Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss Owi 156/97 OLG Hamm

Leitsatz: Für die Anordnung des persönlichen Erscheinens bzw. deren Aufrechterhaltung besteht kein sachlicher Grund, wenn der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat und sich im Übrigen nicht zur Sache einlassen will.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Anordnung des persönlichen Erscheinens, Auslegung, Fahrereigenschaft, Geständnis, Zulassung der Rechtsbeschwerde

Normen: OWiG 74 Abs.2,

Beschluss: Bußgeldsache gegen M.K.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG auszulegende "Rechtsbeschwerde"" des Betroffenen vom 12. November 1996 gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 23. Oktober 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13.02.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Minden hat mit dem angefochtenen Urteil den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Oberkreisdirektors Minden-Lübbecke vom 20. Mai 1996, in dem wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 22 km/h eine Geldbuße von 160,- DM festgesetzt worden war, gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen und zur Begründung folgendes ausgeführt:
"Der Betroffene ist in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet worden war. Der Betroffene hat keinerlei Gründe der Entschuldigung für sein Fehlen in der Hauptverhandlung vorgetragen.
Der Einspruch ist daher nach § 74 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWIG) verworfen worden. Von den weiteren Möglichkeiten des § 74 Abs. 2 OWiG hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht, weil die Verwerfung nach Lage des Falles angemessen und insbesondere die Anwesenheit des Betroffenen zur Sachaufklärung, u. a. zur gerichtlichen Feststellung der Fahreridentität, erforderlich war.“

Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Betroffenen vor der Verkündung des Urteils erklärt, der Betroffene sei der Fahrer des PKWs gewesen, werde sich aber nicht weiter zur Sache einlassen. Zuvor hatte der Verteidiger bereits schriftsätzlich mit denselben Angaben des Betroffenen darum gebeten, die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Betroffenen aufzuheben.

Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die "Rechtsbeschwerde" des Betroffenen, mit der er in erster Linie geltend macht, der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid sei zu Unrecht verworfen worden. Schon die Anordnung des persönlichen Erscheinens sei zu Unrecht aufrechterhalten worden, da aufgrund der Äußerung des Betroffenen der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt gewesen sei. Darüber hinaus rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 OWiG auszulegende "Rechtsbeschwerde" ist zulässig und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Das Amtsgericht hat nämlich in der grundsätzlichen Frage, unter welchen Voraussetzungen ein sachlicher Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht gegeben ist bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden kann, eine Fehlentscheidung getroffen, wobei auch die Gefahr besteht, dass ohne die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit weiteren Fehlentscheidungen in vergleichbaren Fällen zu rechnen ist.

Aufgrund der hierzu in zulässiger Form erhobenen Verfahrensrüge erweist sich die Verwerfung des Einspruchs als rechtsfehlerhaft, da ein sachlicher Grund für die Anordnung bzw. die Aufrechterhaltung der Anordnung des persönlichen Erscheinens im konkreten Fall nicht gegeben war. Zwar werden allgemein keine großen Anforderungen hinsichtlich der Begründung einer Entscheidung gemäß § 74 Abs. 2 OWiG, die grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt, gestellt, jedoch muss sich eine entsprechende Entscheidung mit den erhobenen Einwendungen und Bedenken gegen eine Verwerfung des Einspruchs auseinandersetzen (vgl. Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 74 Rdnr. 35 a m.w.N.). Dabei erweist es sich schon als fehlerhaft, dass die Verwerfung des Einspruchs im wesentlichen mit der Begründung erfolgte, die Anwesenheit des Betroffenen sei zur Sachaufklärung, u.a. zur gerichtlichen Feststellung der Fahreridentität, erforderlich, obgleich der Verteidiger im Termin zur Hauptverhandlung sowie bereits schriftsätzlich zuvor erklärt hatte, der Betroffene habe den PKW zum Tatzeitpunkt gefahren und werde sich im Übrigen nicht zur Sache einlassen. Damit steht die Begründung der Einspruchsverwerfung bereits im Widerspruch mit dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls.

Angesichts der von dem Verteidiger vorgebrachten Gründe bestand auch kein sachlicher Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens bzw. deren Aufrechterhaltung, da der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt hatte und sich im Übrigen nicht zur Sache einlassen wollte. Nach der für das Bußgeldverfahren geltenden Regelung ist der Betroffene nämlich grundsätzlich zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht verpflichtet (§ 73 Abs. 1 OWiG); das Gericht kann daher auch in seiner Abwesenheit verhandeln (§ 74 Abs. 1 OWiG). Damit soll einerseits dem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werden, der Hauptverhandlung fernzubleiben. Andererseits soll sichergestellt werden, dass die Hauptverhandlung auch dann durchgeführt werden kann, wenn der Betroffene nicht an ihr teilnimmt. In einem Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die Verkehrsvorschriften ist daher in der Regel ein sachlicher Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht gegeben, wenn der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat (vgl. OLG Frankfurt, NStZ 1997, 39, 40 m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - eine weitergehende Einlassung zur Sache nicht zu erwarten ist und der Wohnsitz des Betroffenen von dem Gerichtsort nicht unerheblich entfernt ist.

Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückzuverweisen.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".