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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 408/2000 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Im Bußgeldverfahren kann der Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt werden.
2. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung muss das tatrichterliche Urteil zumindest Angaben zur Messmethode und zu einem ggf. vorgenommenen Toleranzabzug enthalten.

Senat: 2

Gegenstand: OWi-Verfahren

Stichworte: Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid, ausreichende Feststellungen bei Geschwindigkeitsüberschreitung, Angabe der Messmethode, Toleranzabzug

Normen: OWiG 67, StPO 267, StVO 3

Beschluss: Bußgeldsache gegen F.H. wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 1. Februar 2000 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
I. Durch Bußgeldbescheid der Stadt Bochum vom 6. Oktober 1999 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 45 km/h ein Geldbuße von 200,00 DM festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein, den er in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Das Amtsgericht, das diese Beschränkung als wirksam angesehen hat, hat den Betroffenen "wegen fahrlässiger Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 II, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG zu einem Bußgeld von 200,00 DM verurteilt" und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Bei der Verurteilung ist das Amtsgericht von folgendem rechtkräftig feststehenden Sachverhalt ausgegangen:

"Der Betroffene befuhr am 08.07.1999 gegen 17.58 Uhr mit dem Pkw der Marke VW, amtliches Kennzeichen BO-EH 1096, in Bochum den Donezk-Ring/Essener Straße. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dort durch entsprechende Verkehrsschilder auf 70 km/h begrenzt. Zur Tatzeit befuhr der Betroffene diese Strecke mit einer toleranzbereinigten Geschwindigkeit von 115 km/h. Mithin betrug die Geschwindigkeitsüberschreitung auf dieser außerorts gelegenen Strecke 45 km/h.

Diese Umstände hätte der Betroffene erkennen können und müssen."

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die materielle Rüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung bislang nicht.

1. Zutreffend ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, dass es grundsätzlich zulässig ist, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen zu beschränken. Nach der seit dem 1. März 1998 geltenden (Neu)Regelung in § 67 Abs. 2 OWiG kann ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Diese Möglichkeit ist vom Gesetzgeber nicht beschränkt, so dass damit auch eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen möglich ist. Der Senat schließt sich somit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur an (vgl. BayObLG NZV 1999, 51 = VRS 96, 47; OLG Celle NdsRPfl. 1999, 347; Katholnigg NJW 1998, 568, 570). Die zu dieser Frage nur - soweit ersichtlich - von Göhler (OWiG, 12. Aufl., 1998, § 67 OWiG Rn. 34c ff.) vertretene abweichende Ansicht vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Es ist kein Grund erkennbar, warum der Betroffene nicht den "Schuldspruch" des von der Verwaltungsbehörde gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheides akzeptieren können soll, die festgesetzten Rechtsfolgen hingegen nicht mit der Folge, dass er sich mit seinem Einspruch nur noch gegen diese wenden will. Gegen die Auffassung von Göhler sprechen zudem auch Gründe der Verfahrensvereinfachung (so wohl auch BayObLG, a.a.O.).

2. Die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen ist jedoch nur dann wirksam, wenn im Bußgeldbescheid ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen werden, die den - nach Auffassung des Amtsgerichts rechtkräftigen - Schuldspruch tragen. Insoweit gelten die im Strafverfahren für die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß geltenden Grundsätze entsprechend (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 318 StPO Rn. 16 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ob die "Feststellungen" des Bußgeldbescheides vorliegend die Verurteilung des Betroffene tragen, kann dahinstehen. Insoweit merkt der Senat nur an, dass sich dem Bußgeldbescheid zumindest nicht unmittelbar entnehmen lässt, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts oder außerorts begangen worden ist. Erst aus der festgesetzten Sanktion: 200,-- DM Geldbuße und Fahrverbot von einem Monat, folgt in Zusammenhang mit der festgestellten Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung und der Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung offenbar außerhalb geschlossener Ortschaft begangen hat.

Ob das ausreichend ist, braucht der Senat indes nicht zu entscheiden. Denn der vom Amtsgericht der Verurteilung des Betroffenen als "rechtskräftig feststehend" zugrunde gelegte Sachverhalt weist eine Lücke auf, die auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört, dass er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der eingehaltenen Geschwindigkeit angewandte Messmethode mitteilt und darüber hinaus darlegt, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse in NZV 1995, 118 = VRS 88, 307; ZAP EN-Nr. 890/95 = NStZ-RR 1996, 51; DAR 1998, 281 = MDR 1998, 901 = VRS 95, 293 = VM 1998, 84 (Nr. 104); zuletzt Senat im Beschl. v. 24. März 2000 - 2 Ss OWi 267/2000, , mit weiteren Nachweisen; siehe auch OLG Hamm NStZ 1990, 546; grundlegend BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; wegen weiterer Nachweise aus der obergerichtlichen Rechtsprechung Göhler, a.a.O., § 71 Rn. 43 f.).

Dem werden die "Feststellungen" des amtsgerichtlichen Urteils vorliegend nicht gerecht. Der Tatrichter teilt lediglich mit, dass der Betroffene die von ihm befahrene Strecke mit einer "toleranzbereinigten Geschwindigkeit" befahren habe. Feststellungen über die Höhe der "Toleranzbereinigung" und über das angewandte Messverfahren enthält das angefochtene Urteil jedoch nicht.

Ohne diese Angaben kann aber das Rechtsbeschwerdegericht nicht beurteilen, ob die vom Tatrichter verhängten Rechtsfolgen zutreffend festgesetzt worden sind. Diese hängen nach der Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog entscheidend vom Maß der vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung ab. Dies bestimmt sich wiederum nach der Höhe des jeweiligen Toleranzabzugs, der z.B. bei einer im Wege der Lasermessung ermittelten Geschwindigkeit niedriger ist als bei der durch Nachfahren ermittelten. Vorliegend hat die toleranzbereinigte Geschwindigkeit des Betroffenen 115 km/h und das Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung 45 km/h betragen. Damit liegt die Überschreitung nur 4 km/h über der Grenze der lfd. Nr. 3a3.3. der bereits erwähnten Tabelle 1. Das bedeutet, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass bei ggf. falscher Kombination von Messmethode und Toleranzabzug, was der Senat nicht überprüfen kann, möglicherweise ein Fahrverbot gegen den Betroffenen festgesetzt worden ist, was bei richtiger Kombination nicht hätte festgesetzt werden dürfen.

Nach allem sind damit weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.

III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin: Die vom Amtsgericht festgesetzten Rechtsfolgen sind nach den bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigen die ständige Rechtsprechung des Senats. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das tatrichterliche Urteil keine ausdrücklichen Ausführungen zu einem sog. "Augenblicksversagen" im Sinn der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHSt 43, 241) enthält. Abgesehen davon, dass der Betroffene sich auf ein solches Augenblicksversagen ersichtlich nicht berufen hat, lässt sich der Formulierung im angefochtenen Urteil: "durch entsprechende Verkehrsschilder", entnehmen, dass offenbar mehrere Verkehrsschilder auf die Geschwindigkeitsbeschränkung hingewiesen haben und damit der Verkehrsverstoß nicht nur auf einfacher Nachlässigkeit beruht. Zutreffend ist es auch, wenn das Amtsgericht aufgrund der bisherigen Feststellungen davon ausgegangen ist, dass der Betroffene die beruflichen Schwierigkeiten als selbstverschuldet hinzunehmen hat.


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