Aktenzeichen: 3 Ss Owi 181/97 OLG Hamm
Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei Identifizierung des Betroffenen anhand eines Lichtbildes von dem Verkehrsverstoß.
Zu den Anforderungen an eine Unterschrift i.S. des § 338 Nr. 7 StPO.
Senat: 3
Gegenstand: OWi-Verfahren
Stichworte: Anforderungen an Urteilsgründe, wenn nicht auf ein von einem Verkehrsverstoß gefertigtes Foto verwiesen wird, Lichtbild, prozeßordnungsgemäße Verweisung, Unterschrift des Richters, Zulassung der Rechtsbeschwerde
Normen: StPO 267, StPO 338 Nr. 7
Beschluss: Bußgeldsache gegen Y.E. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 2. Dezember 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.02.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hattingen zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht Hattingen hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 200,- DM festgesetzt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen soll der Betroffene am 09.01.1996 um 11.12 Uhr auf der Autobahn A 1, Kilometer 41,195 in Sprockhövel, Fahrtrichtung Hagen, mit einem PKW Opel, amtliches Kennzeichen K-UW 124, die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h fahrlässig um 43 km/h überschritten haben. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene frist- und formgerecht die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Die Rechtsbeschwerde greift das Urteil mit der Sachrüge sowie mit der Rüge der Verletzung der §§ 338 Nr. 7, 275 Abs. 1 S.2 i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG an.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Die danach zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Das angefochtene Urteil entspricht nicht den Anforderungen, die nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung an die Identifizierung des Betroffenen anhand des von der Geschwindigkeitsmeßanlage gefertigten Beweisfotos zu stellen sind. Der Bundesgerichtshof hat insoweit in seinem Beschluss vom 19.12.1995 (NZV 1996, 157) ausgeführt, dass dann, wenn eine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto unterbleibt, das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben muss, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist.
Eine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto gemäß § 267 Abs. 1 S.3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Das betreffende Beweisfoto ist damit nicht Bestandteil der Urteilsgründe. Dem Senat ist es daher verwehrt, die Abbildung aus eigener Anschauung zu würdigen, um so zu beurteilen, ob das Beweisfoto als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist. Das Amtsgericht hätte daher durch eine entsprechende ausführliche Beschreibung dem Senat die Prüfung ermöglichen müssen, ob diese Tauglichkeit des Beweisfotos gegeben ist oder nicht. Im Rahmen dieser Beschreibung wären Angaben zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, geboten gewesen, da anderenfalls nicht beurteilt werden kann, ob aufgrund möglicherweise schlechterer Qualität des Beweisfotos erhöhte Anforderungen an die gleichwohl erfolgte Identifizierung des Betroffenen zu stellen waren (BGH, a.a.O.; Senat, Beschluss vom 02.04.1996 - 3 Ss Owi 192/96 -; BayObLG, DAR 1996, 411).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es fehlen jegliche Angaben zur Qualität des Beweisfotos. Diese Angaben können auch nicht durch die Wiedergabe einzelner Identifizierungsmerkmale ersetzt werden, und zwar jedenfalls dann nicht, wenn wie hier vom Amtsgericht lediglich völlig allgemein gehaltene Merkmale herangezogen werden, die in den Urteilsgründen auch nicht näher beschrieben worden sind. Das Amtsgericht verweist insoweit in den Urteilsgründen nämlich lediglich ganz allgemein auf die Kopfform und die Augenpartie, ohne auch nur diese Merkmale konkreter zu beschreiben. Bei dieser Sachlage reicht auch die vom Amtsgericht festgestellte Haltereigenschaft des Betroffenen zur Begründung einer ordnungsgemäßen Identifizierung nicht aus.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, da insbesondere nicht zu erwarten ist, dass das Amtsgericht Hattingen allein - wie von der Generalstaatsanwaltschaft angeregt - durch einen entsprechenden Hinweis des Senates dazu veranlaßt werden könnte, künftig die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Identifizierung anhand eines Beweisfotos zu beachten. Der Senat mußte bereits in einem früheren Verfahren u.a. aufgrund eben dieses Begründungsmangels ein Urteil des Amtsgerichts Hattingen aufheben. Auch in anderen Fragen, insbesondere hinsichtlich der Frage des Absehens vom Regelfahrverbot, mußten wiederholt Urteile des Amtsgerichts Hattingen durch den Senat aufgehoben werden. Diese Einschätzung wird gerade auch durch das vorliegende Urteil bestätigt, in dem erneut mit wenig tragfähigen Ausführungen von der Verhängung des Regelfahrverbots gegen den mehrfach einschlägig vorbelasteten Betroffenen abgesehen worden ist.
Da bereits die Sachrüge der Rechtsbeschwerde zu einem vorläufigen Erfolg verhilft, bedurfte es nicht des Eingehens auf die gleichzeitig erhobene Rüge der Verletzung der §§ 338 Nr. 7, 275 Abs. 1 S.2 StPO; 46 Abs. 1, 79 Abs. 3 OWiG. Der Senat weist allerdings vorsorglich darauf hin, dass nach der ebenfalls gefestigten Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs von einer ordnungsgemäßen Unterschrift nur dann ausgegangen werden kann, wenn mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt (BGH NJW 1985, 1227 m.w.N.). Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben erkennen lassen sowie Unterzeichnungen mit einer Buchstabenfolge, die sich als bewußte und gewollte Namensabkürzung (Paraphe) darstellt, werden demgegenüber nicht als formgültige Unterschrift anerkannt (BGH, a.a.O.; BGH NJW 1976, 2263, 2264; MDR 1988, 218; OLG Oldenburg, MDR 1988, 253). Im Falle des Fehlens einer ordnungsgemäßen Unterschrift wäre aber der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO gegeben (vgl. BGHR StPO 338 StPO Nr. 7 Entscheidungsgründe 1, Entscheidungsgründe 2).
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