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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1221/94 OLG Hamm

Leitsatz: Zur willkürlichen Bejahung der sachlichen Zuständigkeit

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Zuständigkeit des Amtsrichters, falsches Gericht, gesetzlicher Richter, willkürliche Bejahung der sachlichen Zuständigkeit, Straferwartung

Normen: GVG 25, StPO 153 a

Beschluss: Strafsache gegen K.S. wegen Körperverletzung im Amt.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht IV - Hagen vom 6. Juni 1994 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.10.1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den Strafrichter beim Amtsgericht Hagen verwiesen.

Gründe:
I. Unter dem 16. August 1993 erhob die Staatsanwaltschaft Hagen in vorliegender Sache bei dem Amtsgericht - Strafrichter - Hagen Anklage mit dem Vorwurf, der Angeklagte habe am 3. Dezember 1992 in Hagen als Amtsträger während der Ausübung seines Dienstes einen anderen körperlich mißhandelt. Als Sportlehrer der Realschule Hagen-Hohenlimburg habe er während des Sportunterrichts den 14 Jahre alten Schüler Timo Diesing an den Haaren ergriffen und diesem zwei kräftig geführte Schläge mit der offenen Hand gegen die linke Wange versetzt. Ausweislich des Vermerks vom 4. Oktober 1993 setzte sich der zuständige Strafrichter während des gerichtlichen Zwischenverfahrens mit der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger des damaligen Angeschuldigten in Verbindung, um abzuklären, ob einer Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von DM 2.000,- zugestimmt würde. Nach ablehnender Stellungnahme des Verteidigers beschloß der Strafrichter am 2. März 1994, das Verfahren gemäß § 209 Abs. 2 StPO dem Vorsitzenden des Schöffengerichts vorzulegen, da "nach Auffassung des Gerichts die Zuständigkeit des Schöffengerichts gegeben" sei (Bl. 96 d. A.). Am 29. April 1994 ließ der Vorsitzende des Schöffengerichts IV die Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren "entsprechend der gemäß § 209 Abs. 2 StPO erfolgten Vorlage durch den Strafrichter vor dem Schöffengericht" des Amtsgerichts Hagen. Nach dreitägiger Hauptverhandlung verurteilte das Amtsgericht - Schöffengericht IV Hagen den Angeklagten am 6. Juni 1994 wegen Körperverletzung im Amt zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je DM 150.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Rechtsmittel eingelegt und fristgerecht als Revision bezeichnet. Den Antrag, das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Hagen (Einzelrichter), hilfsweise dasselbe Gericht (Schöffengericht) zu verweisen, hat der Verteidiger mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Er hat insbesondere geltend gemacht, der Angeklagte sei willkürlich seinem gesetzlichen Richter entzogen worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie erkannt.

II. Die (zulässige) Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verweisung der Sache an den zuständigen Strafrichter des Amtsgerichts Hagen (§ 355 StPO), weil das Schöffengericht zu Unrecht (objektiv willkürlich) seine sachliche Zuständigkeit bejaht hat. Der Strafrichter beim Amtsgericht Hagen ist gemäß § 25 Nr. 2 GVG für die Behandlung und Entscheidung der Sache sachlich zuständig; daran hat sich nichts geändert.

In ihrer Stellungnahme vom 6. Oktober 1994 hat die Generalstaatsanwaltschaft u. a. ausgeführt:
"Aufgrund dieses Verfahrensganges ergibt sich, dass schon der Strafrichter erkennbar davon ausgegangen ist, dass im Falle einer Verurteilung allenfalls eine Geldstrafe in Betracht komme, eigentlich aber eine Verfahrensweise gemäß § 153 a StPO angemessen wäre. Somit war schon die Vorlage der Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO willkürlich, was auch dadurch dokumentiert ist, dass der Strafrichter die in dem Beschlußformular vorgesehenen Begründungsalternativen durchgestrichen, selbst also keine nach dem Gesetz tragfähige Begründung gesehen hat. Nach Eingang der Akten beim Schöffengericht hat auch der Vorsitzende des Schöffengerichts mit dem damaligen Verteidiger des Revisionsführers und der Staatsanwaltschaft fernmündlich die Frage der Einstellung des Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung nach § 153 a StPO erörtert (Bl. 99 d. A.). Nachdem der Revisionsführer durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 25.04.1994 auch gegenüber dem Schöffengericht die ins Auge gefaßte Verfahrensweise gemäß § 153 a Abs. 2 StPO abgelehnt hat (Bl. 100 d. A.), hat der Vorsitzende des Schöffengerichts die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 16.08.1993 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet (Bl. 101, 102 d. A.). Diese Verfahrensweise zeigt wiederum, dass auch der Vorsitzende des Schöffengerichts eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a Abs. 2 StPO außerhalb der Hauptverhandlung für angemessen erachtet hat. Damit stand auch für ihn bei Eröffnung des Hauptverfahrens fest, dass allenfalls eine Geldstrafe in Betracht kommen würde. Gemäß § 25 Nr. 2 GVG war somit zwingend die Zuständigkeit des Strafrichters vorgeschrieben, da die Bedeutung der Sache nach der Änderung der Vorschrift des § 25 GVG durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 01.03.1993 für die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Strafrichter und Schöffengericht keine Bedeutung mehr hat. Auch die später ausgeworfene Geldstrafe von 15 Tagessätzen, die am absoluten unteren Rand der in Betracht kommenden Geldstrafe liegt, zeigt die Willkür bei der Zuständigkeitsentscheidung auf. Damit ist der Revisionsführer seinem gesetzlichen Richter entzogen worden, worin ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S.2 GG zu sehen ist ....“

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und macht sie zur Vermeidung von Wiederholungen zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Ergänzend wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 21. April 1994 - 4 StR 136/94 - verwiesen, dessen Grundsätze auch für die vorliegende Sache gelten, weil der Strafrichter und das Schöffengericht beim Amtsgericht Gerichte verschiedener Ordnung sind (BGHSt 19, 177, 178).
Das Urteil war danach aufzuheben. Auf die weiter erhobenen Verfahrensrügen und auf die angebrachte Sachrüge kam es nicht mehr an. Gemäß § 355 StPO war die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.
Der Strafrichter wird auch über die Kosten der Revision zu befinden haben, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO bisher nicht feststeht.


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