Aktenzeichen: 2 BL 49/94 OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: BL6
Stichworte: Anklage nicht vor Gutachten, Sachverständigengutachten, Schuldfähigkeit, Totschlag
Normen: StPO 121, StPO 122
Beschluss: Strafsache gegen B.Ö. wegen Totschlags
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).
Auf die Vorlage der (Doppel-) Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.02.1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verteidigers und des A Angeschuldigten beschlossen:
Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
Dem Angeschuldigten, der sich seit dem 17. August 1993 in Untersuchungshaft befindet, wird mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund (78 Gs 2740/93) vom selben Tage zur Last gelegt, am 15. August 1993 in Castrop-Rauxel einen Totschlag begangen zu haben. Er soll am Tattag gegen 20 Uhr den am 19. Juli 1967 geborenen M.B. im Rahmen einer Auseinandersetzung vor dem Ausländerheim in der Harkortstraße 3 mit einem Messer eine Stichverletzung in der Bauchregion zugefügt haben, an deren Folgen Bürger am 16. August 1993 verstarb. Der Angeschuldigte soll den Tod seines Opfers zumindest billigend in Kauf genommen haben.
Mit diesem Vorwurf identisch ist die Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 15. Dezember 1993, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfaßt. Sie ist dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger zugestellt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen. Die Einlassung des Angeschuldigten wird insbesondere durch die Aussage der Zeugin Anna Franziska Chrachol widerlegt.
Bei dem Angeschuldigten liegt der Haftgrund des § 112 Absatz 3 StPO vor. Es besteht die Gefahr, dass sich der Angeschuldigte dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen. Er hat in der Bundesrepublik Deutschland keine tragfähigen sozialen Bindungen.
Der Zweck der Untersuchungshaft lässt sich deshalb auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreichen.
Die bisher gegen ihn vollzogene Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des Tatvorwurfs und der im Verurteilungsfalle möglicherweise zu erwartenden Freiheitsstrafe.
Wichtige Gründe i.S. § 121 Abs. 1 StPO haben ein Urteil bislang nicht zugelassen; sie rechtfertigen aber, die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.
Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig und umfangreich, weil sich der Angeschuldigte auf Notwehr beruft. Es wer eine Vielzahl von Zeugen zu vernehmen. Nach Durchführung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens veranlaßt. Dies war zur Abklärung der Schuldfähigkeit des Angeschuldigten erforderlich. Die Auffassung der Verteidigerin im Schriftsatz vom 18. Februar 1994, "die Staatsanwaltschaft hätte auch ohne das Vorliegen der Schuldfähigkeit die Anklageschrift abfassen können", ist nicht haltbar. Sie verkennt, dass eine Anklage erst nach Abschluß der Ermittlungen und bei Bejahung eines hinreichenden Tatverdachts, der die Schuldfähigkeit einschließt, erhoben werden darf (§ 170 Absatz 1 StPO). Nach Eingang des psychiatrischen Gutachtens hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich Anklage erhoben. Der Vorsitzende der Jugendkammer hat ebenfalls unverzüglich die Anklageschrift der Verteidigung zugestellt und die Übersetzung der Anklage in die türkische Sprache veranlaßt. Der Senat geht davon aus, dass die Jugendkammer alsbald über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.
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