Aktenzeichen: 2 Ws 519/98 OLG Hamm
Leitsatz: Durch die Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft ist das durch den gem. § 172 StPO gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingeleitete sog. Klageerzwingungsverfahren i.d.R. nicht erledigt. Dieses richtet sich nämlich gem. § 175 StPO nicht auf die bloße Wiederaufnahme der Ermittlungen sondern auf die Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft.
Gericht: OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: Klageerzwingungsverfahren
Stichworte: Beendigung des Klageerzwingungsverfahrens, Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft
Normen: StPO 172, StPO 173, StPO 175
Fundstelle: NStZ-RR 1999, 148
Beschluss: In dem Ermittlungsverfahren gegen Dr.G.B. Verteidiger: Rechtsanwälte Dr. A. u.a., wegen falscher Versicherung an Eides Statt u.a. (hier: Antrag der T.R., auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO; Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. und Partner).
Auf den Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO vom 6. Februar 1997 gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 10. Januar 1997 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.11.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts und der Antragstellerin bzw. ihrer Bevollmächtigten beschlossen:
Die Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 6. Februar 1997 wird bis zur Klärung der Frage, ob die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage erhebt oder sie endgültig ablehnt, ausgesetzt.
G r ü n d e:
I. Die Antragstellerin hat gegen den Beschuldigten u.a. Strafanzeige wegen falscher Versicherung an Eides Statt erstattet. Sie wirft dem Beschuldigten, der sie 1991 nach einem Verkehrsunfall ärztlich behandelt hat, vor, in dem Zivilverfahren 17 S 196/95 LG Dortmund am 9. November 1995 eine falsche Versicherung an Eides statt abgegeben zu haben. In diesem Verfahren hat der Beschuldigte versichert, dass bei einer von ihm am 18. September 1991 durchgeführten Operation des Knies der Antragstellerin der Meniskus nicht entfernt worden sei. Die Antragstellerin ist der Auffassung, diese Erklärung sei falsch gewesen, da der Beschuldigte tatsächlich den Meniskus doch entfernt habe.
Das Ermittlungsverfahren ist von der Staatsanwaltschaft Dortmund mit Bescheid vom 20. Mai 1996 eingestellt worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat der Generalstaatsanwalt mit Bescheid vom 10. Januar 1997 zurückgewiesen. Die Antragstellerin betreibt nunmehr das sog. Klageerzwingungsverfahren.
In diesem hat der Senat mit Verfügung vom 3. Juni 1997 die ergänzenden Stellungnahme des Arztes eingeholt, der die Antragstellerin nach dem Beschuldigten behandelt hat. Nach Übersendung der auf die Anfrage des Senats eingegangenen Antwort an den Generalstaatsanwalt hat dieser unter dem 8. August 1997 mitgeteilt, dass erwogen werde, die Wiederaufnahme der Ermittlungen anzuordnen. Unter dem 17. Oktober 1997 wird sodann noch mitgeteilt, dass zur Vorbereitung einer Entscheidung die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage, ob eine operative Meniskusentfernung tatsächlich erfolgt sei oder nicht, für angezeigt gehalten werde. Der Senat werde, falls er diese Auffassung teile, um "Rückleitung der Ermittlungsakten zur Durchführung des entsprechenden Zwischenermittlung" gebeten. Der Senat hat die Akten zustimmend zurückgesandt. Die örtliche Staatsanwaltschaft hat dann - zur Vermeidung einer erneuten arthroskopischen Untersuchung des Knies der Beschuldigten - schriftlich eine Ärztin befragt, die die Antragstellerin ebenfalls (zwischen-)behandelt hat. Nach Eingang der Antwort hat die örtliche Staatsanwaltschaft von der Einholung eines Sachverständigengutachtens u.a. deshalb abgesehen, da sich inzwischen herausgestellt habe, dass eine vergleichbare Begutachtung der Antragstellerin durch einen medizinischen Sachverständigen in einem beim Landgericht Münster anhängigen Zivilstreit angeordnet worden sei. Die örtliche Staatsanwaltschaft hat über den Generalstaatsanwalt mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Ergebnis dieses Gutachtens abzuwarten.
Diese Mitteilung hatte den Senat veranlasst, die Akten dem Generalstaatsanwalt mit Verfügung vom 20. August 1998 zurücksenden, da darin "eine - zumindest konkludente - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu sehen" und damit das Klageerzwingungsverfahren erledigt sei. Die Akten sind ihm nunmehr vom Generalstaatsanwalt erneut vorgelegt worden. Er vertritt in Übereinstimmung mit der örtlichen Staatsanwaltschaft die Auffassung, das Verfahren sei nicht erledigt. Im übrigen halte er die Anregung der örtlichen Staatsanwaltschaft, zunächst das im Zivilverfahren eingeholte Sachverständigengutachten beizuziehen, für sachgemäß.
II. Bei dieser Sachlage war die Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 6. Februar 1997 auszusetzen, bis die Staatsanwaltschaft entweder - aufgrund der Nachermittlungen - nun doch die öffentliche Klage erhebt oder dies - endgültig erneut - ablehnt. Diese Klarstellung und die damit verbundene ausdrückliche Aussetzung des Verfahrens erschien dem Senat im Hinblick auf den Inhalt seiner Verfügung vom 20. August 1998, in der das Klageerzwingungsverfahren als erledigt angesehen worden ist, tunlich.
In diesem Zusammenhang dahinstehen konnte die Frage, ob der Generalstaatsanwalt oder auf seine Anweisung hin die örtliche Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufgenommen hat oder ob dies, wie die Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwalt meinen, nicht der Fall ist. Nach dem dargelegten Inhalt der Verfügungen/Mitteilungen spricht zwar viel für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft, obwohl der Senat andererseits nicht verkennt, dass die durchgeführten Ermittlungstätigkeiten letztlich auf der vom Senat eingeholten, also auf § 173 Abs. 3 StPO zurückgehenden, Auskunft vom 10. Juni 1997 beruhen. Von Bedeutung dürfte auch sein, dass der Senat grundsätzlich auch kaum berechtigt sein dürfte, die Staatsanwaltschaft zu weiteren Ermittlungen anzuweisen (so wohl zutreffend Kuhlmann NStZ 1981, 193 f.). Dazu weist der Senat nur darauf hin, dass er sich mit dieser Auffassung nicht in Gegensatz zu den Entscheidungen des OLG Zweibrücken vom 5. Februar 1980 (GA 1981, 94) und des KG vom 26. März 1990 (NStZ 1990, 355) setzen würde, da diese andere Fallgestaltungen betreffen. Anders als vorliegend hatten in den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaften nämlich überhaupt keine Ermittlungen getätigt.
Die Frage, ob die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft tatsächlich wiederaufgenommen worden sind oder nicht, bedarf jedoch keiner weiteren vertieften Darlegung bzw. Ausführungen. Denn selbst man sich mit dem Senat in seiner Verfügung vom 20. August 1998 auf den Standpunkt stellt, dass die Ermittlungen (auch) von der Staatsanwaltschaft wiederaufgenommen worden sind, ist dadurch das durch den Antrag vom 6. Februar 1997 eingeleitete sog. Klageerzwingungsverfahren nicht erledigt. Insoweit hat der Senat zwar in seiner Verfügung eine andere Rechtsauffassung vertreten, an dieser hält er jedoch nach nochmaliger Überprüfung nicht fest. Er schließt sich vielmehr der vom OLG München im Beschluss vom 10. Januar 1986 (NStZ 1986, 376) und der vom hiesigen 3. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 27. August 1998 - 3 Ws 506/97 - vertretenen Auffassung an, dass durch eine Wiederaufnahme der Ermittlungen das Klageerzwingungsverfahren nicht erledigt ist. Für diese sprechen Sinn und Zweck der §§ 172 ff. StPO, insbesondere aber der eindeutige Wortlaut des § 175 StPO (vgl. dazu auch Müller in Karlsruher Kommentar zur StPO, 3. Aufl., Rn. 3 mit weiteren Nachweisen). Das Klageerzwingungsverfahren zielt nämlich eindeutig auf den Abschluss durch Klageerhebung und nicht auf eine bloße Wiederaufnahme der Ermittlungen. Sinn und Zweck des Klageerzwingungsverfahrens ist gerichtliche Kontrolle des Legalitätsgrundsatzes. Nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren soll das Oberlandesgericht über die - von der Staatsanwaltschaft verneinte - Pflicht zur Anklageerhebung entscheiden. Dass in diesem Verfahren durchgeführte Ermittlungen nicht zur Erledigung des Verfahrens führen, zeigt sich nach Auffassung des Senats auch an dem vom Gesetz vorgesehenen Gang des Klageerzwingungsverfahrens. Dieses sieht in § 173 Abs. 3 StPO nur ergänzende, lückenschließende Ermittlungstätigkeit des Oberlandesgerichts zur Vorbereitung seiner Entscheidung vor (KG, a.a.O.; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 173 Rn. 3), weshalb das Oberlandesgericht in der Regel auch kaum berechtigt sein dürfte, die Staatsanwaltschaft als sog. "Herrin des Ermittlungsverfahrens" zu weiteren Ermittlungen anzuweisen (Müller, a.a.O.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 175 Rn. 2; Kuhlmann, a.a.O.). Ist das aber der Fall, dann kann durch solche ergänzende Beweiserhebung bzw. Ermittlungstätigkeit nicht schon das Klageerzwingungsverfahren insgesamt erledigt sein. Hinzu kommt, dass der anderen Rechtsauffassung auch das Kosteninteresse des jeweiligen Antragstellers entgegensteht. Diesem wird nämlich, wenn man in der Wiederaufnahme der Ermittlungen bereits die Erledigung des Klageerzwingungsverfahrens sehen wollte, gegebenenfalls das Kostenrisiko für ein weiteres Verfahren aufgebürdet, das er möglicherweise nach einem neuen Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft einleiten müsste.
Diese Rechtsansicht steht nach Auffassung des Senats nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des OLG Zweibrücken vom 25. September 1986 (MDR 1987, 341[ Ls.] = NStE Nr. 5 zu § 172 StPO), des OLG Koblenz vom 11. September 1989 (NStZ 1990, 48) und des OLG München vom 23. September 1963 (MDR 1964, 610). In den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden (Ermittlungs)Verfahren ging es nämlich jeweils darum, dass nach Einstellung die Ermittlungen von den Staatsanwaltschaften aufgrund vom Antragsteller vorgebrachter, neuer Tatsachen und Beweismittel wieder aufgenommen worden waren. Damit stellten sich diese Ermittlungstätigkeiten nicht - noch - als Erledigung des anhängigen Klageerzwingungsverfahren, sondern im Grunde genommen - schon - als neues, weiteres Ermittlungsverfahren dar, das in diesen Fällen auch nach § 174 Abs. 2 StPO zulässig gewesen sein dürfte. Damit lag die Annahme, dass die bereits eingeleiteten Klageerzwingungsverfahren erledigt seien, nahe. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn es handelt sich hier nicht um neue Tatsachen, die zu den (Nach-)Ermittlungen geführt haben, sondern um eine ergänzende, auf Anregung des Senats im Hinblick auf § 173 Abs. 3 StPO eingeholte, Auskunft eines Arztes, der die Antragstellerin noch nach dem Beschuldigten behandelt hat.
III. Zur weiteren Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass auch er die Anregung der örtlichen Staatsanwaltschaft, zunächst das im Zivilverfahren eingeholte Sachverständigengutachten beizuziehen, für sachgerecht hält, um dann die Frage zu entscheiden, ob der Antragstellerin nun vom Beschuldigten der Meniskus entfernt worden ist oder nicht.
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