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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1/91 OLG Hamm

Leitsatz: Die Einlassung des Angeklagten muss nicht nur mitgeteilt, sondern auch gewürdigt werden.

Senat: 2

Gegenstand: Revision, Privatklage

Stichworte: Würdigung der Einlassung des Angeklagten, Beweiswürdigung, Privatklage, veweigerte Entbindung eines Schiedsmanns von seiner Schwiegepflicht

Normen: StPO 244, StPo 267

Beschluss: Privatklagesache L.T. - vertreten durch: Rechtsanwälte I,
gegen J.D. - Angeklagten - Verteidiger: Rechtsanwalt B. -
wegen Beleidigung.

Auf die Revision der Privatklägerin vom 23. Januar 1991 gegen das Urteil der XV. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 22. Januar 1991 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 11.11.1991, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richterin am Oberlandesgericht, Richter am Landgericht als beisitzende Richter,
Rechtsanwalt A.,
als Vertreter der Privatklägerin,
Rechtsanwalt B. als Verteidiger des Privatbeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter der Geschäftstelle,
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Privatklägerin wird das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.

Gründe:
Mit dem Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts Dortmund vom 18. Dezember 1989 wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, in Dortmund am 21. August 1989 die Privatklägerin mit den Worten: "Ihr alten faulen Schweine!" beschimpft und damit den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfüllt zu haben. Von diesem Vorwurf hat ihn das Amtsgericht Dortmund durch Urteil vom 2. Februar 1990 freigesprochen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Privatklägerin blieb ohne Erfolg. Die XV. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund hat das Rechtsmittel der Privatklägerin aus tatsächlichen Gründen verworfen, weil nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit habe festgestellt werden können, dass der Angeklagte die Berufungsführerin beleidigt habe.

Dagegen wendet sich die Privatklägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erstrebt. Das form- und fristgerecht begründete Rechtsmittel hat Erfolg.

Zum Tatgeschehen hat das Berufungsgericht konkrete Feststellungen nicht getroffen.
Es hat die Aussage der Privatklägerin, der Angeklagte habe sie zur Tatzeit aufgefordert, aus dem zum Haus gehörenden Garten zu verschwinden, und ihr zugerufen: "Ihr seid alles alte faule Schweine!" dessen bestreitenden Angaben, wonach er den am Toilettenfenster der Wohnung T. stehenden Sohn Martin der Privatklägerin als "faules Schwein" bezeichnet habe, weil dieser in seinem Leben noch nie einer vernünftigen Berufstätigkeit nachgegangen sei, gegenübergestellt und gemeint, es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, weshalb die Angaben des Ehemannes und des Sohnes der Privatklägerin, die deren Aussage bestätigt haben, glaubhafter sein sollten als diejenigen des Angeklagten, zumal sich die Bekundungen der Privatklägerin in einem Punkt als unrichtig erwiesen hätten.

2.) Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Privatklägerin ist begründet. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg, weil die Beweiswürdigung lückenhaft ist.

Auf die erhobene Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 i. V. m. § 384 Abs. 3 StPO kommt es nicht an. Es kann deshalb dahinstehen, ob der behauptete Verfahrensmangel in zulässiger Weise geltend gemacht ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Soweit die unterlassene Zeugenvernehmung des Schiedsmannes L. gerügt ist, ergeben sich Bedenken daraus, dass sich der Revisionsbegründung nichts über die Aufhebung des auch den Schiedsmann betreffenden Beweiserhebungsverbotes gemäß § 54 StPO i.V.m. § 10 a Abs. 3 Satz 2 Schiedsmanns0 NW entnehmen lässt (vgl. KK-Pelchen, 2. Aufl. (1987) § 54 StPO Rdnr. 8, 26; Kleinknecht/Meyer/MeyerGaßner, 40. Aufl. (1991) § 54 StPO Rdnr. 32).

Auf den (angeblich) unterlassenen Vorhalt des Inhalts der Sühnebescheinigung kann die Aufklärungsrüge nicht gestützt werden, weil das Revisionsgericht nicht nachzuprüfen vermag, ob der Tatrichter den Angeklagten mit seiner vom Schiedsmann protokollierten Äußerung konfrontiert hat. Weder dem Protokoll noch den Urteilsgründen lässt sich das Unterlassen des Aufklärungsversuchs entnehmen. Zwar ist ein Vorhalt darin nicht erwähnt, doch lassen sich aus diesem Umstand sichere Schlüsse auf das behauptete Verfahrensversäumnis nicht ziehen. In die Sitzungsniederschrift wird der Vorhalt nicht aufgenommen (Kleinknecht/Meyer/Meyer-Goßner a.a.O. § 249 StPO Rdnr. 28, § 273 StPO Rdnr. 8); das Urteil enthält eine eingehende Darstellung der erhobenen Beweise nicht.

b) Grundsätzlich hat es das Revisionsgericht hinzunehmen, wenn der Tatrichter seine Zweifel am Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Straftatbestandes nicht überwinden kann. Es stellt jedoch einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn der Tatrichter für seine Überzeugungsbildung nicht alles berücksichtigt hat, was ihm der Gesamteindruck der Hauptverhandlung an Erkenntnissen vermittelt hat (vgl. KK-Hürxthal, 2. Aufl. (1987) § 261 StPO Rdnr.,19, 49). Dazu gehören die Äußerungen der Verfahrensbeteiligten ebenso wie deren Weigerung, bei der Aufklärung eines bestimmten Punktes mitzuwirken. Diese Grundsätze gelten auch für den Angeklagten, der sich zur Sache einläßt (vgl. Kleinknecht/ Meyer/Meyer-Gaßner a.a.O. § 261 StPO Rdnr. 17). Wie sich der Angeklagte zum Anklagevorwurf gestellt hat, ist für die Beweiswürdigung naturgemäß von wesentlicher Bedeutung. Seine Einlassung muß nicht nur mitgeteilt, sondern auch gewürdigt werden.

Ausgehend von dem Grundsatz, dass entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine ausreichenden Beweise gibt, vom Richter nicht ohne weiteres als unwiderlegbar der Entscheidung zugrundezulegen sind (BGH NStZ 1983, 133, 134), hätte die Strafkammer auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses wertend darüber befinden - und in den Urteilsgründen darstellen - müssen, ob die Angaben des Angeklagten geeignet gewesen sind, ihre Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH NStZ 1990, 448, 449).

Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen nicht erkennen, dass sich die Kammet dieser Grundsätze bewusst war und sie beachtet hat.
Ob sie überhaupt eine Würdigung der Einlassung des Angeklagten vorgenommen hat, ist schon zweifelhaft. Vor allem ist dem Urteil aber nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht die Weigerung des sich zur Sache äußernden Angeklagten, der Erteilung einer Aussagegenehmigung für den die Güteverhandlung leitenden Schiedsmann L. zuzustimmen (vgl. § 10 a Abs. 3 S. 2 SchiedsmannsO NW in Verbindung mit dem Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts Dortmund vom 2. September 1991, Bl. 119 d. A.), in seine Betrachtung einbezogen hat (vgl. BGHSt 20, 298, 299/300). Ein Angeklagter ist zwar nicht verpflichtet, zur Sache Stellung zu nehmen. Lässt er sich jedoch dazu ein, so macht er sich und sein Prozeßverhalten zum Beweismittel und unterstellt sich damit der freien Beweiswürdigung, so dass seine Erklärungen wie jede andere Beweistatsache vom Tatrichter zu würdigen sind (BGHSt20, 298, 300).

Welche Schlußfolgerungen er daraus zieht, unterliegt nur insoweit der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts, als diese möglich sein müssen, zwingend brauchen sie nicht zu sein. Es ist deshalb - entgegen der Revisionsbegründung - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich das Berufungsgericht aufgrund der Aussagen der Zeugin N. und des Zeugen B. davon überzeugt hat, dass sich die Privatklägerin an einer minutenlangen Beschimpfung beteiligt hat, und daraus folgert, die Aussage der Privatklägerin, die jede Beschimpfung in Abrede stellend lediglich erwidert haben will, das lasse sie sich nicht gefallen, sie werde weitere Schritte unternehmen, sei in diesem Punkt erwiesenermaßen unrichtig.
Wie sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt, hat die Strafkammer auf dem Hintergrund dieses Beweisergebnisses auch die Glaubhaftigkeit der - mit der Aussage der Privatklägerin übereinstimmenden - Bekundungen ihres Ehemannes und ihres Sohnes einschränkend bewertet. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass deren Angaben einzig deshalb kein Beweiswert zugemessen worden sei, weil es sich um "Familienangehörige" handele.

3.) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der an gefochtene Freispruch vom Vorwurf der Beleidigung auf einer nichterschöpfenden Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht beruht.
Die Sache war daher antragsgemäß zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO noch nicht feststeht.


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