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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 246/99 OLG Hamm

Leitsatz: Einem Betroffenen, der geltend macht, aus gesundheitlichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, kann zugemutet werden, für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einem Monat, in dem er wegen des angeordneten Fahrverbots sein Kfz entbehren muß, für seine Arztbesuche auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. Dies kann ihm ebenso zugemutet werden wie dies von der Rechtsprechung von Arbeitnehmern für Fahrten zur Arbeitsstätte verlangt wird.

Gericht: OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Absehen vom Regelfahrverbot, gesundheitliche Beeinträchtigungen, Arztbesuche, Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel

Normen: StVG 25, StVO 3

Fundstelle: ZAP EN-Nr. 514/99; DAR 1999, 325; MDR 1999, 803; VRS 97, 69; NStZ-RR 1999, 282; NZV 1999, 522 (Ls.)

Beschluss: Bußgeldsache gegen S.R. wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 4. Dezember 1998 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12.04.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen verworfen.

G r ü n d e:
I. Das Amtsgericht hat die Betroffene "wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 II, 49 StVO wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften" zu einem Bußgeld in Höhe von 300,-- DM verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr die Betroffene am 1. April 1998 mit einem PKW Mercedes gegen 9.20 Uhr in Bochum außerhalb geschlossener Ortschaft den Donezk-Ring, wobei sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 51 km/h überschritt. Der Messstelle ging ein sog. Geschwindigkeitstrichter voraus, durch den die zulässige Höchstgeschwindigkeit zunächst auf 90 km/h, dann auf 70 km/h und schließlich auf 50 km/h reduziert wurde. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit einem Lasermessgerät LR 90-235/P. Das Amtsgericht ist unter Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 4 km/h von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 51 km/h ausgegangen.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde macht die Betroffene u.a. geltend, dass sie wegen der bei einem Verkehrsunfall 1995 erlittenen gesundheitlichen Schäden dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei, da sie regelmäßig verschiedene Ärzte aufsuchen müsse. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - keinen Erfolg.

1. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das angefochtene Urteil sich hinsichtlich der Feststellungen zur Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung darauf beschränkt, dass die Messung mit dem Lasermessgerät LR 90-235/P vorgenommen worden sei, und der Tatrichter - ersichtlich zum Ausgleich von Messungenauigkeiten - ein Toleranzwert von 4 km/h von der gemessenen Geschwindigkeit abgezogen hat. Dies ist, wenn - wie hier - keine Besonderheiten vorliegen, ausreichend (vgl. OLG Hamm NStZ 1990, 546; Beschluss des Senats vom 20. Januar 1999 in 2 Ss OWi 1/99; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 3 StVO Rn. 59 m.w.N.), zumal die Betroffene weder die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich noch deren Höhe bestritten hat. Damit ist die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs wirksam.

2. Auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - Rechtsfehler, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit führen könnten, nicht erkennen.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Verhängung des nach der lfd. Nr. 5.3.5. der Tabelle 1 a "Geschwindigkeitsüberschreitun-gen" der BußgeldkatalogVO vorgesehenen Regelfahrverbots rechtfertigen würde (vgl. dazu Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 25 StVG Rn. 15 ff. m.w.N.; sowie insbesondere BGHSt 38, 231 = NZV 1992, 286), nicht vorliegt. Dazu reichen die Tatumstände und die sich aus der Person des Betroffenen ergebenden Umstände weder allein noch gemeinsam aus.

Umstände, die die Tat der Betroffenen aus der Mehrzahl der sonstigen Fälle, die dem Regelfall unterliegen, herausheben könnten, sind nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat insbesondere nicht die neuere Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. BGHSt 43, 214) übersehen, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. den o.a., zur Veröffentlichung bestimmten, Beschluss des Senats mit weiteren Nachweisen). Danach kommt bei einer im Sinn der Regeltatbestände der BußgeldkatalogVO "qualifizierten" Überschreitung der durch Zeichen 274 der StVO (beschränkten) Geschwindigkeit die indizielle Wirkung der Verwirklichung des Regelbeispiels für die Verhängung eines Fahrverbots nur mit Einschränkung zum Tragen. Die nach dieser Rechtsprechung erforderlichen näheren tat-richterlichen Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung hat das Amtsgericht vorliegend getroffen, da es festgestellt hat, dass vor der Messstelle ein sog. Geschwindigkeitstrichter eingerichtet war. In diesem Fall ist aber nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt, a.a.O.) in der Regel von einer auch subjektiv grob pflichtwidrigen Geschwindigkeitsüberschreitung auszugehen (so auch der o.a. Senatsbeschluss mit weiteren Nachweisen). Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung sind vorliegend nicht ersichtlich.

Auch die Ausführungen und die Feststellungen des Amtsgerichts zu der Frage, ob nicht in der Persönlichkeit der Betroffenen Umstände gegeben sind, die ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen würden, halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen verneint, dass für die Betroffene durch die Verhängung des Fahrverbots eine besondere Härte eintritt. Der nochmalige Hinweis der Rechtsbeschwerde auf die - nicht näher beschriebenen - gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Betroffenen führt - auch unter Beachtung des nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (s. NZV 1994, 157, NJW 1995, 1541) - zu keiner anderen Beurteilung. Zwar kann eine unzumutbare Härte vorliegen, wenn ein Betroffener wegen körperlicher Behinderungen in stärkerer Weise auf die Nutzung eines Fahrzeuges angewiesen ist als andere durchschnittliche Autofahrer (vgl. dazu den o.a. Beschluss des Senats mit weiteren Nachweisen zur obergerichtlichen Rechtsprechung). Der Senat hat aber bereits darauf hingewiesen, dass allein gesundheitliche Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, für ein Absehen vom Fahrverbot nicht genügen. Entscheidend ist vielmehr die Schwere der Behinderung und deren Auswirkung beim Betroffenen sowie der Grad der Abhängigkeit vom Fahrzeug und die Zumutbarkeit der anderweitigen Abwendbarkeit der Folgen des Fahrverbot. Dazu hat das Amtsgericht zwar keine näheren Feststellungen getroffen. Dies ist vorliegend jedoch nicht zu beanstanden. Nach Auffassung des Senats ist es der Betroffenen nämlich zumutbar, für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einem Monat, in dem sie wegen des angeordneten Fahrverbots ihr Kraftfahrzeug entbehren muß, für ihre Arztbesuche auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. Dies kann ihr ebenso zugemutet werden, wie dies von der Rechtsprechung von Arbeitsnehmern für Fahrten zur Arbeitsstätte verlangt wird. Hinzu kommt, dass anderenfalls ein Fahrverbot gegen die Betroffene nie festgesetzt werden könnte.

Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht sich bei der Begründung der Verhängung des Fahrverbots auch mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob nicht allein deshalb von der Verhängung des Fahrverbots - bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße - abgesehen werden konnte, weil bei dieser Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht werden kann. Fehl geht in diesem Zusammenhang die Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Begründung des Amtsgerichts, dass "andererseits zu berücksichtigen sei, dass die Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit sehr deutlich -und zwar um mehr als das Doppelte - überschritten hat, und sich mit 51 km/h Überschreitung bereits in der zweiten Stufe der Geschwindigkeitsüberschreitung befand" stelle eine unzulässige Doppelverwertung der vom Amtsgericht festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung dar. Denn erkennbar hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung nicht den Umstand, dass die Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, noch einmal zu Lasten der Betroffenen verwertet, sondern im Rahmen der an dieser Stelle vorzunehmenden Abwägung nur den Umfang und das Maß der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung berücksichtigt. Das ist jedoch nicht zu beanstanden. Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang weiter rügt, dass das Amtsgericht von einem Wegfall des Fahrverbots u.a. auch deshalb nicht abgesehen habe, weil "sich die Erkrankung der Betroffenen durchaus so verkehrsbeeinträchtigend auswirken kann, dass sie krankheitsbedingt gar nicht in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug zu führen", weist der Senat darauf hin, dass dieses Argument des Amtsgerichts nicht nachvollziehbar und unverständlich ist. Dies führt indes - noch - nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Senat hat nämlich bereits wiederholt entschieden, dass das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots der tatrichterlichen Würdigung unterliegt und vom Rechtsbeschwerdegericht "bis zur Grenze des Vertretbaren" hinzunehmen ist, wobei ohne Bedeutung ist, ob nicht auch eine andere Entscheidung vertretbar gewesen wäre (vgl. Beschlüsse des Senats vom 26. Oktober 1995 in 2 Ss OWi 1222/95, ZAP EN-Nr. 1013/95 = zfs 1996, 35 = DAR 1996, 68 = VRS 91, 138; vom 24. Mai 1996 in 2 Ss OWi 509/96, VRS 92, 40). Unvertretbar ist aber die Entscheidung des Amtsgerichts - auch unter Wegfall des o.a. nicht nachvollziehbaren Arguments - angesichts des Maßes der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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