Aktenzeichen: 2 Ws 306/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Verlängerung der Bewährungszeit wegen einer neuen Straftat, die zu einer erneuten Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe geführt hat
Gericht: OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: sofortige Beschwerde
Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung, Verlängerung der Bewährungszeit, Neue Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe, Sachnähe des neuen Gerichts, nachvollziehbare Bewährungsentscheidung
Normen: StGB 56 f
Beschluss: Strafsache gegen C.Z. wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz hier: Sofortige Beschwerde gegen den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung)
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 4. Mai 1998 gegen den Beschluss der IV. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 27. April 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.07.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Bewährungszeit aus dem Beschluss der IV. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 19. März 1996 wird um ein Jahr bis zum 1. April 2000 verlängert.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Verurteilten auferlegt. Jedoch wird die Gebühr für die Beschwerde um ½ ermäßigt. In diesem Umfang werden die Kosten und die dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
I. Die IV. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund hat durch Beschluss vom 19. März 1996 die Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 18. März 1993 nach Verbüßung von 2/3 der in diesem Urteil wegen versuchten Diebstahls in mehreren Fällen festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Dieser Beschluss ist seit dem 2. April 1996 rechtskräftig.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer nun die gewährte Bewährung widerrufen. Grund für den Widerruf war, dass der Verurteilte durch Urteil des Amtsgericht Duisburg-Hamborn vom 17. Dezember 1997 wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach den vom Amtsgericht Duisburg-Hamborn getroffenen Feststellungen nimmt der Verurteilte, der seit langem mit Drogen zu tun hat, seit Juli 1997 an einem Methadonprogramm teil. Die Diebstahlstaten beging er vor, aber auch noch nach Aufnahme in das Methadonprogramm.
Der Verurteilte wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Widerruf der Strafaussetzung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat teilweise Erfolg.
Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Diese Voraussetzung ist, worauf die Generalstaatsanwalt in ihrer Stellungnahme vom 29. Juni 1998 zutreffend hinweist, dem Grunde nach erfüllt. Der Verurteilte ist durch das Amtsgericht Duisburg-Hamborn rechtskräftig wegen der in der Bewährungszeit begangenen drei Diebstahlstaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden.
Die Begehung einer Straftat in der Bewährungszeit rechtfertigt den Widerruf der Strafaussetzung jedoch nur dann, wenn sich durch die Tatbegehung zeigt, dass die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung sich nicht erfüllt hat und sich deshalb unter Berücksichtigung aller dafür maßgeblichen Umstände genügend Anlass für eine Berichtigung der ursprünglich positiven Sozialprognose ergibt. Ist das nicht der Fall, muß gemäß § 56 f Abs. 2 Satz 1 StGB von einem Widerruf der Strafaussetzung abgesehen werden und es ist ausreichend, gemäß § 56 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB die Bewährungszeit zu verlängern (Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 56 f Rn. 3 c mit weiteren Nachweisen).
Das ist vorliegend der Fall. Bei der erforderlichen Gesamtabwägung verkennt der Senat nicht, dass der Verurteilte in der Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei es sich im wesentlichen um Verstöße gegen das BtM-Gesetz und offenbar um sog. Beschaffungskriminalität gehandelt hat. Auch hat Strafverbüßung ihn nicht von den neuen Straftaten abhalten können. Andererseits kann aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass er jetzt seit Sommer 1997 an einem Methadonprogramm teilnimmt und, wie der Stellungnahme seines Bewährungshelfers zeigt, erfolgreich eine Umschulungsmaßnahme absolviert. Besonderes Gewicht bei der Beurteilung der Frage, ob künftig eine straffreie Führung des Verurteilten zu erwarten ist, hat schließlich der Umstand, dass die wegen der in der Bewährungszeit begangenen Taten festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe vom Amtsgericht Duisburg-Hamborn (noch einmal) zur Bewährung ausgesetzt worden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt u.a. Beschlüsse vom 31. August 1995 in 2 Ws 459/95 und vom 24. November 1995 in 2 Ws 268/95, jeweils mit weiteren Nachweisen), dass es wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten des letzten Tatgerichts grundsätzlich geboten ist, sich dessen Entscheidung anzuschließen (so auch OLG München StraFo 1998, 214; Tröndle, a.a.O.). Dieses hat aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung einen persönlichen Eindruck von dem Verurteilten und kann daher in der Regel eine sach- und zeitnähere Prognose abgeben.
Davon ist auch hier auszugehen. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist der Senat der Ansicht, dass das Amtsgericht Duisburg-Hamborn seine Bewährungsentscheidung auch zweifelsfrei getroffen hat. Zwar hat das Amtsgericht hinsichtlich der Bewährungsaussetzung Bedenken gehabt, diese hat es jedoch zurückgestellt. Auch "glaubte" es nur "vertreten zu können", die Gesamtfreiheitsstrafe nochmals zur Bewährung aussetzen zu können. Dem Gesamtzusammenhang der Aussetzungsentscheidung lässt sich jedoch letztlich zweifelsfrei entnehmen, dass das Amtsgericht die "Überzeugung" hatte, dass sich der Verurteilte "- mit begleitender Unterstützung durch seine Bewährungshelferin - in Zukunft straffrei führen wird." Die vom Amtsgericht gewählten Formulierungen lassen nach Auffassung des Senats nicht den Schluss zu, das Amtsgericht sei nicht von der Richtigkeit seiner Aussetzungsentscheidung überzeugt gewesen. Vielmehr machen sie deutlich, dass es sich bei der gemäß § 56 StGB zu treffenden Aussetzungsentscheidung um eine Prognoseentscheidung handelt, die immer mit gewissen Unsicherheiten belastet ist. Das gilt besonders, wenn es sich bei dem zu Beurteilenden, wie vorliegend, um einen Drogenabhängigen handelt.
Nach allem brauchte somit die Strafaussetzung zur Bewährung nicht widerrufen zu werden, eine Verlängerung der Bewährungszeit war ausreichend. Diese ist vom Senat unter Berücksichtigung der bereits festgesetzten Zeit von drei Jahren angemessen um ein Jahr verlängert worden, um dem Verurteilten Gelegenheit zu geben zu beweisen, dass er in Zukunft auch ohne (weitere) Einwirkung des Strafvollzugs ein straffreies Leben führen kann. Der Senat weist den Verurteilten allerdings eindringlich darauf hin, dass er bei einer erneuten Straftat nunmehr nicht mehr mit einer nochmaligen Verlängerung der Bewährungszeit rechnen kann, sondern diese im Zweifel den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach sich ziehen wird.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO. Sie berücksichtigt, dass der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde teilweise Erfolg hatte.
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