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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1034/99 OLG Hamm

Leitsatz: Die Anordnung der Übersendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbricht diesem gegenüber die Verjährung nur, wenn er der Ordnungswidrigkeit als Fahrer beschuldigt wird (Stichwort: Verjährungsunterbrechung bejaht).

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde im OWi-Verfahren

Stichworte: Verjährungsunterbrechung im OWi-Verfahren, Anordnung der Vernehmung, Versendung des Anhörungsbogens an Halter, Kennzeichenanzeige, Formulierung des Anhörungsbogens, Möglichkeit des Absehens vom Regelfahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße

Normen: OWiG 33, OWiG 31, StVG 25

Fundstelle: ZAP EN-Nr. 67/2000; DAR 2000, 83; VRS 98, 208

Beschluss: Bußgeldsache gegen T.R. wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 22. Juni 1999 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16.11.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 6 OWiG beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

G r ü n d e:
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen im angefochtenen Urteil wegen einer am 22. September 1998 auf der BAB A 46 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h zu einer Geldbuße von 130 DM und wegen einer am 25. November 1998 in Hagen begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/ und wegen Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes zu einer Geldbuße von 260 DM verurteilt und wegen dieser Verkehrsordnungswidrigkeit außerdem ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen sind nicht zu erkennen. Der näheren Erörterung bedürfen lediglich zwei Punkte:

1. Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass hinsichtlich der am 22. September 1998 begangenen Ordnungswidrigkeit bei Erlass des Bußgeldbescheides Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten war. Die Verjährungsfrist beträgt bei einem Verstoß gegen die StVO nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG grundsätzlich drei Monate, beginnend mit dem Vorfallstag. Die Verfolgungsverjährung der am 22. September 1998 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung nach den §§ 3, 41, 49 StVO wäre demnach am 21. Dezember 1998 eingetreten, wenn sie bis dahin nicht gem. § 33 OWiG unterbrochen worden wäre.

Vorliegend ist der Lauf der Verjährungsfrist aber, wovon auch das Amtsgericht ausgegangen ist, durch eine Untersuchungshandlung der Bußgeldbehörde nämlich die Versendung des Anhörungsbogens vom 12. Oktober 1998 an den Betroffene unterbrochen worden. Nach einhelliger Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. aus neuerer Zeit OLG Hamm NZV 1998, 340; OLG Hamburg NStZ-RR 1999, 20, 21; DAR 1999, 176; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 346; siehe auch die Zusammenstellung bei Korte NStZ 1999, 342), die auf die Grundsätze des BGH in seiner Entscheidung vom 29. 10. 1996 zurückgeht (vgl. BGHSt 42, 283 = NJW 1997, 598 = NZV 1997, 315[ Ls.]), wird die Verjährung durch die Übersendung eines sog. Anhörungsbogen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG gegenüber dem noch unbekannten - Betroffenen nur dann unterbrochen, wenn sich auf ihn die Übersendung des Anhörungsbogens auch bezieht (§ 33 Abs. 4 OWiG). Die Unterbrechungshandlung muß sich gegen eine bestimmte Person richten (so die o.a. Rechtsprechung und außerdem auch noch OLG Hamm ZAP EN-Nr. 116/99 = DAR 1999, 85 = MDR 1999, 314 = VRS 96, 225 = NZV 1999, 261 = zfs 1999, 265; zuletzt auch der zur Veröffentlichung bestimmte Beschluss des Senats vom 9. November 1999 in 2 Ss OWi 1105/91). Demgemäss ist die Übersendung eines Anhörungsbogens als Bekanntgabe im Sinn von § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur ausreichend, wenn daraus für den Adressaten unmissverständlich hervorgeht, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden (OLG Hamm NZV 1998, 340; OLG Hamburg NStZ-RR 1999, 20, 21; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 33 OWiG Rn. 10; Senat, a.a.O.). Ihm muß deutlich werden, dass ihm die festgestellte Verkehrsordnungswidrigkeit als Betroffener vorbehaltlos zur Last gelegt wird (OLG Hamm NZV 1998, 340, 341). Handlungen, die demgegenüber nur das Ziel haben, den noch unbekannten Tatverdächtigen zu ermitteln, erfüllen diese Voraussetzungen nicht

Diesen Anforderungen wird der Anhörungsbogen vom 12. Oktober 1998 noch gerecht. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung war durch eine Radarmessung festgestellt und fotografisch festgehalten worden. Danach war der Betroffene als Halter ermittelt worden. Nach Inhalt und Ausgestaltung des Schreibens vom 12. Oktober 1998 hat sich das Verfahren zum Zeitpunkt der Anordnung der Versendung auch bereits konkret gegen den Betroffenen, und nicht etwa noch gegen "Unbekannt" gerichtet. Das Schreiben lässt nämlich erkennen, dass dem Betroffenen persönlich der festgestellte Verkehrsverstoß zur Last gelegt werden soll. Zwar ist - ebenso wie in dem vom Senat im Verfahren 2 Ss OWi 1105/99 entschiedenen Fall der Anhörungsbogen nur - überschrieben mit "Sehr geehrte(r) Verkehrsteilnehmer(in)...". Anders als im Verfahren 2 Ss OWi 1105/99 ist der eigentliche Vorwurf dann aber nicht lediglich neutral mit den Worten: "....es wurde festgestellt, dass mit ihrem Kraftfahrzeug die oben angegebene Verkehrsordnungswidrigkeit (§ 24 Straßenverkehrsgesetz) begangen wurde" beschrieben. Vielmehr enthält der Anhördungsbogen vorliegend zusätzlich den persönlich an den Empfänger des Schreibens gerichteten Vorwurf: "Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h...". Das Schreiben vom 12. Oktober 1998 ist zudem nur mit "Anhörungsbogen" überschrieben (anders im Fall OLG Hamm NZV 1998, 340) und enthält auch den Hinweis auf § 55 OWiG mit der Belehrung über die Rechte des Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Dies alles konnte der Betroffene nur so verstehen, dass gegen ihn als Täter der Verkehrsordnungswidrigkeit ermittelt wurde und seine Täterschaft nicht mehr offen war. Etwas anderes folgt nach Auffassung des Senats vorliegend insoweit abweichend von der Auffassung im Beschluss vom 9. November 1999 (s.o.) nicht daraus, dass (auch) im Anhörungsbogen vom 12. Oktober 1998 der Betroffene gebeten wird, die Personalien des verantwortlichen Fahrers mitzuteilen, falls er die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben sollte. Denn hier ist anders als im Verfahren 2 Ss OWi 1105/99 der Anhörungsbogen vor dieser Stelle so unzweifelhaft und bestimmt formuliert, dass der Betroffene eindeutig erkennen konnte, dass er als Fahrer und Täter der Ordnungswidrigkeit belangt werden sollte. Der Hinweis auf die Zeugenbelehrung schadet dann nicht (so auch OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 347). Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu den o.a. obergerichtlichen Entscheidungen, die teilweise dazu kommen, dass die Verjährung nicht unterbrochen worden ist. Ihnen liegen nämlich, worauf auch das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, andere Gestaltungen der in den Bußgeldverfahren versandten Anhörungsbögen zugrunde.

2. Auch der Umstand, dass das Amtsgericht nicht ausdrücklich ausgeführt hat, dass es sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, von der Verhängung des wegen der am 25. November 1998 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung verwirkten Fahrverbots auch allein bei (weiterer) Erhöhung der festgesetzten Geldbuße absehen zu können, führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Zwar muß sich der Tatrichter dieser Möglichkeit bewusst sein und muß sich dies aus den Urteilsgründen ergeben (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt u.a. 2 Ss OWi 1/99 in NZV 1999, 215 = VRS 96, 382 = zfs 1999, 311), was vorliegend ausdrücklich nicht der Fall ist. Der Senat hat jedoch bereits wiederholt entschieden, dass sich das "Bewusstsein von der Möglichkeit des Absehens" auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben kann (vgl. u.a. Beschluss des Senats vom 14. Januar 1999 2 Ss OWi 1377/98 = ZAP EN-Nr. 135/99 = VRS 96, 458 = NZV 1999, 391; siehe auch Beschluss vom 29. November 1996 2 Ss OWi 1314/96 ZAP EN-Nr. 17/97 = DAR 1997, 117 = VRS 93, 217). Davon kann vorliegend angesichts des geringen zeitlichen Abstands zwischen den beiden festgestellten Verkehrsordnungswidrigkeiten und des Umstands, dass durch die Versendung des Anhörungsbogen vom 12. Oktober 1998 dem Betroffenen am 25. November 1998 bekannt war, dass bereits ein Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegen ihn betrieben wurde, ausgegangen werden.

Die von der Rechtsbeschwerde gegen die Verhängung des Fahrverbots im einzelnen erhobenen Einwände greifen ebenfalls nicht durch. Sie widersprechen den vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist. Darüber hinaus nehmen sie nur eine andere Würdigung der Aussage der vom Amtsgericht zu den Folgen und Auswirkungen des Fahrverbots gehörten Zeugin vor, was im Rechtsbeschwerdeverfahren aber nicht möglich ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 StPO.


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