Aktenzeichen: 2 Ss OWi 279/93 OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: Owi
Stichworte: Vertreiben von Wertpapieren im Reisegewerbe, Verkauf von Eintrittskarten für Fußballspiel, Gewinn im Sinn der Gewerbeordnung nur mittelbarer oder unmittelbarer Vorteil
Normen: GewO 55, GewO 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a
Beschluss: Bußgeldsache gegen K.L.,
wegen Vertreibens von Wertpapieren (Eintrittskarten für Fußballspiel) im Reisegewerbe.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 15. Dezember 1992 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 24.11.1993 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Frage vorgelegt:
Kann als Gewinn im Sinne der Gewerbeordnung nur ein unmittelbarer oder mittelbarer Vorteil angesehen werden, der letztlich zu einem Überschuß über die eigenen Aufwendungen führt (so OLG Stuttgart in GewArch 1985, 194 und in GewArch 1988, 330, 331, insoweit in NStZ 1988, 508 nicht abgedruckt), so dass der Bußgeldtatbestand des Vertreibens von Wertpapieren im Reisegewerbe (§ 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) i.V.m. § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h) GewO) hinsichtlich des ausfallenden Merkmals der Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 GewO beim beabsichtigten Verkauf einer größeren Menge von Eintrittskarten für ein Fußballspiel unmittelbar vor dem Stadion ohne Aufschlag auf den Einstandspreis ausscheidet, oder reicht zur Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht als Ausdruck gewerblicher Betätigung ein Verkauf zum Einstandspreis oder selbst darunter aus, wenn dadurch ein drohender Verlust als typische Folge eines mit dem Handel von Eintrittskarten verbundenen Spekulationsrisikos so gering wie möglich gehalten werden soll?
Gründe:
Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die §§ 56 Abs. 1 Nr. 1 h, 145 Abs. 2 Nr. 2 GewO zu einer Geldbuße von 1.500 DM verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Betroffene seit dem 3. Juli 1991 in Essen ein beim dortigen Oberstadtdirektor angemeldetes stehendes Gewerbe für den Einzelhandel mit Eintrittskarten. Am 6. Juni 1991 begab er sich mit "ca. 220 (UA 5) Eintrittskarten zum Westfalenstadion in Dortmund, wo an jenem Abend das Fußballspiel Borussia Dortmund gegen 1. FC Köln ausgetragen werden sollte. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe müßten es eigentlich 231 Eintrittskarten gewesen sein. Gegen 17.15 Uhr wurde er dort von Polizeibeamten beobachtet, als er in seinem Fahrzeug saß und Eintrittskarten sortierte. Nach einer Überprüfung wurde er darauf hingewiesen, dass der Verkauf der Karten vor und im Stadionbereich unzulässig sei. Kurz danach nahm er Kontakt mit dem Zeugen H. auf. Nach 18.20 Uhr nahm der Zeuge mit mehreren, mindestens fünf Personen Kontakt im Umfeld des Stadions auf und übergab diesen Eintrittskarten gegen Bargeld. Nach jedem Verkauf begab sich der Zeuge zum Betroffenen, der vor den Kassenhäuschen sich hin- und herbewegte, und übergab diesem das jeweils zuvor von den Kunden erhaltene Bargeld. Bei der anschließenden Überprüfung wurden beim Betroffenen 810 DM Bargeld sowie 69 Eintrittskarten, beim Zeugen H. 157 Eintrittskarten gefunden. Bei dem Bargeld handelte es sich zumindest um einen Teil des vom Zeugen H. abgelieferten Geldes. Wegen seines beschriebenen Verhaltens ist der Zeuge H. durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Dortmund zu einer Geldbuße von 300 DM verurteilt worden.
Mit seiner rechtzeitigen und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts mit näheren Ausführungen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Der Senat hält das Rechtsmittel jedenfalls im Ergebnis für nicht begründet. An einer dahingehenden Entscheidung sieht er sich ohne Beantwortung der Vorlegungsfrage durch den Bundesgerichtshof gehindert.
Nach § 145 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) GewO handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig Waren im Reisegewerbe entgegen § 56 Abs. 1 Nr. 1 desselben Gesetzes vertreibt. Verboten ist nach Buchst. h) der letzteren Vorschrift der Vertrieb von Wertpapieren im Reisegewerbe.
Unter den Rechtsbegriff der Wertpapiere im Sinne dieser klaren und eindeutigen Bußgeldnorm fallen nach allgemeiner Auffassung auch Eintrittskarten für Veranstaltungen sportlicher oder künstlerischer Art als sog. kleine Inhaberpapiere im Sinne von § 807 BGB (sehr eingehend dazu aus Anlass des Verkaufs von Eintrittskarten vor dem Olympiastadion in München für ein Fußballspiel zu den Einstandspreis erheblich übersteigenden höheren Preisen Bay0bLG in einem Beschluss vom 27. Februar 1979 in GewArch 1979, 167 ff; dem folgend OLG Stuttgart in GewArch 1988, 330, 331, insoweit in NStZ 1988, 508 nicht abgedruckt; Ambs in Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 96. Erg.Lfg. Anm. 6 zu § 56 GewO; Sieg/Leifermann/ Tettinger, GewO, 5. Aufl. (1988) Rdnr. 9 zu § 56; schon vorher Fröhler/Kormann, GewO (1978), Rdnr. 10 zu § 56 und Bayer. VGH im Urteil vom 14. Februar 1978 in NJW 1978, 2052 GewArch 1978, 293, wonach das öffentliche Anbieten einer größeren Zahl von Eintrittskarten zur Fußballweltmeisterschaft in der Schalterhalle des Hauptbahnhofes München zu einem überhöhten Preis als Vertrieb von Wertpapieren im Reisegewerbe verboten ist; unter Hinweis darauf ebenso Kahl in Landmann/Rohmer, GewO, 14. Aufl. (1987), Rdnr. 12 zu § 145). Diese Auslegung verstößt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Ob der Gesetzgeber bei der Festlegung eines gesetzlichen Tatbestandes sich eines Begriffs bedient, der einen Kreis von Sachverhalten deckt oder eng umschriebene Tatbestandsmerkmale aufstellt, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen (BVerfGE 21, 73, 79 = NJW 1967, 619). Die grundsätzliche Zulässigkeit der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe entbindet ihn zwar nicht davon, die Vorschrift so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justiabilität entspricht (BVerfG wie zuvor). Allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Rechtsnorm nimmt ihr aber noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich eine am Sinn und Zweck der Norm orientierte und auch mit sonstigen Auslegungsregeln im Einklang stehende einheitliche Auslegung herausgebildet hat.
Wer in eigener Person eine Ware feilbietet, vertreibt sie im Sinne der Legaldefinition des § 55 Abs. 1 Nr. 1 GewO. Diese Voraussetzungen hat der Tatrichter darin erblickt, dass der Betroffene die Wertpapiere veräußert habe. Dem Umstand, dass der Betroffene den Verkaufsvorgang mit den Abnehmern nicht selbst durchgeführt hat, sondern dies der Zeuge H. getan hat, hat der Tatrichter angesichts des zu seiner Überzeugung feststehenden bewußten und gewollten Zusammenwirkens des Betroffenen und des Zeugen bei der Veräußerung keine der Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes entgegenstehende Bedeutung beigemessen, weil sich der Betroffene die unmittelbar vom Zeugen H. durchgeführten Veräußerungen als eigene zurechnen lassen müsse. Sollten diese Ausführungen im Sinne einer mittelbaren Täterschaft gemeint sein, wäre dem Tatrichter zwar nicht zu folgen, weil es sich wegen des Merkmals "in eigener Person" um ein eigenhändiges Delikt handelt, bei dem eine mittelbare Täterschaft ausgeschlossen ist (so zutreffend OLG Karlsruhe in GewArch 1990, 20 und im Anschluß daran Ambs in Erbs/Kohlhaas, a.a.O. Anm. 8 zu § 55 GewO). Ersichtlich meint aber der Tatrichter eine vorsätzliche Beteiligung des Betroffenen im Sinne des §14 OWiG an dem vorsätzlichen Verstoß des Zeugen. Eine solche Beteiligung wird durch die tatrichterlichen Feststellungen zur Rolle des Zeugen und zu dessen Verurteilung ausreichend ausgewiesen.
Ergänzend ist anzumerken, dass das Merkmal des Feilbietens nicht erfordert, dass es auch zum Abschluß eines Kaufvertrages kommt (Erbs/Kohlhaas, a.a.O. Anm. 9 zu § 55 GewO); es genügt vielmehr, dass die Ware mitgeführt, vorgezeigt und zugänglich gemacht wird und die Verkäuflichkeit der Ware aus den Umständen deutlich erkennbar wird. Insoweit ist das Merkmal des Feilbietens in eigener Person bezüglich der 69 Eintrittskarten als erfüllt anzusehen, die der Betroffene selbst bei sich hatte und die später bei ihm gefunden worden sind.
Der beabsichtigte Verkauf einer größeren Menge (bis zu 231) von Eintrittskarten für ein alsbald beginnendes Fußballspiel unmittelbar vor dem Stadion stellt sich als Betrieb eines Reisegewerbes im Sinne des § 55 Abs. 1 GewO auch insoweit dar, als dies nach der Legaldefinition gewerbsmäßig geschehen muß. Zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit reicht es aus, dass die Tätigkeit fortgesetzt, in Wiederholungsabsicht und zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (OVG Frankfurt in GewArch 1992, 400). Diese Voraussetzungen sind beim beabsichtigten Verkauf von mehreren Eintrittskarten für eine Sportveranstaltung an einem Tag zu einem den regulären Verkaufspreis um ein Vielfaches übersteigenden Preis anerkanntermaßen erfüllt (Bayer. VGH und Bay0bLG wie zuvor) und entspricht auch den allgemeinen Vorstellungen von Gewerbsmäßigkeit, worunter die planmäßige und dauernd auf die Erzielung eines nicht nur vorübergehenden Gewinns gerichtete Tätigkeit verstanden wird.
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils legen die Annahme nahe, dass das Ziel des Betroffenen der Verkauf der Eintrittskarten zu einem Überpreis war. Die mitgeteilte Einlassung des Betroffenen, er habe die ca. 220 Eintrittskarten nicht mehr rechtzeitig im Rahmen seines stehenden Gewerbes verkaufen können und sich damit zum Stadion begeben, um sie an den Kassenhäuschen bzw. auf der Geschäftsstelle zurückzugeben, hat der Tatrichter ohne Rechtsfehler als widerlegt erachtet und seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass der Betroffene grundsätzlich gewillt gewesen sei, diese erhebliche Menge an Eintrittskarten bei sich bietender Gelegenheit zu verkaufen. Obwohl sich aus dieser Sicht die Annahme aufdrängt, dass das erfahrungsgemäß übliche Ziel des Betroffenen der Verkauf der Eintrittskarten zu überhöhten Preisen war, hat der Tatrichter dahingehende Feststellungen letztlich nicht getroffen. Obwohl er die planmäßige Funktionsteilung zwischen dem Betroffenen und dem die Veräußerungsvorgänge durchführenden Zeugen H. gegen die Bewertung des Vorgangs als reine Bagatellsache und als nur dazu gedacht, mögliche Verluste auszugleichen, qualifiziert hat, hat er sich ersichtlich zu betragsmäßig faßbaren Feststellungen dazu nicht in der Lage gesehen, welche Preise der Betroffene erzielt und erstrebt hat. Abgesehen davon, dass das angefochtene Urteil, wie die Verteidigung zutreffend ausführt, Feststellungen zu der Frage vermissen lässt, ob das am Tattag ausgetragene Fußballspiel ausverkauft oder nicht ausverkauft war, könnte dieser nachträglich nur sehr schwer und mit unvertretbaren Aufwendungen feststellbare Umstand allenfalls Vermutungen bezüglich eines rasanten oder andererseits schleppenden Absatzes zu Ober- bzw. Unterpreisen rechtfertigen. Da der Tatrichter Feststellungen auf der Grundlage solcher Spekulationen nicht getroffen hat, muß der Senat von der in der Rechtsbeschwerdebegründung aufgezeigten Möglichkeit ausgehen, dass der Betroffene die Eintrittskarten im Rahmen seines stehenden Gewerbes erworben hat, was der Tatrichter weder ausdrücklich noch stillschweigend als ausgeschlossen gewertet hat, und der Betroffene die Eintrittskarten zum Einstandspreis oder gar darunter verkauft hat und verkaufen wollte, um dadurch einen sonst drohenden Verlust als typische Folge eines mit dem Handel von Eintrittskarten verbundenen Spekulationsrisikos so gering wie möglich zu halten.
Der Senat schließt sich zwar ausdrücklich der Auffassung an, dass der Oberbegriff der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 GewO den Zweck der Gewinnerzielung einschließt. Er ist jedoch der Auffassung, dass der Begriff des Gewinns gewissermaßen relativer Natur ist und auch die Vermeidung sonst höherer Verluste einschließt. Diese Auffassung deckt sich vor allem mit derjenigen im Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 25. September 1967 in BB 1967, 1224), wonach auch die Abdeckung der bei einem Bau entstandenen Schulden zu einem Gewinn führt.
Demgegenüber kann nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart (im Beschluss vom 15. Oktober 1984 in GewArch 1985, 194 und vom 18. Mai 1988 in GewArch 1988, 330 = teilweise in NStZ 1988, 508 und insoweit dort nicht abgedruckt) als Gewinn im Sinne der Gewerbeordnung nur ein mittelbarer oder unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil angesehen werden, der letztlich zu einem nennenswerten Überschuß über die eigenen Aufwendungen führt. Diese Auffassung hält der Senat für zu eng und mit der oben bezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht für vereinbar. Da der Senat aus den dargelegten Gründen die eindeutige tatrichterliche Feststellung eines Verkaufs der Eintrittskarten über dem Einstandspreis im Sinne eines vom Oberlandesgericht Stuttgart so formulierten erforderlichen Überschusses den vorliegenden Urteilsausführungen nicht entnehmen kann, müsste er vom Standpunkt des Oberlandesgerichts Stuttgart insbesondere im Hinblick auf die einen vergleichbaren Sachverhalt betreffende letzte Entscheidung den Betroffenen freisprechen. Ein solches Ergebnis würde dem deutlich erkennbaren Ziel der Gewerbeordnung widersprechen, das sich vereinfacht mit den Worten zusammenfassen lässt, mit denen die Polizeibeamten den Betroffenen dahingehend belehrt haben, dass der Verkauf von Eintrittskarten vor und im Stadionbereich unzulässig sei. Deswegen legt der Senat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die in der Beschlußformel formulierte Frage vor.
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