Aktenzeichen: 2 Ss OWi 472/94 OLG Hamm
Senat: 2
Gegenstand: OWi
Stichworte: Belästigung der Allgemeinheit, Geldbuße, Berücksichtigung aller Umstände, Geldbuße durch Senat, Landesimmissionsschutzgesetz, Nachtatverhalten, Unverhältnismäßigkeit
Normen: OWiG 118
Beschluss: Bußgeldsache gegen M.G.,
wegen Belästigung der Allgemeinheit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 31. Januar 1994 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26.05.1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht sowie den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Geldbuße auf DM 200 herabgesetzt wird.
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene, jedoch wird die Gebühr um 1/4 ermäßigt. In diesem Umfang fallen auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren der Staatskasse zur Last.
Gründe:
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 OWiG) eine Geldbuße in Höhe von 400 DM festgesetzt.
In den Gründen des Urteils heißt es wie folgt:
"Am 16. Juni 1993, morgens gegen 4.50 Uhr, randalierte, tobte und schrie der Betroffene im Empfangsbereich des Kurler Krankenhauses herum, weil der diensthabende Arzt ihn nicht behandeln wollte. Auch spuckte er gegen die Scheibe des Aufnahmeschalters. Als die vom Arzt herbeigerufenen Polizeibeamten, die Zeugen PHM H. und PHM K., eintrafen, schrie er weiter laut herum. Sein Freund, der Zeuge S., versuchte vergeblich, ihn zu beruhigen. Die Polizeibeamten forderten ihn auf, die an der Scheibe herunterlaufende Spucke abzuwischen und das Krankenhaus zu verlassen, weil die Patienten in ihrer Nachtruhe gestört wurden. Der Betroffene folgte der Aufforderung und rief den Beamten beim Einsteigen in das auf ihn wartende Taxi-zu: "Ihr würdet mich auch lieber verbrennen. Ich wünsche noch einen Weltkrieg und dass alle Deutschen vernichtet werden!"
Die gegen das Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet, offensichtlich unbegründet. Die Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gem. § 118 OWiG lässt jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen, § 79 Abs. 3 i.V.m. § 349 Abs. 3 StPO. Den hierzu gemachten Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft pflichtet der Senat somit im Ergebnis bei. Zwar ist dem Rechtsbeschwerdeführer zuzugeben, dass die Anwendung des § 118 OWiG speziellen Landesgesetzen nachrangig ist. Auch hat der Betroffene durch die zugleich mit der Belästigung der Allgemeinheit begangene Ruhestörung den hier einschlägigen § 9 Abs. 1 des Landes-Imissionsschutzgesetzes NRW erfüllt. Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft hat sich der Betroffene i.S. dieser Vorschrift "betätigt", da nach der ständigen Rechtsprechung und Literatur (vgl. die Nachweise im Beschluss des OLG Düsseldorf vom 11. April 1983 - 5 Ss OWi 105/83 - 117/83 I in NVwZ 1984, Seite 197 und Boisseree-Oels-Hansmann, Bd. I, Imissionsschutzrecht, 3. Aufl., Stand August 1993, § 9, Erläuterung 1.2) auch das nächtliche laute Randalieren unter "Betätigen" fällt. Die Nichtanwendung dieser Bestimmung belastet den Rechtsbeschwerdeführer jedoch nicht, da § 17 Abs. 3 Landes-Imissionsschutzgesetz, der eine Geldbuße bis zu 10.000 DM vorsieht, im Vergleich zu § 17 Abs. 1 OWiG einen höheren Bußgeldrahmen eröffnet.
In Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft ist der Senat aber der Auffassung, dass der Ausspruch über das Bußgeld im Ergebnis keinen Bestand haben kann.
Zwar teilt der Senat nicht die Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, die gegenüber den Polizeibeamten getätigte beleidigende Äußerung habe, weil sie nicht Gegenstand des Bußgeldbescheides gewesen sei, bei den Zumessungserwägungen keine Berücksichtigung finden dürfen. Unabhängig von der Frage nämlich, was Gegenstand des Bußgeldbescheides gewesen ist, ist anerkannt, dass für die Bemessung der Geldbuße im Einzelfall auch sonstige Umstände, die nicht unmittelbar mit der Ordnungswidrigkeit zusammenhängen, von Bedeutung sein können, so z.B. das Verhalten des Täters nach der Ordnungswidrigkeit (vgl. Göhler, OWiG, 9. Aufl., § 17 Rn. 26, 26 a bis f, für die entsprechende Anwendung des § 46 StGB, soweit es für den Vorwurf, der den Betroffenen trifft, von Bedeutung ist Karlsruher Kommentar, OWiG, § 17 Rn. 33; zum Nachtatverhalten als Strafzumessungsfaktor vgl. auch Schönke/ Schröder-Stree, StGB, 24. Aufl., § 46 Rn. 39 m.z.w.N.).
Der Ausspruch über die Rechtsfolgen ist jedoch deshalb abzuändern, weil die als Pflichtenmahnung festgesetzte Geldbuße, deren Höhe ersichtlich durch das Nachtatverhalten wesentlich beeinflußt war, zu der Bedeutung der festgestellten Ordnungswidrigkeit außer Verhältnis steht (vgl. auch hierzu Göhler a.a.O., Rn. 26 a). Die von dem Amtsrichter angestellten Erwägungen erwecken nämlich den Eindruck, dass das beleidigende Verhalten des Betroffenen gegenüber den Polizeibeamten nicht als ein die Täterpersönlichkeit erhellendes, dessen Einstellung zu der Ordnungswidrigkeit kennzeichnendes Verhalten und somit als einer von mehreren Faktoren innerhalb einer Gesamtwürdigung gewertet wurde, sondern als bestimmendes Kriterium für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße herangezogen worden ist.
Der Senat hat deshalb den Ausspruch über die Rechtsfolgen nicht bestehen lassen.
Unter Berücksichtigung der vom Amtsgericht festgestellten Gesamtumstände der begangenen Ordnungswidrigkeit, des besonderen Ekel hervorrufenden Verhalten des Betroffenen, der verbalen Attacken gegenüber den Polizeibeamten erscheint auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht unerheblich alkoholisiert war, die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 200 DM tat- und schuldangemessen. Der Senat hat deshalb auf diesen Geldbetrag selbst erkannt, weil eine neuerliche Hauptverhandlung insoweit ergänzende Gesichtspunkte nicht erbringen dürfte, § 79 Abs. 6 OWiG.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 4 StPO, 46 OWiG.
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