Aktenzeichen: 4 Ws 112/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Die Nichtbescheidung eines rechtzeitig vor der Berufungshauptverhandlung gestellten Antrags auf Fahrtkostenhilfe kann ausnahmsweise das Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung entschuldigen.
Senat: 4
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Versäumung der Berufungshauptverhandlung, Verwerfung der Berufung wegen Ausbleiben des Angeklagten, dessen Antrag auf Fahrtkostenhilfe nicht beschieden worden ist
Normen: StPO 329
Beschluss: Strafsache gegen E.G.
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen,
(hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 4. Februar 2000 gegen den Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 26. Januar 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Betroffenen wird auf seine Kosten (_473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 8. November 1999 gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
Dem Angeklagten ist durch den angefochtenen Beschluss die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 8. November 1999 versagt worden.
Der Vorsitzende der 4. Strafkammer des Landgerichts Münster hat mit Verfügung vom 19. Oktober 1999 die Berufungshauptverhandlung auf den 8. November 1999, 11.00 Uhr, bestimmt. Die entsprechende Ladung ist dem Angeklagten durch Niederlegung bei dem Postamt Beckum am 231. Oktober 1999 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1999, beim Landgericht Münster eingegangen am 3. November 1999, hat der Angeklagte "Anwalts- und Fahrtkostenhilfe" beantragt. Er hat ausgeführt, er könne die Kosten nicht bestreiten. Er bekomme ca. 1.000,- DM an monatlicher Arbeitslosenhilfe, müsse 500,- DM monatlich Miete zahlen und werde "per Lohn bzw. Konto" gepfändet. Dem Antrag hat er den Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes Ahlen vom 12. Oktober 1999 beigefügt, nach dem er einen wöchentlichen Leistungsbetrag von 243,60 DM erhält. Außerdem hat er seinem Vorbringen ein Forderungsschreiben eines Rechtsanwalts beigelegt, durch das gegen ihn ein Vollstreckungstitel in Höhe von 13.738,25 DM geltend gemacht wird. Das Schreiben enthält die Aufforderung, auf den Vollstreckungstitel monatliche Teilbeträge von 30,- DM zu leisten.
Diesen Antrag hat der Vorsitzende der Strafkammer nicht beschieden. Der Angeklagte ist in der Hauptverhandlung vom 8. November 1999 nicht erschienen. Daraufhin hat die Strafkammer die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 StPO verworfen.
Hiergegen hat der Angeklagte mit Schreiben vom 11. November 1999, beim Landgericht eingegangen am 15. November 1999, "Revisionsantrag" gestellt und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gebeten.
Durch Beschluss vom 26. Januar 2000 hat das Landgericht das Wiedereinsetzungsgesuch verworfen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat Erfolg.
Die prozessuale Fürsorgepflicht der Strafkammer hätte es geboten, vor einer Verwerfung des Einspruchs zunächst über den Antrag des Betroffenen vom 27. Oktober 1999 zu entscheiden. Im Hinblick auf die relativ kurzfristige Ladung hat der Angeklagte den Antrag auf Gewährung von Fahrtkostenhilfe noch so rechtzeitig angebracht, dass er mit einer Bescheidung rechnen konnte, zumal er entsprechende Unterlagen zum Nachweis seiner Bedürftigkeit beigefügt hatte. Die Nichtbescheidung seines Antrags entschuldigt vorliegend ausnahmsweise das Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung.
Ihm war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren mit der Folge, dass das Urteil des Landgerichts Münster vom 8. November 1999 gegenstandslos ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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