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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 389/93 OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufklärungsrüge, Indizien, Beweiswürdigung, nicht ausreichende tatsächliche Feststellungen

Normen: StPO 267, StGB 263


Beschluss: Strafsache gegen H.H. wegen Betruges.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft liegen das Urteil der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 22. Dezember 1992 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 28. 07.1993, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht, Richter am Oberlandesgericht als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt ls Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fortgesetzten Betruges zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30,-- DM verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer diesen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil bezog der Angeklagte im Zeitraum vom 2. Januar 1984 bis zum 14. Oktober 1986 - mit Ausnahme der Zeiträume vom 9. bis 15. Januar, 13. bis 26. Februar und 5. März bis 29. April 1984 - vom Arbeitsamt Hamm Arbeitslosenhilfe in Höhe von insgesamt 20.381,36 DM. Während dieses Zeitraums war er beim Zeugen R., dem Inhaber eines Taxiunternehmens in Hamm, teils als Fahrer, teils als Funker tätig. Er legte dem Arbeitsamt Bescheinigungen über Nebeneinkommen vor, die monatliche Bruttoentgelte zwischen 75,-- DM und 350,-- DM auswiesen. Diese Bescheinigungen sollen falsch gewesen sein. Tatsächlich soll der Angeklagte eine Voll7,eitbeschäftigung mit jeweils mehr als 19 Wochenstunden ausgeübt, deswegen die Arbeitslosenhilfe zu Unrecht bezogen und sich dadurch des fortgesetzten Betruges schuldig gemacht haben.
Nach der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts war mit den ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln, die es in vollem Umfang ausgeschöpft habe, dem Angeklagten nicht zu beweisen, dass dieser entgegen den vorgelegten Bescheinigungen wöchentlich mehr als 19 Stunden gearbeitet hat. Mit ihrer dagegen gerichteten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft das Verfahren und die Beweiswürdigung auch als sachlich-rechtlich fehlerhaft.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht weist die Generalstaatsanwaltschaft auf folgendes zutreffend hin:

a) Nach der beim Arbeitsamt Hamm am 29. Oktober 1986 eingegangenen Bescheinigung vom 28. Oktober 1986 über Nebeneinkommen (Fotokopie davon Bd. I Bl. 98 d.A.).betrug das Arbeitsentgelt des Angeklagten im Zeitraum vom 1. bis zum 14. Oktober 1986 für 18 Arbeitsstunden 90,-- DM. Andererseits ist für denselben Zeitraum eine Verdienstabrechnung vorhanden, die einen Lohn des Angeklagten Über 960,-- DM zuzüglich eines Nachtstundenzuschlags von 93,42 DM für 18 Stunden je 5,19 DM ausweist. Das Original dieser Verdienstabrechnung (Fotokopie davon Bd. II Bl. 137 d.A.) befindet sich in einem dem Senat vorliegenden, bei der Firma Taxi R. am 20. November 1986 beschlagnahmten Ordner mit der Bezeichnung "Personalakte“. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vor dem Berufungsgericht vom 17. Dezember 1992 (Bd. II Bl. 78 d.A.) sind u.a. "die Personalakten H." mit dem Zeugen R. und den Verfahrensbeteiligten erörtert worden. Mit ihrer insoweit erhobenen zulässigen Aufklärungsrüge beanstandet die Revision zu Recht, dass die Strafkammer zum Vorhandensein dieser inhaltlich abweichenden Unterlagen Feststellungen hätte treffen und sich damit im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandersetzen müssen.

b) Die Strafkammer habe, so macht die Revision weiter geltend, ein weiteres Indiz unberücksichtigt gelassen, das für einen unberechtigten Bezug des Angeklagten von Arbeitslosenhilfe zumindest für den Monat Oktober 1986 sprechen könne. Der Zeuge R.soll nämlich, wovon im angefochtenen Urteils nichts steht, nach der am 20. November 1986 erfolgten Durchsuchung seiner Geschäftsräume die von ihm damals beschäftigten 16 Aushilfskräfte - darunter auch den Angeklagten - nachträglich und rückwirkend als Vollzeitkräfte bei der AOK angemeldet haben. Dazu hatte bereits der in erster Instanz als Zeuge vernommene Mitarbeiter des Arbeitsamts Hamm, VOAR N. (Vermerk vom 18. April 1987 in Bd. I Bl. 41, 45 d.A.; Hauptverhandlungsprotokoll vom 21. Oktober 1988 Bd. I Bl. 151, 154 d.A.) vermerkt, im Zusammenhang mit der Durchsuchung und Beschlagnahme bei der Fa. R. am 20.11.86 habe der Betrieb rückwirkend zunächst ab 01.11.86 7 Beschäftigte, die beim Arbeitsamt Leistungen bezogen, bei der AOK Hamm zusätzlich zur Sozialversicherung angemeldet. Die Anmeldung sei später auf den 01.10.86 zurückdatiert worden, nachdem durch die zwischenzeitlichen Vernehmungen von Leistungsempfängern durch die Staatsanwaltschaft offenbar geworden war, dass bei dem beschlagnahmten Material auch die bekannten Fahreraufzeichnungen für Oktober 1986 vorhanden gewesen seien. Dazu ist den Gründen des angefochtenen Urteils nichts zu entnehmen. Auch insoweit vermißt die Staatsanwaltschaft mit ihrer Aufklärungsrüge zu Recht tatrichterliche Feststellungen dazu und eine Auseinandersetzung damit. Es liegt zwar in der ausschließlichen Verantwortung des Tatrichters, ob er die von der Staatsanwaltschaft gewünschten Rückschlüsse aus der geltend gemachten rückwirkenden Anmeldung des Angeklagten und anderer Beschäftigter zieht. Auseinandersetzen muß sich aber der Tatrichter damit zur Abwendung des Vorwurfs mangelnder Sachaufklärung. Dadurch, dass der Tatrichter dazu keine Feststellungen getroffen hat, hat er zwar dem Vorwurf lückenhafter Beweiswürdigung die Grundlage entzogen. Es bleibt insoweit aber der mit der zulässigen Aufklärungsrüge verfolgbare Vorwurf der mangelnden Sachaufklärung.

2. In sachlich-rechtlicher Hinsicht leidet die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil daran, dass die Strafkammer eine Reihe von Umständen nicht mitteilt und nicht würdigt, die als Indizien in Betracht kommen können und deswegen bei der Gesamtabwägung hätten n Betracht gezogen werden müssen. Insoweit ist die Beweiswürdigung unvollständig, lückenhaft und deswegen rechtsfehlerhaft.

a) Eintragungen in dem vom Zeugen G. geführten Fahrtenbuch werden nur für die Monate Juni und Juli 1985 im Zusammenhang mit damit nicht zu vereinbarenden Aufzeichnungen des Zeugen Lennartz erwähnt (UA 9). Offen bleibt, ob der Zeuge G. ebenfalls Bescheinigungen über Nebeneinkommen erhalten hat und ob die darin angegebenen Stunden mit den Eintragungen in seinem Fahrtenbuch und in den sog. Vormerkbüchern übereinstimmen. Die Beantwortung der Frage, ob und welche Schlüsse daraus auf die Richtigkeit der dem Angeklagten bescheinigten Arbeitsstunden gezogen werden können, bleibt zwar in der ausschließlichen Verantwortung des Tatrichters. Dessen Beweiswürdigung ist aber lückenhaft, soweit er sich mit der beweismäßigen Bedeutung der Eintragungen im Fahrtenbuch des Zeugen G. unter den vorstehend dargelegten Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt hat.

b) Beschlagnahmte, der Anzahl nach den Urteilsgründen nicht zu entnehmende Schichtzettel für die Monate Oktober/November 1986 stimmten bezüglich einiger Fahrer völlig, bezüglich anderer Fahrer teilweise mit Eintragungen im Vormerkkalender 1986 überein (UA 6). Offen bleiben das Verhältnis der völligen zu den nur teilweisen Übereinstimmungen und bei letzteren der Grad der Übereinstimmungen. Je größer die Anzahl und der Grad der Abweichungen ist, desto stärker spricht der in den Urteilsgründen nicht mitgeteilte Inhalt der Schichtzettel dafür, dass die Eintragungen im Vormerkkalender ein äußerst unzuverlässiges Indiz sind. Im umgekehrten Fall ist die Indizwirkung wesentlich höher zu veranschlagen und bei einer Gesamtbeurteilung entsprechend zu berücksichtigen. Deswegen hätte die Strafkammer insoweit nähere Feststellungen treffen und deren Auswirkungen in ihre Gesamtbewertung einbeziehen müssen. Die Beweiswürdigung der Strafkammer, dass den beschlagnahmten Schichtzetteln Oberhaupt keine Indizbedeutung zukomme, weil bezüglich des Angeklagten keine Schichtzettel zu Vergleichszwecken zur Verfügung stehen, ist in dieser zugespitzten Allgemeinheit nicht richtig. Es kommt nämlich hinzu, dass die Urteilsfeststellungen nicht erkennen lassen, ob sich die beschlagnahmten Schichtzettel auch auf solche Fahrer beziehen, denen vom Betrieb des Zeugen R. Bescheinigungen über Nebeneinnahmen ausgestellt worden sind. Wenn und soweit nämlich solche Bescheinigungen mit den beschlagnahmten Schichtzetteln nicht übereinstimmen sollten, kann dies durchaus ein Indiz für die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der in der Zeit davor ausgestellten Bescheinigungen sein. Die Beweiswürdigung der Strafkammer, mit der eine solche Indizwirkung schlechthin ausgeschlossen wird, ist jedenfalls so ebenfalls nicht richtig.

c) Zu vermissen ist auch die Feststellung, wieviele Taxen im Unternehmen des Zeugen R. in den Jahren 1984 bis 1986 eingesetzt und wieviele fest angestellte Mitarbeiter und wieviele Aushilfskräfte in dieser Zeit tätig waren. Von Interesse ist weiter, worüber die Urteilsgründe ebenfalls keine Auskunft geben, ob und wieviele Aushilfskräfte ebenso wie der Angeklagte Bescheinigungen über Nebeneinkommen erhalten haben. Dies bisher nicht mitgeteilte Zahlenmaterial kann nämlich Schlüsse zur Plausibilität der bescheinigten Arbeitsstunden im Verhältnis zu den im Monatsdurchschnitt anfallenden Arbeitsstunden zulassen. Je unwahrscheinlicher danach die in den Bescheinigungen angegeben Stundenzahlen sind, desto stärker kann der Beweiswert der übrigen Indizien sein.
Richtig ist zwar, dass selbst dann, wenn die Zahl der anderen Mitarbeitern bescheinigten Arbeitsstunden nachweisbar falsch ist oder die Gesamtzahl der bescheinigten Arbeitsstunden im Hinblick auf die durchschnittliche Bedarfszahl zu gering sein muß, kein zwingender Beweis für eine Unrichtigkeit der dem Angeklagten bescheinigten Arbeitsstunden sein muß. Dies entbindet den Tatrichter jedoch nicht von der Verpflichtung, in seine Beweiswürdigung alle Indizien einzubeziehen und die dazu erforderlichen Feststellungen zu treffen, die auch die Überzeugung rechtfertigen können, der Angeklagte habe die ihm zur Last gelegten Tathandlungen begangen. Berücksichtigt der Tatrichter in Betracht kommende Indizien nicht und trifft er dazu keine Feststellungen, so begegnet seine Beweiswürdigung durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils auch aus diesem Grunde nötigen.


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