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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 326/93 OLG Hamm

Leitsatz: Eine Aufzeichnung ist auch dann im Sinn des § 268 Abs. 1, 3 StGB unecht, wenn zuvor die korrekte Funktion des Geräts beeinträchtigt, etwa durch eine Manipulation an der Schreibnadel, und auf diese Weise die inhaltliche Unrichtigkeit der Aufzeichnung herbeiführt worden ist.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Fälschung technischer Aufzeichnungen durch Verbiegen der Aufzeichnungsnadel im Fahrtenschreiber, Begriff der unechten Aufzeichnung

Normen: StGB 268

Beschluss: Im Namen des Volkes, Urteil, Strafsache gegen den Kraftfahrer U.W. wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Paderborn gegen das Urteil des Amtsgerichts Lippstadt vom 17. Dezember 1992 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 04.08.1993,an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht, Richter am Oberlandesgericht als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lippstadt zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten, dem mit Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Paderborn vom 6. Mai 1992 Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zur Last gelegt wird, in der gem. § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO anberaumten Hauptverhandlung nicht wegen der oben bezeichneten Straftat verurteilt, sondern gegen ihn wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach Art. 12 a Nr. 1 h AETR i.V.m. 7 b I Nr. 1 e cc Fahrpersonalgesetz eine Geldbuße von 300,-- DM festgesetzt. Dabei ist das Amtsgericht von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Am 13. Januar 1992 war der Angeklagte, der von Beruf Kraftfahrer ist, mit einem Sattelzug seines Arbeitgebers unterwegs. Das Fahrzeug war mit einem mechanischen Kontrollgerät ausgestattet, das auf einer Diagrammscheibe u.a. die gefahrene Geschwindigkeit aufzeichnete. Zwischen 15.00 und 20.00 Uhr öffnete der Angeklagte in drei Fällen das Kontrollgerät und verbog die Geschwindigkeitsschreibnadel in der Weise, dass die aufgezeichnete Geschwindigkeitskurve unterhalb der sogenannten Nullinie ansetzte. Dies hatte zur Folge, dass der Fahrtenschreiber die Geschwindigkeit um 10 bis 12 km/h zu niedrig aufzeichnete. Für einen sachkundigen Betrachter war allerdings ohne weiteres erkennbar, dass die Geschwindigkeitskurve unterhalb der Nullinie ansetzte, so dass durch Hinzurechnen der Differenz zwischen dem Ansetzen des Geschwindigkeitsaufschriebs und der Nullinie die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit zu ermitteln war. Am 14. und 15. Januar 1992 legte der Angeklagte jeweils eine Diagrammscheibe in das Kontrollgerät ein, um bei einer etwaigen Kontrolle den Eindruck zu erwecken, eine niedrigere als die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit eingehalten zu haben. Am 15. Januar 1992 stellten Polizeibeamte bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle fest, dass die Aufzeichnung der Geschwindigkeit durch den Fahrtenschreiber des von dem Angeklagten geführten Fahrzeuges unterhalb des Toleranzbereichs des eingelegten Schaublattes ansetzte. Weiter wurde von den Polizeibeamten erkannt, dass auch auf der Diagrammscheibe vom 13. Januar 1992 der Geschwindigkeitsaufschrieb in zwei Fällen unterhalb der Nullinie begann.

Das Amtsgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe sich nicht der Fälschung einer technischen Aufzeichnung nach § 268 StGB schuldig gemacht. Diese Auffassung begründet es wie folgt:
"Nach § 268 Nr. 1, 1. Alternative StGB muß die hergestellte technische Aufzeichnung "unecht" sein. Die Aufzeichnung ist nach diesseitiger Auffassung nur dann "unecht", wenn sie nicht auf einem Aufzeichnungsvorgang eines ungestörten und manipulationsfreien Gerätes stammt, obwohl sie nach ihrem Aussehen und ihrem Inhalt einen solchen Eindruck erweckt (u.a. Dreher/Tröndle, § 268 StGB, Randnummer 11). Durch das Verbiegen der Tachographennadel setzte die Geschwindigkeitsaufzeichnung unterhalb der Nullinie an. Dadurch wurde die ausgewiesene Geschwindigkeit zu niedrig angezeigt. Insofern ist das Ergebnis des Aufzeichnungsvorganges als nicht ordnungsgemäß zu bezeichnen. Da jedoch für einen verständigen Betrachter der Diagrammscheibe deutlich erkennbar war, dass die Geschwindigkeitsaufzeichnung unterhalb der Nullinie begann, wurde nicht der Eindruck erweckt, dass die ausgewiesene Geschwindigkeit der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit entsprach. Es konnte für einen verständigen Betrachter nicht der Eindruck entstehen, dass der Angeklagte eine geringere als die von ihm wirklich gefahrene Geschwindigkeit eingehalten hatte. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrolle kontrollierenden Polizeibeamten feststellten, dass der Geschwindigkeitsaufschrieb unterhalb der Nullinie und somit tiefer als vorgeschrieben ansetzte. Daraus folgt, dass die Diagrammscheibe nicht als "unechte" technische Aufzeichnung zu bezeichnen ist."

Die Revision der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, wendet sich mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen die Verurteilung des Angeklagten nur wegen einer Ordnungswidrigkeit. Sie ist der Auffassung, der Angeklagte habe sich der Fälschung technischer Aufzeichnungen nach § 268 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB schuldig gemacht.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Das Amtsgericht hat darauf abgestellt, eine Fälschung von technischen Aufzeichnungen gem. § 268 StGB liege deswegen nicht vor, weil das Verbiegen der Nadel nur dazu geführt habe, dass die Aufzeichnung der Geschwindigkeit unterhalb der Nullinie begonnen hätte und somit auf dem Schaublatt lediglich insgesamt tiefergelegen sei, als dies ohne das Verbiegen der Nadel der Fall gewesen wäre. Das Ergebnis der Aufzeichnung sei, so folgert das Amtsgericht, deshalb nicht unrichtig und damit die Aufzeichnung selbst auch nicht unecht. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Bestimmung des § 268 StGB dient dem Schutz des Vertrauens darauf, dass die technische Aufzeichnung das unberührte Ergebnis eines normalen automatischen Herstellungsvorganges ist und gerade deshalb die Vermutung inhaltlicher Richtigkeit hat (Cramer in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 268 Rn. 3 u. 4; Dreher/Tröndle StGB 46. Aufl. § 268 Rn. 2). Unecht ist eine technische Aufzeichnung daher, wenn sie überhaupt nicht oder nicht in ihrer konkreten Gestalt aus einem in seinem automatischen Ablauf unberührten Herstellungsvorgang stammt, obwohl sie diesen Eindruck erweckt (Cramer a.a.0. Rn. 33; Dreher/Tröndle a.a.O. Rn. 11; vgl. auch BGHSt 28, 300 , 30 3).
Die mit der verbogenen Geschwindigkeitsschreibnadel hergestellten und später von Polizeibeamten in Augenschein genommenen technischen Aufzeichnungen waren allerdings nicht in dem Sinn unecht, dass sie nicht aus einem technischen Aufzeichnungsvorgang herrührten, von dem zu stammen, sie den Eindruck erweckten. Insoweit wäre ein etwaiger Verstoß gegen § 268 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht gegeben. Nach § 268 Abs. 3 StGB steht es jedoch der Herstellung einer unechten technischen Aufzeichnung gleich, dass der Täter durch störende - d.h. nicht etwa zum Zwecke der Reparatur vorgenommene - Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang das Ergebnis der Aufzeichnung beeinflußt. Dies tut, wer in den Funktionsablauf, also in den Mechanismus des aufzeichnenden Geräts, eingreift, hierdurch die korrekte Funktion des Geräts beeinträchtigt (vgl. BGHSt 28, 300, 305) und auf diese Weise die inhaltliche Unrichtigkeit der Aufzeichnung herbeiführt (Cramer a.a.O. Rn. 48 und 51; Tröndle in LK StGB 10. Aufl. § 268 Rn. 33 u. 35). Aus dieser folgt unter den hier vorliegenden Voraussetzungen - im Gegensatz zu § 268 Abs. 1 Nr. 1 StGB - zugleich, dass die Aufzeichnung dann auch unecht ist (vgl. Cramer a.a.O. Rdz. 29 f, 46 m.w.Nachw.).
Eine Manipulation an der Schreibnadel erfüllt nämlich diese Voraussetzungen. Durch die Nadel wird (unter anderem) die von dem Fahrzeug gefahrene Geschwindigkeit aufgezeichnet. Ein Verbiegen beeinflußt die Aufzeichnung und wirkt sich auf deren Ergebnis aus. Denn das Kontrollgerät ist von seiner Konstruktion her so eingestellt, dass die Nadel auf einer bestimmten Linie, nämlich der Nullinie, zu schreiben beginnt und dorthin bei Stillstand des Fahrzeugs wieder zurückkehrt und dass sie innerhalb der auf dem Schaublatt eingedruckten Geschwindigkeitslinien die Aufzeichnung jeweils an der Stelle vornimmt, die der tatsächlich eingehaltenen Geschwindigkeit entspricht. Das Verbiegen der Nadel hatte zur Folge, dass sämtliche Aufzeichnungen auf dem Schaublatt tiefer lagen, als dies bei richtiger Einstellung der Nadel der Fall gewesen wäre; und dass deshalb auf dem Schaublatt jeweils eine gemessen an einer ordnungsgemäßen Einstellung der Nadel und den hierauf abgestellten Geschwindigkeitslinien der Diagrammscheibe um 10 bis 12 km/h zu niedrige Geschwindigkeit aufgezeichnet wurde. Eine derartige Manipulation ist aber gerade der typische Fall einer das Ergebnis der Aufzeichnung beeinflussenden störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang (Bay0bLG, Urteil vom 06.03.1987, 1 St 324/86, in DAR 88, 366; Puppe in JR 1978, 123/124). Dass die auf diese Weise bewirkte Unrichtigkeit der Aufzeichnung wegen der gleichzeitigen Verschiebung der Nullinie verhältnismäßig leicht zu erkennen ist und dass nach Aufdeckung des Fehlers aufgrund sachverständiger Auswertung der Diagrammscheibe die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit trotz der Unrichtigkeit der Aufzeichnung ermittelt werden kann, vermag hieran nichts zu ändern (vgl. Bay0bLGSt 1986, 33/35). Soweit der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22. August 1979 - 4 Ss 1332/79 die Auffassung hat anklingen, die Aufzeichnung dürfte nicht "falsch" gewesen sein, weil es evident gewesen sei, dass die Nadel in Ruhestellung unterhalb der Nullinie angesetzt habe, so dass es für jeden Betrachter einsichtig gewesen sei, dass die auf der Skalierung abgelesene Geschwindigkeit um denjenigen Wert zu vermehren war, der der Abweichung entsprach, hat er sich nicht festgelegt und seine damalige Entscheidung, den Angeklagten freizusprechen, hierauf keineswegs gestützt, sondern nur eine seinerzeit erörterungswürdig erscheinende Möglichkeit aufgezeigt. Im übrigen ist diese Senatsentscheidung jedenfalls durch die nachfolgende obergerichtliche Rechtsprechung auch überholt.
Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lippstadt zurückzuverweisen, § 354 Abs. 2 StPO.


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