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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1178/96 OLG Hamm

Leitsatz: Von einem qualifizierten Rotlichtverstoß gem. Nr. 34.2 BKat ist bei einer Missachtung des Roltichts eines Wechsellichtzeichens nicht nur zu Beginn, sondern grundsätzlich während der gesamten Dauer der länger als eine Sekunde andauernden Rotlichtphase auszugehen.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: qualifizierter Rotlichtverstoß bei Anhalten vor LZA, Beweiswürdigung, Gefährdung des Querverkehrs, Absehen von Fahrverbot, Überzeugung des Tatrichters, tatrichterliches Ermessen

Normen: StVO 37, StVG 25, StPO 261

Fundstelle: NZV 1997, 406 (Ls.); StVE § 37 StVO Nr. 55

Beschluss: Bußgeldsache gegen R.R.,
wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. Juli 1996 gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. Juli 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14.11.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 OWiG beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Essen hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Wechsellichtzeichenanlage (Rotlichtdauer länger als eine Sekunde) ein Bußgeld in Höhe von 400,- DM verhängt. Von der Anordnung eines Fahrverbotes hat das Amtsgericht abgesehen.

Dem angefochtenen Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:
"Der Betroffene befuhr am 18.03.1996 gegen 17.45 Uhr mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen E - SR 131 die Rahmstraße in Essen. Er hielt zunächst an der Rot zeigenden Lichtzeichenanlage im Kreuzungsbereich Rahmstr./Palmbuschweg für mehrere Sekunden an und bog sodann in den Palmbuschweg nach rechts ab, obwohl die Lichtzeichenanlage immer noch Rot zeigte. Der Betroffene hat zumindest infolge Unaufmerksamkeit das Rotlicht der Lichtzeichenanlage übersehen."

Nach dem weiteren Inhalt des angefochtenen Urteils hat sich der Betroffene dahin eingelassen, er habe zunächst angehalten und die Rotlichtphase abgewartet, die Ampel sei dann aber grün gewesen, als er nach rechts eingebogen sei. Diese Einlassung, die durch die Aussage eines als Zeugen vernommenen Beifahrers bestätigt wurde, hielt das Gericht aber aufgrund der Zeugenaussagen zweier Polizeibeamter, die mit ihrem Fahrzeug ebenfalls vor der Lichtzeichenanlage hielten, für widerlegt.

Das Amtsgericht hat bei der Bemessung der festgesetzten Geldbuße die Regelbuße für einen fahrlässigen sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoß von 250,- DM zugrundegelegt und diese um 150,- DM auf 400,- DM im Hinblick darauf erhöht, dass es von der Verhängung des Regelfahrverbots von einem Monat für den qualifizierten Rotlichtverstoß abgesehen hat. Dabei hat das Amtsgericht die Auffassung vertreten, es bedürfe der Besinnungs- und Warnfunktion des Fahrverbotes im konkreten Fall nicht, da der bislang unbelastete Betroffene einen untypischen Rotlichtverstoß begangen habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde, mit der er sich mit weiteren Ausführungen zunächst gegen die richterliche Überzeugungsbildung bei der Beweiswürdigung (§ 261 StPO) wendet und im Übrigen die Verletzung materiellen Rechts rügt. Insoweit greift die Rechtsbeschwerde die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes mit der Begründung an, der Betroffene sei, nachdem er zunächst ordnungsgemäß vor der Lichtzeichenanlage angehalten habe, offenbar nur infolge einer auf einem Wahrnehmungsfehler beruhenden Unaufmerksamkeit in die Kreuzung eingefahren. Daher sei allenfalls von einem sogenannten einfachen Rotlichtverstoß auszugehen und lediglich eine Geldbuße von 100,- DM festzusetzen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils dahingehend zu ändern, dass gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 100,- DM festgesetzt wird. Dabei ist die Generalstaatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass dem Betroffenen in subjektiver Hinsicht kein schwerwiegendes Fehlverhalten anzutasten sei, da er lediglich infolge Unaufmerksamkeit, nicht aber aus grober Nachlässigkeit, Rücksichtigslosigkeit oder Verantwortungslosigkeit in die Kreuzung eingefahren sei. Da das Amtsgericht weder eine abstrakte noch eine konkrete Gefährdung des Querverkehrs festgestellt habe, stelle sich unter diesen Umständen der Rotlichtverstoß nicht als ein von Nr. 34.2 BKatV erfaßter Regelfall, sondern nur als ein einfacher Rotlichtverstoß nach Nr. 34 BKatV dar, für dessen Ahndung eine Regelbuße von 100,- DM vorgesehen sei, die auch im vorliegenden Fall angemessen erscheine.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Soweit der Betroffene mit der Rüge des § 261 StPO auch die Verfahrensrüge erheben will, ist diese unzulässig, da sie nicht in der gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S.2 StPO gebotenen Weise ausgeführt worden ist. Im übrigen kann die Behauptung, ein in der Hauptverhandlung vernommener Zeuge habe anders ausgesagt bzw. seine Aussage sei anders zu verstehen gewesen, auch allenfalls dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel gewonnen worden sind (vgl. BGH, NStZ 1990, 35; KK-Hürxthal, StPO, 3. Aufl., § 261 Rdnr. 53; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., § 261 Rdnr. 38 a).

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

Soweit der Betroffene die Beweiswürdigung (§ 261 StPO) im angefochtenen Urteil angreift, liegt keine Rechtsverletzung vor, da diese weder gegen Denkgesetze oder allgemein gültige Erfahrungssätze verstößt, noch Lücken oder Unklarheiten in wesentlichen Punkten enthält. Deshalb hat das Rechtsbeschwerdegericht auch nicht zu prüfen, ob die Erwägungen und Schlüsse des Tatrichters zwingend oder überzeugend sind. Es genügt, dass sie denkgesetzlich möglich sind und von der subjektiven Gewißheit des Tatrichters getragen (vgl. BGHSt 26, 56 f). Danach ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts auch insoweit einsichtig und nachvollziehbar, als es die Einlassung des Betroffenen angesichts der Angaben der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten für widerlegt hielt, obgleich der ebenfalls als Zeuge vernommene Beifahrer im PKW des Betroffenen "meinte, dass die Lichtzeichenanlage Grün gezeigt habe, als der Betroffene losgefahren sei“.

Das Amtsgericht hat auf der Grundlage der somit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Recht festgestellt, dass sich der Betroffene eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S.7, 49 Abs. 3 Ziffer 2 StVO schuldig gemacht hat, da der Schuldspruch von den zugrundeliegenden Feststellungen getragen wird.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde und der Generalstaatsanwaltschaft ist auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden. Die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit unterliegt insoweit grundsätzlich der Würdigung des Tatrichters, der allein sich aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung ein umfassendes Bild von dem Gewicht der Tat und dem gegen den Betroffenen erhobenen Vorwurf zu bilden vermag. Dabei billigen die Obergerichte ihm nur einen "tatrichterlichen Beurteilungsspielraum“ zu (so BayObLG NZV 1994, 327) oder machen zum Maßstab, dass die tatrichterliche Würdigung im Zweifel "bis zur Grenze des Vertretbaren" zu respektieren sei (so OLG Hamm - 2 Ss OWi 1222/95 - in DAR 1996, 68; OLG Köln NZV 1994, 161). Dem erkennenden Senat erscheint dabei entscheidend, dass der Tatrichter seine tatrichterliche Würdigung der möglichen Ausnahmen an den Grundsätzen und Intentionen der Bußgeldkatalogverordnung (vornehmlich Rechtssicherheit und Gleichbehandlung) auszurichten hat (vgl. OLG Hamm JMBl NW 1996, 246, 247). Insoweit unterliegt seine Entscheidung auch der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Insbesondere ist der Begriff des "Vertretbaren“ nicht etwa i.S.d. Einräumung eines rechtlich ungebundenen, freien Ermessens zugunsten des Tatrichters zu verstehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 27.08.1996 - 2 Ss OWi 926/96 -), sondern auf die Vorstellung von der Richtigkeit des Entscheidungsinhaltes bezogen und mit "Freiheit von Rechtsfehlern“ gleichbedeutend (vgl. hierzu eingehend Bruns, Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl. (1985), S. 307 ff., 310; ähnlich Engisch, FS Mezger, S. 152; Larenz, Methodenlehre, 4. Aufl., S. 279 ff.). Der dem Tatrichter so verbleibende Entscheidungsspielraum wird daher durch die gesetzlich niedergelegten oder von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Strafzumessungskriterien eingeengt und unterliegt auch hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht (Bruns, a.a.O. S. 311). Wie diese Grenzen zu ziehen sind, wird nach Lage des Einzelfalles zu entscheiden sein. Anerkannt ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung insoweit jedoch, dass die Einordnung des Schuldrahmens innerhalb des Strafrahmens und insbesondere die Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalles oder - wie hier - eines Regelfalles der revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (BGHSt 27, 2, 4 ff; OLG Hamm, JMBl NW 1996, 246, 247; Bruns, a.a.O. S. 61, 308, 313 m.w.Nachw.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht mit zutreffenden Erwägungen einen qualifizierten Rotlichtverstoß gemäß Nr. 34.2 BKatV angenommen und rechtsfehlerfrei von der Verhängung eines Fahrverbotes unter angemessener Erhöhung der für einen solchen Verstoß vorgesehenen Regelbuße abgesehen. Der hiergegen gerichtete Angriff der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Zwar wird in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten, dass ein qualifizierter Rotlichtverstoß nach Nr. 34.2 BKatV nicht vorliege, wenn ein Fahrzeugführer das Rotlicht der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage zunächst beachtet, dann aber infolge einer auf einem Wahrnehmungsfehler beruhenden Unachtsamkeit dennoch in die Kreuzung einfährt, obgleich die Lichtzeichenanlage weiterhin Rotlicht zeigt (vgl. OLG Hamm (2. Strafsenat) DAR 1995, 501; OLG Düsseldorf (5. Strafsenat) VRS 85, 139, 140; VRS 85, 470, 471; NZV 1995, 328; OLG Karlsruhe NZV 1996, 206; DAR 1996, 367; OLG Hamburg VerkMitt 1995, Nr. 38). Ein qualifizierter Rotlichtverstoß wird hierbei in der Regel mit der Begründung verneint, dass in einem solchen Fall das Einfahren in die Kreuzung nicht etwa aus grober Nachlässigkeit, Rücksichtslosigkeit oder Verantwortungslosigkeit erfolge und deshalb kein schwerwiegendes Fehlverhalten vorliege. Es liege angesichts der gesamten Tatumstände eine so weite Abweichung von dem typischen, vom Verordnungsgeber ins Auge gefaßten Fall des Rotlichtverstoßes gemäß Nr. 34.2 BKatV vor, dass ein derartiger Regelfall zu verneinen sei (vgl. OLG Hamm (2. Strafsenat) DAR 1995, 501; OLG Karlsruhe, DAR 1996, 367). Aus der amtlichen Begründung der 12. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15.10.1991 (VkBl 1991, 702), durch die gemäß Art. 2 Ziff. 3 c u.a. der Regelfall der Nr. 34.2 BKatV eingeführt worden sei, folge zudem, dass ein qualifizierter Rotlichtverstoß gemäß Nr. 34.2 BKatV regelmäßig erst dann vorliege, wenn ein Verkehrsteilnehmer über mehrere Sekunden hinweg unaufmerksam auf eine Rotlicht zeigende Ampel zufahre und der Vertrauensschutz des Querverkehrs oder von Fußgängern gefährdet werde (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 1996, 206). Dies sei aber nicht der Fall, wenn ein Fahrzeugführer zunächst sein Fahrzeug ordnungsgemäß anhalte und es zu keiner konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sei (vgl. OLG Düsseldorf (5. Strafsenat) VRS 91, 146, 147). Im Übrigen stehe diese Auffassung im Einklang mit der ganz überwiegenden Rechtsprechung in solchen Fällen zur Frage der groben Fahrlässigkeit im Rahmen von Kaskoversicherungsverträgen zu § 61 VVG (vgl. OLG Karlsruhe NZV 1996, 206 m.w.N.).
Demgegenüber vertritt ein anderer Teil der Rechtsprechung die Auffassung, dass von einem qualifizierten Rotlichtverstoß gemäß Nr. 34.2 BKatV auch dann auszugehen sei, wenn ein Fahrzeugführer vor einer Rotlicht zeigenden Ampel zunächst anhalte und trotz Fortdauer des Rotlichts in die Kreuzung einfahre (vgl. OLG Düsseldorf (2. Strafsenat) NZV 1996, 117; BayObLG DAR 1996, 103; differenzierend nach dem Grad des Verschuldens: OLG Hamm (4. Strafsenat) ZfS 1995, 152). Zur Begründung wird hierbei angeführt, dass der Zeitraum einer abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in dem von Nr. 34.2 BKatV erfaßten Zeitraum von einer Sekunde nach Beginn der Rotlichtphase beginne und erst mit dieser ende, da während dieser gesamten Zeit mit Querverkehr von Fahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern gerechnet werden müsse (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1996, 117). Daher begründe das in einem späten Stadium der Rotlichtphase erfolgende Einfahren in den Kreuzungsbereich mindestens eine ebenso hohe abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wie die Mißachtung des Rotlichts einige oder wenige Sekunden nach Beginn der Rotlichtphase. Im übrigen lasse sich auch nicht ein Wille des Verordnungsgebers feststellen, nur Rotlichtverstöße zu Beginn der Rotlichtphase durch den Regeltatbestand der Nr. 34.2 BKatV besonders ahnden zu wollen (vgl. OLG Hamm (4. Strafsenat) ZfS 1995, 152). Der Gesetzgeber habe vielmehr das Ziel verfolgt, die Mißachtung des Rotlichts während der gesamten Phase, in der eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bestehe, höher zu ahnden, als Verstöße in der ersten Sekunde der Rotlichtphase (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1996, 117). Von der Anwendung der BKatV könne auch nur in Einzelfällen abgesehen werden, in denen der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erhebliche Abweichungen aufweise, dass die Annahme eines Ausnahmefalles gerechtfertigt sei, wie dies etwa in Fällen mit denkbar geringer Bedeutung und minimalem Handlungsunwert oder bei möglichen Ausnahmeumständen persönlicher Art der Fall sein könne (vgl. BayObLG DAR 1996, 103, 104).
Der Senat schließt sich im vorliegenden Fall der letztgenannten Auffassung der Rechtsprechung an, nachdem er bereits durch Beschluss vom 16. Juli 1996 - 3 Ss OWi 834/96 - (in DAR 96, 469) entschieden hat, dass ein sogenannter qualifizierter Rotlichtverstoß gemäß Nr. 34.2 BKatV auch dann vorliege, wenn ein Fahrzeugführer zunächst das Rotlicht beachtet, dann aber aufgrund der Verwechslung der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage dennoch in die Kreuzung einfährt, obgleich er nach wie vor das ihn betreffende Rotlicht zu beachten hat. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß gemäß Nr. 34.2 BKatV ist im vorliegenden Fall schon deshalb anzunehmen, weil nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Nr. 34.2 BKatV die Rotphase des Wechsellichtzeichens länger als eine Sekunde andauerte. Für eine einschränkende Auslegung des Regeltatbestandes gibt weder der Wortlaut der Nr. 34.2 BKatV noch der systematische Zusammenhang der Regeltatbestände der Nr. 34 bis Nr. 34.2.1 BKatV eine Veranlassung. Soweit verschiedentlich eine Einschränkung des Anwendungsbereiches des Regeltatbestandes der Nr. 34.2 BKatV mit dem Willen des Verordnungsgebers begründet wird (so insbes.: OLG Karlsruhe NZV 1996, 206), ist diese Argumentation wenig überzeugend, da der Wille des Verordnungsgebers zum Teil gerade auch zur Begründung des gegenteiligen Ergebnisses, nämlich zur Anwendung des Regeltatbestandes der Nr. 34.2 BKatV herangezogen wird (so: OLG Düsseldorf NZV 1996, 117). In der Begründung des Bundesrates (VkBl 1991, 702, 704) hieß es insoweit:
"Das Rotlicht von Lichtzeichenanlagen wird von einer nicht unerheblichen Zahl von Fahrzeugführern - häufig im Zusammenhang mit überhöhter Geschwindigkeit - mißachtet. Diese Art der Vorrangsverletzung im Straßenverkehr ist u.a. deshalb besonders gefährlich, weil andere Verkehrsteilnehmer, und zwar insbesondere Kinder sowie Fußgänger und Radfahrer, in verstärktem Maße auf das Grünlicht für den Querverkehr vertrauen. Die Nichtbeachtung von Regelungen durch Lichtzeichen bildet eine bedeutende Unfallursache. Die eintretenden Folgen sind oft gravierend. Es ist deshalb geboten, besonders schwerwiegende Rotlichtverstöße schärfer zu ahnden, als beispielsweise einfache Vorfahrtsverletzungen, insbesondere ist bei grobem Fehlverhalten die Verhängung eines Fahrverbots erforderlich. ... Eine abstrakte Gefährdung ist zu unterstellen, wenn ein Wechsellichtzeichen mißachtet wird, obwohl die Rotphase bereits länger als eine Sekunde andauert (Nr. 34.2). Der Querverkehr (insbesondere auch Fußgänger) kann sich nach dieser Zeit bereits im Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden.“
Aus dieser Fassung ergibt sich kein verläßlicher Anhaltspunkt für die Deutung, ob nach dem Willen des Verordnungsgebers die hier relevanten Fälle des Rotlichtverstoßes vom Regeltatbestand der Nr. 34.2 BKatV erfaßt werden sollten. Es spricht jedoch viel dafür, dass der Grund für die in Nr. 34.2 BKatV vorgesehene erhöhte Ahndung des Rotlichtverstoßes bei einer länger als eine Sekunde dauernden Rotphase des Wechsellichtzeichens in der ab diesem Zeitpunkt eintretenden abstrakten Gefährdung des Querverkehrs liegt (so auch: OLG Düsseldorf (2. Strafsenat) NZV 1996, 117). Diese Gefährdung des Querverkehrs besteht sodann während der gesamten über eine Sekunde hinaus andauernden Rotlichtphase, so dass bei einer Nichtbeachtung der Lichtzeichenanlage innerhalb dieses Zeitraumes eine erhöhte Sanktion mit Rücksicht auf das bestehende Gefährdungspotential auch sachgerecht erscheint. Diese Gefährdung des Querverkehrs besteht auch in gleicher Weise sowohl in den Fällen, in denen ein Fahrzeugführer aus einer Fahrbewegung bei Beginn der Rotlichtphase oberhalb einer Sekunde die Lichtzeichenanlage noch passiert, als auch in den Fällen, in denen ein Fahrzeugführer nach zunächst erfolgter Beachtung des Rotlichts in einer späteren Phase des Rotlichts aufgrund einer Unachtsamkeit z. B. aus Anlass eines Wahrnehmungsfehlers in den Kreuzungsbereich einfährt. Dem steht letztlich auch die Erwägung nicht entgegen, in Fällen der vorliegenden Art sei das Verhalten des Fahrzeugführers grundsätzlich nicht auf grobe Nachlässigkeit bzw. Rücksicht oder Verantwortungslosigkeit zurückzuführen, denn die Anwendung dieses Regelfalls setzt nach dessen Wortlaut nicht voraus, dass es sich um eine grobe Fahrlässigkeit handeln muss. Die widerlegbare Vermutung, dass es sich um einen erschwerten Fall handelt, greift vielmehr bereits dann ein, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, weil dann eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers (§ 25 Abs. 1 StVG) indiziert wird. Anderenfalls würde das bedeuten, dass schon grundsätzlich beim "Übersehen eines Verkehrszeichens" die Voraussetzungen für einen groben Verstoß eines Kraftfahrzeugführers gem. § 25 Abs. 1 S.1 StVG und damit für die Verhängung eines Fahrverbotes nicht vorlägen (so OLG Jena DAR 1995, 209; DAR 1995, 260). Dabei wird allerdings verkannt, dass auch in einer bloßen Unachtsamkeit eine gravierende Fahrlässigkeit liegen kann (vgl. hierzu BayObLG DAR 1996, 103, 104).
Angesichts dessen hat das Amtsgericht zutreffend im vorliegenden Fall die Voraussetzungen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes gemäß Nr. 34.2 BKatV angenommen. Es war sich hierbei der indiziellen Bedeutung des Regelfalles der Nr. 34.2 BKatV bewusst und hat sodann die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, indem es rechtsfehlerfrei bei der Festsetzung der Geldbuße von dem Regelbetrag in Höhe von 250,- DM ausgegangen ist und sodann unter Hinweis auf einen "untypischen Rotlichtverstoß" mit vertretbarer Begründung von der Bestimmung des § 2 Abs. 4 BKatV Gebrauch gemacht und unter Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes den Regelbetrag angemessen auf eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 400,- DM erhöht hat.
Da die Rechtsbeschwerde somit keinen Erfolg hat, waren dem Betroffenen gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


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