgerichts zur Strafzumessung zudem aus folgendem weiteren Grund:

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte an die Zeugen W. und K. Zahlungen geleistet und außerdem mit der Zeugin K. einen Vergleich über ein zu zahlendes Schmerzensgeld geleistet hat. Damit hat er persönliche Leistungen zur Schadenswiedergutmachung erbracht, so dass die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 oder 2 StGB erfüllt sein können. Die Revision beanstandet zu Recht, dass sich das aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen lässt.

Hat der Angeklagte ggf. Leistungen im Sinn des § 46 a StGB erbracht, was das Landgericht weiter aufklären muß, muß es sich dann mit der Frage auseinandersetzen, ob möglicherweise auch deshalb eine Milderung der Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. dazu Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 46 a StGB, Rn. 3 ff. mit weiteren Nachweisen) oder ob die Wiedergutmachungsleistungen nur gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB als sog. allgemeiner Strafzumessungsgesichtspunkt Berücksichtigung finden. Das letztere wird auf jeden Fall erforderlich sein (vgl. insoweit Tröndle, a.a.O., § 46 StGB, Rn. 27, 29 a).

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich der angefochtenen Entscheidung bislang auch nicht entnehmen lässt, dass das Landgericht die von der festgesetzten Strafe ausgehenden Folgen für den Angeklagten ausreichend bedacht hat (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB). Denn immerhin sind in der Vergangenheit gegen den Angeklagte insgesamt 11 Monate Freiheitsstrafe verhängt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Deren Widerruf droht also, so dass das Landgericht sich des Umstands bewusst sein und dies auch zum Ausdruck bringen muß, dass damit ggf. insgesamt 25 Monate Strafvollstreckung auf den Angeklagten zukommen. Dabei wird auch von Belang sein, dass der Angeklagte in der Vergangenheit erst einmal, und zwar 1990, wegen Körperverletzung in Erscheinung getreten ist und die übrigen verhältnismäßig zahlreichen - was der Senat nicht verkennt - Vorstrafen weitgehend auf verkehrsrechtlichem Gebiet liegen.

III. Nach allem war somit wegen der dargelegten Rechtsfehler das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverweisen.

Einer Entscheidung über die von der Nebenklägerin K. gegen die Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils eingelegte sofortige Beschwerde, mit der zu Recht beanstandet worden ist, dass das Landgericht dem Angeklagten nicht auch gem. § 472 StPO die Kosten der Nebenklage auferlegt hat, bedurfte es nicht mehr. Die sofortige Beschwerde ist, nachdem der Senat die angefochtene Entscheidung und damit auch deren Kostenentscheidung aufgehoben hat, gegenstandslos geworden. Das Landgericht wird auch über die Kosten der Nebenklage neu zu befinden haben.


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