Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1063/96 OLG Hamm
Leitsatz: Gegen die Wirksamkeit eines mittels einer EDV-Anlage erstellten Bußgeldbescheides ergeben sich dann keine Bedenken, wenn er auf einem erkennbaren und nachprüfbaren Willensakt der Bußgeldbehörde beruht.
Senat: 3
Gegenstand: Owi
Stichworte: Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen, Sachrüge gegen das Urteil, Erlass des Bußgeldbescheides durch Computer, Geschwindigkeitsüberschreitung
Normen: OWiG 66, OWiG 74 Abs. 2 OWiG, StVO 3
Beschluss: Bußgeldsache gegen P.P.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr außerorts,
(hier: Verwerfung des Einspruchs gemäß § 74 Abs. 2 OWiG).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 04.04.1996 gegen das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 01.04.1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 02.10.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen :
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Oberkreisdirektors - Bußgeldstelle - des Ennepe-Ruhrkreises vom 28.12.1995 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Gegen dieses Urteil, dass den von dem Verteidiger des Betroffenen unterbevollmächtigten Rechtsanwälten am 29.04.1996 zugestellt worden ist, richtet sich die am 06.04.1996 eingelegte und mit am selben Tage beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz des Verteidigers vom 29.05.1996 begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge. Insoweit wird ergänzend gerügt, dass der schriftsätzliche Sachvortrag des Betroffenen der Entscheidung des Amtsgerichts nicht zugrundegelegt worden ist.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die allein erhobene Sachrüge ermöglicht hier lediglich die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf das Vorliegen von Verfahrenshindernissen, da das Verwerfungsurteil gemäß § 74 Abs. 2 ein Prozeßurteil ohne sachlich-rechtlichen Inhalt ist (Senatsbeschluss vom 13.06.1996, 3 Ss OWi 603/96; Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 74 Rdnr. 48 a, b).
Verfahrenshindernisse sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Wirksamkeit des dem Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheides des Ennepe-Ruhr-Kreises vom 28.12.1995. Dieser ist nämlich nicht schon deshalb unwirksam, weil er durch einen Computer erstellt und nicht durch einen Sachbearbeiter eigenhändig unterzeichnet worden ist, da der Bußgeldbescheid auch in dieser Form den Mindestanforderungen des § 66 OWiG genügt (OLG Hamm, NJW 1995, 2937; Senat, Beschluss vom 24.10.1995 - 3 Ss OWi 848/95; OLG Naumburg, NZV 1995, 410; OLG Dresden, NZV 1996, 42; OLG Brandenburg, DAR 1996, 105). Allerdings muss ein mittels einem EDV-Anlage erstellter Bußgeldbescheid in jedem Fall auf einem erkennbaren und nachprüfbaren Willensakt der Bußgeldbehörde beruhen (OLG Hamm, a.a.O.; Senat, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O.), wobei das OLG Brandenburg darüber hinausgehend noch verlangt, dass der Erlass des Bußgeldbescheides von dem zuständigen Sachbearbeiter aktenkundig verfügt worden ist (OLG Brandenburg, a.a.O.). Ein Computer darf in selbständiger Erledigung nämlich nur solche Arbeitsabläufe übernehmen, die streng schematisiert sind und die auf einer ausschließlich formellen Prüfung beruhen. Eine solche Bearbeitung ist daher nur für das Verfahren bis zum eigentlichen Erlass des Bußgeldbescheides durch die Behörde und für die nach diesem Erlass liegende weitere Verfahrensbearbeitung wie insbesondere Ausdruck des Bescheides und dessen Versand zulässig. Der Erlass des Bescheides selbst muss demgegenüber auf einer nachprüfbar willensgetragenen Entscheidung des Sachbearbeiters der Bußgeldbehörde beruhen, der zu prüfen hat, ob er aufgrund des im summarischen Verfahren ermittelten Sachverhaltes, der auch das Ergebnis der vorgeschriebenen Anhörung umfaßt, die Überzeugung von der Schuld des Betroffenen gewonnen hat und eine Ahndung nach pflichtgemäßen Ermessen für geboten hält (vgl. KK-Kurz, OWiG, § 65 Rdnr. 14; OLG Hamm, a.a.O.; Senat, a.a.O.). Nur eine willensgetragene Tätigkeit der Verwaltungsbehörde, nicht aber allein eine technische Anlage ist dementsprechend befugt, ein Hoheitsakt - wie z. B. einen Bußgeldbescheid - zu erlassen (Senat, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der im vorliegenden Fall ergangene Bußgeldbescheid des Oberkreisdirektors des Ennepe-Ruhr-Kreises wirksam. Zwar ist in den Akten eine Verfügung des Sachbearbeiters hinsichtlich des Erlasses des Bußgeldbescheides nicht zu entnehmen, jedoch ergibt sich aus dem Anschreiben der Bußgeldstelle vom 28.12.1995 an den Verteidiger, in welchem es u. a. heißt: "Gegen ihren o. a. Mandanten habe ich heute einen Bußgeldbescheid erlassen", dass der Sachbearbeiterin die Entscheidung, ob und in welcher Form der Bescheid erlassen werde, oblegen hat. Dieser sich bereits aus der Akte ergebende Verfahrensablauf wird durch eine vom Berichterstatter fernmündlich bei der Sachbearbeiterin des Oberkreisdirektors des Ennepe-Ruhr-Kreises eingeholte Auskunft über den dortigen Verfahrensablauf bis zum Erlass des Bußgeldbescheides bestätigt. Danach wird der Abschluß der Ermittlungen in der einzelnen Bußgeldsache dem zuständigen Sachbearbeiter durch die EDV-Anlage mitgeteilt. Der Sachbearbeiter zieht daraufhin den Vorgang, über den jeweils eine neben der EDV geführte schriftliche Akte besteht, und entscheidet sodann nach Studium dieser Akte über den Erlass des Bußgeldbescheides. Allein der Ausdruck des Bescheides erfolgt dann wiederum im Wege der elektronischen Datenverarbeitung.
Damit steht fest, dass im vorliegenden Fall die Entscheidung, ob und in welcher Form der Bußgeldbescheid erlassen werde, von der zuständigen Sachbearbeiterin getroffen worden ist, die nach umfassender Prüfung des ermittelten Sachverhaltes, die auch das Ergebnis der vorgeschriebenen Anhörung umfaßte, zu der Überzeugung gelangte, dass die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Bußgeldtatbestandes erfüllt waren. Bei dieser Sachlage bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides.
Soweit das OLG Brandenburg die Ansicht vertritt, Voraussetzung für die Wirksamkeit eines im Wege der EDV gefertigten Bußgeldbescheides sei stets, dass sein Erlass aktenkundig verfügt worden ist, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Von einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG hat der Senat indes abgesehen, da das Oberlandesgericht Brandenburg es für die Wirksamkeit eines im EDV-Verfahren erlassenen Bußgeldbescheides offenbar genügen lassen will, dass aus den Akten ein Hinweis darauf hervorgeht, dass die zuständige Sachbearbeiterin auch die Fertigung des Bußgeldbescheides verfügt hat (OLG Brandenburg, DAR 1996, 106). Da diese Voraussetzungen hier jedenfalls mit dem Anschreiben der Sachbearbeiterin vom 28.12.1995 an den Verteidiger erfüllt sind, war im Ergebnis auch nach der Rechtsansicht des OLG Brandenburg im vorliegenden Fall von einem wirksamen Bußgeldbescheid auszugehen.
Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG hat der Betroffene hier nicht, jedenfalls aber nicht in der gemäß § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 StPO gebotenen Form, geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
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