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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1018/95 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen Schwere der Tat

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Pflichtverteidigerbeiordnung wegen Schwere der Tat, Höhe der Strafe, Bewährungswiderruf, Anwesenheit des Verteidigers in der Hauptverhandlung

Normen: StPO 338 Nr. 5, StPO 140

Beschluss: Strafsache gegenR.T. wegen Diebstahls u.a.

Auf die Revision des Angeklagten vom 16. Januar 1995 gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 10. Januar 1995 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.09.1995 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückverwiesen.

G r ü n d e:

I. Das Amtsgericht hat den Angeklagten im angefochtenen Urteil "wegen besonders schweren Diebstahls in 2 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis..." zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ebenfalls beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

II. Die formelle Rüge des Angeklagten hat - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Der Angeklagte macht mit seiner in zulässiger Form erhobenen Verfahrensrüge zu Recht den absoluten Revisionsgrund nach den §§ 140 Abs. 2, 338 Nr. 5 StPO geltend, weil die Hauptverhandlung gegen ihn ohne den Beistand eines Verteidigers und somit in Abwesenheit einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat. Insoweit ist es unerheblich, daß das Amtsgericht in der Hauptverhandlung am 10. Januar 1995 die Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt und somit die Notwendigkeit der Verteidigung nicht festgestellt hat. Denn der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen der Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO vorliegen, ein Verteidiger aber nicht bestellt worden ist (vgl. KK-Laufhütte, StPO, 3. Aufl., § 140 Rn. 27 m.w.N.).

Die Mitwirkung eines Verteidigers war in der Hauptverhandlung am 10. Januar 1995 - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts - gem. § 140 Abs. 2 StPO notwendig. Nach dieser Vorschrift ist einem Angeklagten u.a. dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn dies wegen der "Schwere der Tat" geboten erscheint. Die "Schwere der Tat" beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, nämlich ob die zu erwartende Rechtsfolge einschneidend für den Angeklagten ist (vgl. u.a. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., 1995, § 140 Rn. 23 m.w.N. aus der Rspr.; siehe auch OLG Hamm StV 1993, 180; siehe auch zuletzt Beschluß des Senats vom 21. Februar 1995 in 2 Ss 136/95), von Bedeutung sind aber auch die Verteidigungsfähigkeit und sonstige schwerwiegende Nachteile, die der Angeklagte infolge der Verurteilung zu erwarten hat (vgl. Kleinknecht, a.a.O., § 140 Rn. 24 f. m.w.N.).

Nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der auch die ständige Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. den bereits erwähnten Beschluß des Senats vom 21. Februar 1995), ist eine Tat in der Regel dann als "schwer" i.S. des § 140 Abs. 2 StPO anzusehen, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr zu erwarten ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 140 Rn. 23 m.w.N.). Dabei kommt es bei mehreren Taten auf den Umfang der Rechtsfolgen insgesamt und nicht auf die Höhe der Einzelstrafen an (OLG Hamm NStZ 1982, 298). Hier ist der Angeklagte wegen der beiden ihm zur Last gelegten Vergehen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Hinzu kommt, daß gegen den Angeklagten noch das Verfahren 75 Ls 52 Js 1013/94 (AK 204/94) AG Dortmund anhängig ist, in dem er am 16. Februar 1995 - noch nicht rechtskräftig - wegen Hehlerei und Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden ist. Auch muß der Angeklagte wegen der Verurteilung(en) mit dem Bewährungswiderruf der am 11. August 1994 gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und 8 Monaten, der Vollstreckung zunächst zu Bewährung ausgesetzt worden ist, rechnen. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß der Angeklagte seit 10 Jahren heroinabhängig ist, so daß sich dem Amtsgericht an sich die Frage hätte aufdrängen müssen, ob der Angeklagte überhaupt in der Lage war, sich selbst zu verteidigen, und/oder ob nicht wegen der Drogenabhängigkeit ggf. ein Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen. Damit war nach allem die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung erforderlich. Mithin ist, da ein Verteidiger in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben.

III.

Da somit das angefochtene Urteil schon wegen des Verstoßes gegen § 140 Abs. 2 StPO aufzuheben war, kam es auf die im übrigen vom Angeklagten erhobene allgemeine Sachrüge nicht mehr an. Vielmehr war auf die formelle Rüge hin das Urteil mit den der Verurteilung zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache gem. §§ 349 Abs. 4, 353, 354 Abs. 2 StPO zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat, zurückzuverweisen.


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