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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 235/95 OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafaussetzung zur Bewährung, Verteidigung der Rechtsordnung bei zahlreichen Vorverurteilungen, Festsetzung der Einzelstrafen, Begründung der Gesamtstrafe

Normen: StGB Abs. 3

Beschluss: Strafsache gegen D.B. wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs u.a.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 10. Oktober 1994 gegen das Urteil der XV. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 7. Oktober 1994 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 28.06.1995, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht, Richterin am Landgericht als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es gegen ihn eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis auf Lebenszeit angeordnet.
Die Strafkammer hat durch das angefochtene Urteil die in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Nach den (bindenden) Feststellungen des Amtsgerichts zum Tatgeschehen nahm der Angeklagte, der noch niemals im Besitz einer Fahrerlaubnis war, in der Nacht vom 19. auf den 20. März 1993 erhebliche, im einzelnen nicht mehr feststellbare Mengen alkoholischer Getränke zu sich.

Weiter heißt es im amtsgerichtlichen Urteil:
"Gegen 5.20 Uhr fuhr er mit einem PKW u.a. auf dem Brüderweg in Dortmund in östlicher Richtung. Infolge seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit erkannte er zu spät, dass die Zeugin Giese, die mit einem Kleintransporter vor dem PKW des Angeklagten fuhr, ihr Fahrzeug verkehrsbedingt abbremsen mußte. Der Angeklagte fuhr auf den Transporter auf und beschädigte die Stoßstange. Obwohl der Angeklagte den Unfall bemerkt hatte und auch von der Zeugin zum Verbleiben an der Unfallstelle aufgefordert worden war, entfernte er sich mit dem PKW von der Unfallstelle. Eine bei dem Angeklagten um 7.10 Uhr entnommene Blutprobe enthielt 1,80 Promille Alkohol."

Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hat die Strafkammer im angefochtenen Urteil folgendes ausgeführt:
"Der Zentralregisterauszug des Angeklagten vom 23.08.1994 weist 15 Eintragungen auf. Die meisten Eintragungen beziehen sich auf Straßenverkehrsdelikte.
Am 16.05.1972 wurde er wegen Fahrens ohne Führerschein ermahnt.
Am 25.09.1972 verhängte das Amtsgericht Dortmund gegen ihn wegen Fahrens ohne Führerschein in 5 Fällen 4 Wochen Jugendarrest.
Am 25.06.1973 verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Fahrens ohne Führerschein zu 6 Monaten Jugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung.
Am 17.10.1973 wurde er wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr unter Einbeziehung der zuvor genannten Verurteilung zu einem Jahr Jugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Am 05.02.1975 verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund wegen Fahrens ohne Führerschein in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einem Jahr und 5 Monaten Jugendstrafe. Ein Rest der Strafe wurde nach teilweiser Verbüßung zur Bewährung ausgesetzt und am 26.07.1979 erlassen.
Am 18.11.1977 verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu 4 Monaten Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung. Die Strafe wurde am 21.12.1981 erlassen.
Am 14.06.1989 verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fortgesetzter Urkundenfälschung sowie fortgesetzten Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen in Höhe von je 75,- DM.
Am 22.12.1989 verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit am Steuer, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu 8 Monaten Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung. Nach Teilverbüßung wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis zum 02.04.1995.
Am 04.09.1990 verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 4 Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit am Steuer, zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Ein Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt bis zum 02.04.1995.
Mit Rücksicht auf die mehrfache einschlägige Vorbelastung ist die vom Amtsgericht verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten gerechtfertigt und wird auch von keiner Seite beanstandet. Das gleiche gilt für die lebenslange Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Gemäß § 56 StGB konnte jedoch die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Zwar spricht die Tatsache, dass der Angeklagte Bewährungsversager ist und sich auch in der Vergangenheit mehrfach nicht bewährt hat, gegen Zubilligung von Strafaussetzung zur Bewährung. Aufgrund eines schweren Verkehrsunfalles mit Kopfverletzung, den der Angeklagte in seiner Kindheit erlitten hat, hat das Gericht einen psychiatrischen Sachverständigen hinzugezogen. Der Sachverständige hat ausgeführt, für eine positive Prognose spreche, dass der Angeklagte seit einem Jahr strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und eine Umorientierung in seinem Leben vorgenommen hat. So hat er gute soziale Kontakte zu seiner Lebensgefährtin, eine Ausbildungsstelle, Aussicht auf eine Arbeitsstelle nach Beendigung der Ausbildung, eine eigene Wohnung und eine erhebliche Verminderung seines Alkoholkonsums. Die Erklärung des Angeklagten, er spreche nur noch mäßig dem Alkohol zu, indem er einmal wöchentlich eine Gaststätte aufsuche, um sich mit anderen Personen zu unterhalten, wobei er nur einige Gläser Bier zu sich nehme, hat der Sachverständige für glaubhaft erklärt. Nach Angaben des Sachverständigen ist von besonderer Bedeutung, dass der Angeklagte bereit ist, eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durchzufahren bei Frau Dr. K. in Dortmund. Seine Bereitschaft hierzu hat der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung erklärt. Deshalb ist ihm eine entsprechende Auflage im Bewährungsbeschluß erteilt worden. Der Sachverständige hat sich bereit erklärt, die psychotherapeutische Behandlung bei Frau Dr. K. in die Wege zu leiten."

Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, wendet sich mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen die bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung und beanstandet insoweit, dass die Kammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) nicht für geboten gehalten habe.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Zu Recht ist die Strafkammer - was das Revisionsgericht von Amts wegen zu überprüfen hat - von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen; denn die im Urteil des Amtsgerichts getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch bilden eine ausreichende Grundlage für die vom Berufungsgericht zu treffende Rechtsfolgenentscheidung (vgl. dazu KK-Ruß, StPO, 3. Aufl., § 318 Rdn. 7).

2. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zunächst leidet das Berufungsurteil bereits daran, dass die Strafkammer keine Einzelstrafen ausgeworfen und dementsprechend auch keine Erwägungen zur Strafzumessung für die Einzeltaten angestellt hat. Aus den Entscheidungsgründen eines Urteils muß aber im Hinblick auf die erforderliche Gesamtstrafenbildung als gesondertem Strafzumessungsakt (vgl. Schönke/Schröder/Stree, StGB, 24. Aufl., § 54 Rdn. 18) hervorgehen, welche Einzelstrafen für die verschiedenen Straftaten festgesetzt wurden und welche Strafzumessungsgründe für jede Einzelstrafe maßgebend waren (vgl. Schönke/Schröder/Stree, a.a.O., § 53 Rdn. 11 m.w.N.). Sollte die Strafkammer vorliegend auf dieselben Einzelstrafen wie das Amtsgericht erkannt haben wollen, so hätte es dies in den Urteilsgründen kenntlich machen müssen.

Darüber hinaus mangelt es dem angefochtenen Urteil an einer genügenden Darlegung der Gründe für die Bemessung der Gesamtstrafe. Allein der Hinweis auf "die mehrfache einschlägige Vorbelastung" des Angeklagten ist angesichts der schon bezüglich der Einzelstrafen fehlenden Gegenüberstellung der Zumessungsgesichtspunkte nicht ausreichend, um dem Senat eine Überprüfung der Gesamtstrafenbildung zu ermöglichen.

Schließlich begegnet auch die Zubilligung von Strafaussetzung zur Bewährung durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken. Insoweit kann dahinstehen, ob sich aus den Ausführungen des Landgerichts zu § 56 StGB bereits nicht entnehmen lässt, dass es sich mit der bei der Aussetzung einer 15-monatigen Gesamtfreiheitsstrafe erforderlichen Prüfung der besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB befaßt hat. Denn jedenfalls stellt es - worauf die Revision zutreffend hinweist - einen entscheidenden Mangel dar, dass sich die Strafkammer nicht damit auseinandergesetzt hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet. Zwar besteht zu einer Erörterung dieser Frage nur Anlass, wenn aus dem Urteil ersichtliche Tatsachen dies nahelegen. Ein solcher Fall ist aber angesichts der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und des Bewährungsversagens des Angeklagten vorliegend gegeben (vgl. dazu BGHST 24, 40 ff.; Schönke/Schröder/Stree, a.a.O., § 56 Rdn. 42 m.w.N. und Rdn. 50). Die Beharrlichkeit, mit der der Angeklagte in den vergangenen 23 Jahren (Verkehrs-)Straftaten begangen hat, und das darin zum Ausdruck kommende hartnäckige rechtsmißachtende Verhalten ist eine schwerwiegende Besonderheit dieses Einzelfalls, die die Annahme nahelegt, dass die Strafaussetzung zur Bewährung für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen muß und dadurch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20. Dezember 1994 - 1 StR 688/94 in EWE/BGH 1995, 54 f).

Der in der gänzlich fehlenden Erörterung des Gesichtspunkts der Verteidigung der Rechtsordnung liegende sachlich-rechtliche Fehler erfaßt den gesamten Rechtsfolgenausspruch; denn die aufgrund von charakterlichen Mängeln des Angeklagten angeordnete lebenslange Sperre nach § 69 a Abs. 1 S.3 StGB kann nicht isoliert von der Strafe betrachtet werden (vgl. Kleinknecht/MeyerGoßner, StPO, 42. Aufl., § 318 Rdn. 28).

Das angefochtene Urteil war daher mit den zugrundeliegenden - sich nur noch auf den Rechtsfolgenausspruch beziehenden Feststellungen antragsgemäß aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO). Dieser war auch die Kostenentscheidung vorzubehalten, da der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne des § 473 StPO noch nicht feststeht.


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