Aktenzeichen: 3 Ss Owi 99/97 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Zur Wirksamkeit eines Bußgelbescheides, der durch einen Computer erlassen wurde.
2. Das tatrichterliche Urteil muss bei Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch ein standardisiertes Meßverfahren jedenfalls angeben, welches Meßverfahren angewendet wurde und welcher Toleranzwert in Abzug gebracht worden ist.
Senat: 3
Gegenstand: Owi
Gericht: OLG Hamm
Stichworte: Erlass des Bußgeldbescheides durch Computer, Entscheidung durch Sachbearbeiter, Geschwindigkeitsüberschreitung, standardisiertes Meßverfahren
Normen: OWiG 66, StPO 267, StVO 3
Beschluss: Bußgeldsache gegen H.F.,
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 5. September 1996 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 4. September 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06.02.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht beschlossen:
Das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 4. September 1996 wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.
Gründe:
I. Das Amtsgericht Herford hat den Betroffenen durch Urteil vom 04.09.1996 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 Abs. 2 StVG, §§ 41, 49 StVO zu einer Geldbuße von 400,- DM verurteilt.
Dem Urteil liegen insoweit folgende Feststellungen zugrunde:
"Der Betroffene befuhr am 21. Juli 1995 um 17.25 Uhr mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ST-R 6501 in Löhne die Bundesautobahn 30. Seine Fahrtgeschwindigkeit betrug 150 km/h. Zulässig ist dort eine Geschwindigkeit von 100 km/h.
Der Betroffene räumt ein, Fahrzeugführer gewesen zu sein.
Die festgestellte Geschwindigkeit ergibt sich aus der Geschwindigkeitsmessung. Anhaltspunkte für eine Fehlmessung bestehen nicht."
Sodann hat das Amtsgericht weiter ausgeführt, dass es gemäß § 2 Abs. 4 der Bußgeldkatalogverordnung von der Anordnung eines grundsätzlich nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen Fahrverbotes abgesehen und deshalb die Geldbuße auf einen für angemessen erachteten Betrag von 400,- DM erhöht habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die zum einen den Hinweis enthält, der dem Urteil zugrundeliegende Bußgeldbescheid sei "vom Computer" erlassen worden. Weiter wird die Aufklärungsrüge mit der Begründung erhoben, es habe ein Sachverständigengutachten hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung eingeholt werden müssen. Schließlich wird die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Zwar liegt dem Verfahren kein - von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis zugrunde, da die Wirksamkeit des dem Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheides des Oberkreisdirektors Herford vom 29. September 1995 außer Zweifel steht. Ein Bußgeldbescheid ist nämlich nicht schon deshalb unwirksam, weil er durch einen Computer erstellt und nicht durch einen Sachbearbeiter eigenhändig unterzeichnet worden ist, da der Bußgeldbescheid auch in dieser Form den Mindestanforderungen des § 66 OWiG genügt (vgl. OLG Hamm, NJW 1995, 2937; Senat, Beschlüsse vom 24.10.1995 - 3 Ss Owi 848/95 - und vom 02.10.1996 - 3 Ss Owi 1063/96 -; OLG Naumburg, NZV 1995, 410; OLG Dresden, NZV 1996, 42; OLG Brandenburg, DAR 1996, 105). Allerdings muss ein mittels einer EDV-Anlage erstellter Bußgeldbescheid in jedem Fall auf einem erkennbaren und nachprüfbaren Willensakt der Bußgeldbehörde beruhen (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Senat, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O.). Ein Computer darf in selbständiger Erledigung nämlich nur solche Arbeitsläufe übernehmen, die streng schematisiert sind und die auf einer ausschließlich formellen Prüfung beruhen. Eine solche Bearbeitung ist daher nur für das Verfahren bis zum eigentlichen Erlass des Bußgeldbescheides durch die Behörde und für die nach diesem Erlass liegende weitere Verfahrensbearbeitung wie insbesondere Ausdruck des Bescheides und dessen Versand zulässig. Der Erlass des Bescheides selbst muss demgegenüber auf einer nachprüfbar willensgetragenen Entscheidung des Sachbearbeiters der Bußgeldbehörde beruhen, der zu prüfen hat, ob er aufgrund eines im summarischen Verfahrens ermittelten Sachverhalts, der auch das Ergebnis der vorgeschriebenen Anhörung umfaßt, die Überzeugung von der Schuld des Betroffenen gewonnen hat und er eine Ahndung nach pflichtgemäßem Ermessen für geboten hält (vgl. KK-Kurtz, OWiG, § 65 Rdnr. 14; OLG Hamm, a.a.O.; Senat, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der im vorliegenden Fall ergangene Bußgeldbescheid des Oberkreisdirektors des Kreises Herford wirksam, da den Akten eine Verfügung des Sachbearbeiters hinsichtlich des Erlasses des Bußgeldbescheides zu entnehmen ist. Daraus ergibt sich, dass die Entscheidung, ob und in welcher Form der Bußgeldbescheid erlassen werde, von dem zuständigen Sachbearbeiter getroffen worden ist, der nach umfassender Prüfung des ermittelten Sachverhalts zu der Überzeugung gelangte, dass die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Bußgeldtatbestandes erfüllt waren.
Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachte Aufklärungsrüge den Formerfordernissen gemäß § 79 Abs. 3 S.1 OWiG i.V.m. § 344 StPO entspricht. Insoweit ist aber jedenfalls zweifelhaft, ob - wie erforderlich - hinreichende Umstände behauptet sind, die das Gericht zu weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung hätten drängen müssen (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., § 244 Rdnr. 81).
Die Rechtsbeschwerde hat aber auf die allgemein erhobene Sachrüge jedenfalls insoweit einen zumindest vorläufigen Erfolg, als das Amtsgericht nicht in dem erforderlichen Umfang Feststellungen getroffen hat, die eine Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigen könnten. Nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1993, 3081, 3083 f; OLG Hamm, NZV 1995, 118; , DAR 1996, 381 m.w.N.) muss das tatrichterliche Urteil bei Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch ein standardisiertes Meßverfahren jedenfalls angeben, welches Meßverfahren angewendet wurde und jedenfalls angeben, welches Meßverfahren angewendet wurde und welcher Toleranzwert in Abzug gebracht worden ist. Diese Angaben sind erforderlich, damit eine Grundlage für eine ausreichende und nachvollziehbare Beweiswürdigung besteht. Das gilt erst recht, wenn - wie vorliegend - die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung nicht auf einem Geständnis des Betroffenen beruht, sondern vielmehr konkrete Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung erhoben worden sind.
Aus diesem Grunde war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen.
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