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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss Owi 1571/96 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur genügenden Entschuldigung im Sinn von § 74 Abs. 2 OWiG.
2. Zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass das rechtliche Gehör versagt worden sei

Senat: 3

Gegenstand: OWi-Verfahren

Stichworte: Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen, genügende Entschuldigung, Erkundigungspflicht des Gerichts, Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung rechtliches Gehör, Ausreichende Begründung der Verfahrensrüge

Normen: OWiG 74, OWiG 80, StPO 344

Beschluss: Bußgeldsache gegen den Rechtsanwalt U.D.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 24. September 1996 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 2. September 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04.03.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Bielefeld vom 27. Februar 1996 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Es hat zur Begründung angeführt, der Betroffene sei ohne genügende Entschuldigung in dem Termin zur Hauptverhandlung ausgeblieben, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet gewesen sei; die vom Betroffenen vorgetragene Erkrankung sei nicht durch ein ärztliches Attest belegt und stelle daher keine ausreichende Entschuldigung dar.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem er unter Bezugnahme auf seine Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs in noch ausreichender Weise darlegt, dass das Amtsgericht den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt habe, wenn es angesichts seines - des Betroffenen - am Vortage erlittenen und per Fax mitgeteilten Unfalls, aufgrund dessen er sämtliche Termine habe absagen müssen, die Vorlage eines ärztlichen Attestes für nötig erachtet habe.

Diese Auffassung des Betroffenen ist zutreffend. Das angefochtene Urteil macht deutlich, dass das Amtsgericht den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt hat. Angesichts der per Fax noch weit vor Sitzungsbeginn am Hauptverhandlungstag erfolgten Mitteilung des Betroffenen über eine am Vortag erlittene Spondylosisthesis (Wirbelgleiten) und der im einzelnen beschriebenen Auswirkungen hätte das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nicht verwerfen dürfen. Wenn es Zweifel an der Erkrankung des Betroffenen und daran gehabt hätte, dass diesem die Teilnahme an der Hauptverhandlung mit Rücksicht auf die Erkrankung nicht zugemutet werden könne, so hätte es von Amts wegen Nachforschungen anstellen müssen (vgl. Göhler OWiG, 11. Aufl., § 74 RN. 29; Kleinknecht/MeyerGoßner StPO 42. Aufl., § 329 RN. 19 m.w.N.).

Gleichwohl führt dieser Rechtsfehler nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, auch wenn seine Wiederholung zu befürchten sein sollte. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wird die Rechtsbeschwerde wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht zugelassen, wenn „gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als 75,00 DM festgesetzt ... worden ist oder....“. Die gegen den Betroffenen verhängte Geldbuße betrug 50,00 DM.
Auch die weitere Rüge des Betroffenen, das Urteil sei wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben, kann nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen. Diese unabhängig von der Höhe der verhängten Geldbuße nach § 80 Abs. 1 Satz 2 OWiG statthafte Rüge greift nur durch, "um eine sonst begründet erscheinende Verfassungsbeschwerde zu ersparen; sie wird deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen“ (so BT-Drs 10/2652). Daraus folgt, dass eine Verletzung von Prozeßregeln, die unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs statuiert sind, nicht stets eine Versagung des rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG und damit von § 80 Abs. 1 S.2 OWiG darstellen (vgl. Steindorf in KK OWiG § 80 RN 41). Demgemäss begründet nicht bereits allein eine fehlerhafte Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG - wie hier - die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. KK OWiG a.a.O. § 74 RN 62; Bay bei Bär DAR 88/371).

In welchen besonderen Fällen diese Zulassung allerdings geboten ist (vgl. Göhler OWiG 11. Aufl. § 80 RN 16; KK OWiG a.a.O.; vgl. auch sehr weitgehend OLG Köln VRS 76, 384), kann hier dahingestellt bleiben. Es handelt sich nämlich auch insofern jedenfalls um eine Verfahrensrüge, die gemäß § 80 Abs. 3 OWiG den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S.2 StPO genügen muss. Daher hätte es in jedem Fall der Darlegung bedurft, welche sachliche Einlassung der Betroffene im Fall seiner Anhörung gegeben hätte (vgl. Göhler a.a.O. § 80 RN 16 c; Senatsentscheidung vom 26.06.1995 - 3 Ss Owi 1299/94). Das ist unterblieben. Da der Tatvorwurf dem Betroffenen zumindest aus dem ihm zugestellten Bußgeldbescheid bekannt war, war er hierzu auch in der Lage - unabhängig davon, dass das Amtsgericht dem Akteneinsichtsgesuch noch nicht nachgekommen war.

Nach alledem war der Antrag des Betroffenen, der im Übrigen ein Rechtsmittel gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung verwerfenden Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Oktober 1996 nicht eingelegt hat, mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.


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