Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 BL 23/2000 OLG Hamm

Leitsatz:

  1. Zum Begriff derselben Tat im Sinn von § 121 Abs. 1 StPO
  2. Zur Berechnung der Frist des § 121 StPO, wenn Untersuchungshaft wegen mehrerer Taten vollzogen ist und nur wegen eines Teils dieser Taten ein Urteil ergangen ist.

Senat: 5

Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG

Stichworte: mehrere Verfahren gegen einen Beschuldigten bei verschiedenen Staatsanwaltschaften, mehrere Alias-Namen, Addition mehrerer Haftzeiten, rechtskräftige Verurteilung, Umwandlung der Untersuchungshaft in Strafhaft, Untersuchungshaft in mehreren Verfahren, dieselbe Tat im Sinne des § 121 Abs. 1

Normen: StPO 121 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen pp.- wegen schweren Bandendiebstahls und Urkundenfälschung,
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeschuldigten und seines Verteidigers beschlossen:

Eine Haftprüfung durch den Senat ist zur Zeit nicht veranlasst.

Gründe:
I. Der Angeschuldigte ist am 2. September 1999 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 18. März 1999 (23 Gs 846/99) unter dem von ihm verwandten Aliasnamen K.L. festgenommen worden. Seit diesem Tage hat er sich bis zum 3. Februar 2000 für das Verfahren 42 Js 172/99 StA Münster in Untersuchungshaft befunden. In diesem Verfahren ist ihm zur Last gelegt worden, Kraftfahrzeuge entwendet und total verunfallte Fahrzeuge durch das Einbringen von Fahrgestellnummern, Motornummern und anderen Daten gestohlener baugleicher Fahrzeuge "frisiert". zu haben. Wegen dieser Vorwürfe hat die Staatsanwaltschaft Münster unter dem 5. Oktober 1999 Anklage gegen den Angeschuldigten erhoben. Daraufhin hat ihn das Landgericht Münster am 3. Februar 2000 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und den bestehenden Haftbefehl aufgehoben. Das Urteil ist seit dem 3. Februar 2000 rechtskräftig.

Im Verlauf des gegen den gesondert verfolgten (und inzwischen rechtskräftig verurteilten) Mittäter H.Y. geführten Ermittlungsverfahrens 191 Js 669/98 der Staatsanwaltschaft Hagen ergaben sich anlässlich einer Nachvernehmung des Y. am 15. März 1999 Anhaltspunkte dafür, dass der bis dahin nur unter seinem Rufnamen "Wojtech" bekannte Angeschuldigte wie auch der im vorliegenden Verfahren 72 Js 459/99 StA Dortmund mitangeklagte A.L. fünf Kraftfahrzeuge entwendet und an Y. geliefert hatten. Insoweit ist das Verfahren abgetrennt und zunächst unter 'dem Aktenzeichen 591 Js 176/99 bei der Staatsanwaltschaft Hagen geführt worden. Nachdem die Staatsanwaltschaft Münster die Übernahme dieses Verfahrens zu dem bei ihr geführten Verfahren 42 Js 172/99 (vgl. oben) abgelehnt hatte, hat die Staatsanwaltschaft Dortmund es übernommen und unter dem Aktenzeichen 72 Js 459/99 - das ist das vorliegende Verfahren - weitergeführt. Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht Dortmund am 2. November 1999 (79 Gs 1427/99) Haftbefehl gegen den Angeschuldigten erlassen. Aufgrund dieses Haftbefehls befindet sich der Angeschuldigte nach Aufhebung des Haftbefehls in dem Verfahren 72 Js 172/99 StA Münster (vgl. oben) seit dem 3. Februar 2000 für das vorliegende Verfahren in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat gegen den Angeschuldigten und seinen Mittäter L. unter dem 15. Februar 2000 Anklage bei dem Landgericht Dortmund wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen u.a. erhoben.

Das Landgericht hat die Akten dem Senat durch Vermittlung der Generalstaatsanwaltschaft zur Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt.

II. Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasse. Eine Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO ist derzeit nicht durchzufahren, weil die Untersuchungshaft in dieser Sache keine sechs Monate andauert. Denn die bis zum Erlass des Urteils des Landgerichts Münster vom 3. Februar 2000 verstrichene Zeit der Untersuchungshaft in dem Verfahren 72 Js 172/99 StA Münster ist der seit dem 3. Februar 2000 in dem vorliegenden Verfahren 72 Js 459/99 StA Dortmund verbüßten Untersuchungshaft nicht hinzuzurechnen.

1. Das Oberlandesgericht hat über die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs (bzw. über jeweils drei weitere) Monate hinaus nur zu befinden, solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung erkennt (§ 121 Abs. 1 StPO). Ein solches Urteil ist aber mit dem Urteil des Landgerichts Münster vom 3. Februar 2000 ergangen. Dieses Urteil betrifft auch dieselbe Tat i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO, deretwegen die Untersuchungshaft in vorliegender Sache seit dem 3. Februar 2000 vollzogen wird. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 25. Februar 2000 zur Frage der Haftfortdauer zutreffend ausgeführt hat, betreffen die in dem Verfahren 42 Js 172/99 StA Münster und in dem vorliegenden Verfahren 72 Js 459/99 StA Dortmund ergangenen Haftbefehle dieselbe Tat i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO. Denn der Begriff derselben Tat im Sinne dieser Vorschrift ist nach allgemeiner Auffassung dahin zu verstehen, dass ihr alle Straftaten eines Beschuldigten von dem Zeitpunkt an zuzurechnen sind, in dem sie bekannt geworden sind und daher Gegenstand eines Haftbefehls hätten sein können. Das gilt auch dann, wenn wegen der Taten mehrere Ermittlungsverfahren anhängig sind, ohne dass es auf eine Verbindung der Verfahren oder eine solche Möglichkeit ankommt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 121 Rdnr. 11 ff. m.w.N.).

Als der Angeschuldigte am 2. September 1999 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 18. März 1999 festgenommen worden ist, bestand bereits auch der Tatverdacht hinsichtlich der ihm in dem vorliegenden Verfahren 72 Js 459/99 StA Dortmund zur Last gelegten weiteren Straftaten. Wie aus dem zusammenfassenden Bericht des Landeskriminalamtes NRW vom 22. September 1999 hervorgeht, hatten sich dahingehende Anhaltspunkte bereits bei der am 15. März 1999 durchgeführten Nachvernehmung des anderweitig verfolgten Y. ergeben, wonach ein Beschuldigter Lieske und sein Mittäter "Wojtech" fünf Fahrzeuge an ihn, Y. geliefert hatten. Dass es sich bei dem "Wojtech" um den Angeschuldigten G. handelte, konnte aufgrund einer weiteren Vernehmung des Y. vom 27. Mai 1999, bei welcher diesem ein Lichtbild des "Wojtech" vorgelegt worden ist, gefolgert werden. Bei dieser Sachlage ist die Sechs-Monats-Frist des § 121 StPO einheitlich für beide Verfahren mit der Inhaftierung des Angeschuldigten am 2. September 1999 in Lauf gesetzt worden.

2. Gleichwohl hat der Angeschuldigte bis heute nicht sechs Monate Untersuchungshaft verbüßt. Denn bei der Berechnung der Frist des § 121 StPO ist die vor dem Urteil des Landgerichts Münster vom 3. Februar 2000 erlittene Untersuchungshaft wegen ihrer Umwandlung in Strafhaft (vgl. § 51 Abs. 1 StGB) nicht zu berücksichtigen.

§ 121 StPO sichert den Anspruch eines Beschuldigten, binnen angemessener Frist abgeurteilt oder aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden. Dieser Zweck ist mit dem Erlass eines Urteils erreicht. Allerdings stellt der Wortlaut der Bestimmung allein auf den Fall ab, dass wegen einer einzigen Tat Untersuchungshaft angeordnet und vollzogen wird. Der vorliegende Fall,' dass nämlich Untersuchungshaft wegen mehrerer Taten vollzogen und nur wegen eines Teils dieser Taten ein Urteil ergangen ist, ist nicht ausdrücklich geregelt. Nach Sinn und Zweck des § 121 StPO kommt aber, wenn die Untersuchungshaft im bereits durch rechtskräftiges Urteil entschiedenen Verfahren durch Anrechnung wegen ihrer Umwandlung in Strafhaft vollständig verbraucht ist, eine Zusammenrechnung der vor dem Urteil liegenden Untersuchungshaft und der jetzt vollzogenen Untersuchungshaft nicht in Betracht, da die vor dem Urteil vollzogene Untersuchungshaft für eine Zusammenrechnung infolge Verbrauchs durch ihre nachträgliche Umwandlung in Strafhaft nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. OLG Karlsruhe MDR 94, 191; OLG München NStZ 86, 423; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 121 Rdnr. 10; Boujong in KK, StPO, 4. Aufl., § 121 Rdnr. 5; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 121 Rdnr. 22). Hierdurch wird das Recht des Angeschuldigten auf zügige Durchführung des Strafverfahrens auch nicht geschmälert. Sein dahingehender Anspruch wird im gegenwärtigen Verfahrensstadium durch die §§ 120, 116, 117 StPO genügend gewahrt. Ein Haftprüfungsverfahren war deswegen nicht durchzuführen.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".