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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 13/97 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Umfang der Feststellungen und zur Begründung der Entscheidung, von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot abzusehen.

Senat: 3

Gegenstand: Owi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Gründe für ein Absehen von Fahrverbot, tatrichterliches Ermessen, ausreichende Feststellungen

Normen: StVO 3, 2 Abs. 2 BKatV

Beschluss: Bußgeldsache gegen T.S.,
wegen Zuwiderhandlung gegen § 41 StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 11. Oktober 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06.02.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und nach Anhörung des Betroffenen und seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.

Gründe:
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 41, 49 StVO, 24 StVG mit einer Geldbuße von 500,- DM belegt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Amtsgericht abgesehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, die die Generalstaatsanwaltschaft in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat.

Damit steht rechtskräftig fest, dass der Betroffene am 15. Dezember 1995 gegen 21.34 Uhr mit einem PKW mit amtlichem Kennzeichen GNT-J 85 die BAB 2 in Bad Oeynhausen in Fahrtrichtung Hannover befuhr. In Höhe des Kilometersteins 301,5 betrug seine Fahrgeschwindigkeit unter Berücksichtigung eines vom Amtsgericht vorgenommenen Toleranzabzuges von 5 km/h 130 km/h, obwohl in diesem Bereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit aufgrund vorangehend beidseitig der Fahrbahn aufgestellter Verkehrszeichen auf 100 km/h beschränkt war.

Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Amtsgericht vier verkehrsrechtliche Vorbelastungen des Betroffenen im Zeitraum von November 1992 bis Juli 1995 unter Aufführung der jeweiligen Rechtskraftdaten im einzelnen dargelegt. Es hat alsdann ausgeführt, dass der Bußgeldkatalog für die vorliegende Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft eine Regelbuße von 100,- DM vorsieht. Sodann hat es unter Berücksichtigung der vierten im einzelnen mitgeteilten Vorbelastung des Betroffenen vom 25. Juli 1995 - rechtskräftig seit dem 12. August 1995 -, bei der es um eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h ging, ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Regelfalls für ein Fahrverbot nach § 2 Abs. 2 BKatV vorliegen. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Amtsgericht indessen nach § 2 Abs. 4 BKatV unter entsprechender Verschärfung der Geldbuße abgesehen. Hierzu heißt es im angefochtenen Urteil:
"Denn in Anbetracht der Tatsache, dass der Betroffene spät abends den Geschwindigkeitsverstoß auf einer Bundesautobahn mit entsprechend geringem Verkehrsaufkommen begangen hat, ist in diesem Fall von einer geringen Gefährlichkeit und einem geringeren Handlungsunrecht als normalerweise üblich auszugehen. Ferner erschien in Anbetracht der persönlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnisse des Betroffenen das Absehen vom Fahrverbot angemessen. Der Betroffene ist als selbständiger Lkw-Berufskraftfahrer zur Unterhaltung seiner eigenen Person und seiner Familie auf die Einkommensquelle, die er durch seine Fahrten schafft, angewiesen. In diesem Fall konnte nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Betroffenen möglich ist, auch nur für einen Monat finanziell in der Lage zu sein, einen Fahrer einzustellen. Die Geldbuße war somit auch in Anbetracht der Voreintragungen des Betroffenen angemessen zu erhöhen. Das Gericht geht davon aus, dass in diesem speziellen Fall die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße, die deutlich über der bisher höchsten Geldbuße von 210,00 DM liegt, die der Betroffene bisher erhalten hat, ausreicht, um auf den Betroffenen im Sinne einer Besinnungsmaßnahme ausreichend verkehrserziehend einzuwirken.“

Die Rechtsbeschwerde, mit der unter näheren Darlegungen die Nichtverhängung eines Fahrverbots gerügt wird, hat einen - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die Erwägungen und Vermutungen des Amtsgerichts rechtfertigen ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht. Nach § 2 Abs. 4 BKatV kann in Ausnahmefällen unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden. Hierfür reichen nach obergerichtlicher Rechtsprechung möglicherweise schon erhebliche Härten oder aber eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um eine Ausnahme zu begründen (BGH NZV 1992/117, 119; ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Beschluss vom 7. März 1996, 3 Ss OWi 1304/95 - in JMBl. NW 1996 S. 246 -, Beschluss vom 30.09.1996, 3 Ss OWi 972/96, Beschluss vom 10.12.1996, 3 Ss Owi 1405/96; vgl. auch OLG Naumburg NZV 1995/161).

Da derartige Umstände, die ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße rechtfertigen können, sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen lassen, konnte das Urteil im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und somit von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (BGH NZV 1992/286, 288). Ihm ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung des Fahrverbots oder des Absehens von einem solchen nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. hierzu die genannten Senatsentscheidungen).

Vorliegend hat das Amtsgericht seine Entscheidung im wesentlichen auf Vermutungen gestützt, ohne konkrete Feststellungen zu treffen. So bleibt unklar, ob es sich bei dem mitgeteilten "entsprechend geringen Verkehrsaufkommen" um eine Tatsachenfeststellung handelt oder um eine bloße Schlußfolgerung des Gerichts aufgrund der festgestellten Tatzeit, die allerdings zu Bedenken Anlass gäbe, da es sich bei dem Tattag, dem 15. Dezember 1995, um einen Freitag handelte, bei dem gegen 21.34 Uhr erfahrungsgemäß lebhafter Verkehr auf der genannten Bundesautobahn herrscht. Für eine Schlußfolgerung durch das Amtsgericht spricht der Umstand, dass im Rahmen der eigentlichen Feststellungen (U.A. S. 3, 2. Absatz) von einem "entsprechend geringen Verkehrsaufkommen" nicht die Rede ist. Zutreffend macht zudem die Rechtsbeschwerde geltend, dass mit Rücksicht auf die zur Tatzeit herrschende Dunkelheit und der hieraus folgenden eingeschränkten Sichtmöglichkeiten eher von einer gesteigerten Gefährlichkeit statt von einer unterdurchschnittlichen auszugehen gewesen wäre.

Soweit das Amtsgericht "in Anbetracht der persönlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnisse des Betroffenen" ein Absehen vom Fahrverbot für angemessen gehalten hat, ist darauf hinzuweisen, dass es zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen keinerlei Feststellungen getroffen hat. Insoweit hat es lediglich ausgeführt, es habe nicht davon ausgegangen werden können, dass es dem Betroffenen möglich sei, auch nur für einen Monat finanziell in der Lage zu sein, einen Fahrer einzustellen. Bei der weiteren Erwägung, der Betroffene gewährleiste mit seinem Einkommen als selbständiger Lkw-Berufskraftfahrer den Unterhalt seiner Person und den seiner Familie und sei auf diese Einkommensquelle angewiesen, handelt es sich um Umstände, die nahezu auf jeden selbständigen Berufstätigen zutreffen. Mangels näherer Feststellungen zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des in verkehrsrechtlicher Hinsicht mehrfach nachteilig in Erscheinung getretenen Betroffenen sind Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefalls i.S.d. § 2 Abs. 4 BKatV nicht erkennbar.

Daher war das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben. Die Sache war insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückzuverweisen.


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