Aktenzeichen: 2 Ss 574/99 OLG Hamm
Leitsatz: Es ist erforderlich, dass das tatrichterliche Urteil die tatsächliche Grundlage, auf der z.B. die Entscheidung von der Anwendung bzw. Nichtanwendung des § 21 StGB beruht, enthält. Nicht ausreichend ist es insoweit, wenn dazu auf das Protokoll der Hauptverhandlung und/oder eine Anlage Bezug genommen wird.
Senat: 2
Gegenstand: Revision
Stichworte: Sachverständigengutachten, Bezugnahme auf Protokoll der Hauptverhandlung, Bezugnahme auf Anlagen zum Protokoll, ausreichende Feststellungen zur Schuldfähigkeit
Normen: StPO 267, StGB 20, StGB 21
Beschluss: Strafsache gegenC.P. wegen Diebstahls.
Auf die Revision der Angeklagten vom 16. März 1999 gegen das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 15. März 1999 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.06.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht Burhoff und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
G r ü n d e:
I. Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Strafmaßberufung der Angeklagten hat das Landgericht im angefochtenen Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich nun die Revision der Angeklagten, mit der sie die Sachrüge erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.
II. Die Revision ist zulässig und hat auch hinsichtlich des Strafausspruchs zumindest vorläufig Erfolg.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Landgericht die von der Angeklagten vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels auf die Überprüfung des Strafausspruchs als wirksam angesehen hat. Die von der Strafkammer in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen nämlich die Verurteilung der Angeklagten wegen eines vollendeten Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Amtsgericht in seinen vom Landgericht in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen auch ausgeführt hat: "Es handelte sich insoweit um einen Rock und ein Oberteil im Gesamtwert von 64,00 DM, die die Angeklagte versucht hatte mitzunehmen." Mit dieser Formulierung wollte das Amtsgericht nämlich erkennbar nicht zum Ausdruck bringen, dass die Tat der Angeklagten noch nicht im Sinn der §§ 22, 23 StGB vollendet war. Vielmehr bezieht sich die Feststellung "versucht hatte mitzunehmen" auf den tatsächlichen, zuvor festgestellten Geschehensablauf, der damit geendet hatte, dass die Angeklagte die zuvor bereits endgültig in ihrem Gewahrsam überführten Bekleidungsstücke "zurückgegeben" hat. Da somit der Schuldspruch des angefochtenen Urteils zutreffend ist, kann die Frage, ob eine Strafmaßberufung ggf. dann unwirksam ist, wenn sich herausstellt, dass der nicht angefochtene Schuldspruch fehlerhaft ist, dahinstehen (vgl. dazu OLG Saarbrücken NStZ 1997, 149).
II. Die Revision hat jedoch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg. Insoweit liegen nämlich Rechtsfehler vor.
Die Urteilsgründe des angefochtenen Urteils sind lückenhaft. Nach § 267 Abs. 2 StPO müssen die Urteilsgründe, wenn besondere strafmildernde Umstände geltend gemacht werden, sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden. Dazu reicht es aber nicht aus, wenn der Tatrichter dem Revisionsgericht lediglich das Ergebnis seiner Prüfung mitteilt, vielmehr müssen in den Urteilsgründen auch die dieser Prüfung zugrunde liegenden Tatsachen festgestellt werden und enthalten sein. Anderenfalls kann das Revisionsgericht nämlich die richtige Rechtsanwendung durch das Tatgericht nicht (über)prüfen.
Diesen Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht. Die Angeklagte hat sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB berufen. Dazu hat das Landgericht (nur) ausgeführt:
"Eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht gegeben. Die in der ärztlichen Bescheinigung vom 11.03.199 (Anlage I zum Protokoll vom 15.03.1999) dokumentierten Beschwerden sind nicht so gravierend, als dass sie der Kammer Zweifel an der vollen Schuldfähigkeit der Angeklagten geben. Vielmehr handelt es sich um Begleiterscheinungen, die oftmals mit den Wechseljahren einhergehen."
Diese knappen Ausführungen ermöglichen dem Senat nicht die Überprüfung des angefochtenen Urteils dahin, ob zu recht die Voraussetzungen des § 21 StGB verneint worden sind. Die von der Angeklagten behaupteten "Beschwerden", die nach ihrer Ansicht zur Anwendung des § 21 StGB führen sollen, werden mit keinem Wort erläutert. Damit ist die tatsächliche Grundlage, auf der das Landgericht seine Entscheidung von der Nichtanwendung des § 21 StGB getroffen hat, unbekannt.
Etwas anderes folgt nicht aus der Passage. "Die in der ärztlichen Bescheinigung vom 11.03.199 (Anlage I zum Protokoll vom 15.03.1999) dokumentierten Beschwerden.....". Soweit das Landgericht damit auf den Inhalt der erwähnten ärztlichen Bescheinigung vom 15. März 1999 hat Bezug nehmen und diesen hat zum Urteilsinhalt machen wollen, ist das unzulässig. Nach § 267 StPO muß jedes Strafurteil aus sich selbst heraus verständlich sein (vgl. dazu zuletzt u.a. BGH NStZ-RR 1996, 109; siehe auch die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung des BGH bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 267 StPO Rn. 2). Deshalb sind Bezugnahmen auf Aktenteile im allgemeinen nur unter den engen Voraussetzungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässig, die hier ersichtlich nicht vorliegen. Darüber hinausgehende Bezugnahmen auf Aktenteile, wie z.B. das Sitzungsprotokoll und dazu gehörende Anlagen, sind unzulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., m.w.N.).
Der vorstehend dargelegte Begründungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum.
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es sich empfehlen dürfte, bei den Vorbelastungen der Angeklagten nicht nur den Tag des Erkenntnisses aufzuführen, sondern auch den des Eintritts der Rechtskraft. Das dürfte zumindest für die Entscheidungen gelten, die in Zusammenhang mit der Bewährungsentscheidung von Bedeutung sind. Es dürfte sich zudem empfehlen, auch für Bewährungszeitverlängerungsbeschlüsse den Tag des Erlasses und den des Eintritts der Rechtskraft festzustellen.
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