Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1199/96 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Zulassung der Rchtsbeschwerde, wenn das Amtsgericht fälschlich davon ausgegangen ist, dass der Verfolgungsverjähung eingetreten sei.
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Rechtsbeschwerde, Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung, Verjährung, Zulassung, Zulassungsbeschwerde
Normen: OWiG 33, OWiG 80
Beschluss: Bußgeldsache gegen C.C.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Essen vom 12.08.1996 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 29.07.1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26.11.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hattingen zurückverwiesen.
Gründe:
I. Das Amtsgericht Hattingen hat mit dem angefochtenen Urteil das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen eingestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Betroffenen zur Last gelegt werde, am 12.10.1995 sich in Sprockhövel einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 41, 49 StVO, 24 StVG schuldig gemacht zu haben. Der Betroffene sei aber vor dem am 12.02.1996 erlassenen Bußgeldbescheid zu diesem Vorwurf nicht angehört worden, so dass es auch zu keiner Unterbrechung der Verjährung gekommen sei. Deshalb sei das Verfahren gemäß §§ 260 StPO, 46 OWiG wegen eines endgültigen Verfahrenshindernisses einzustellen.
Gegen dieses Urteil richtet sich das als Rechtsbeschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Essen vom 12.08.1996, das die Staatsanwaltschaft am 02.09.1996 begründet hat. Die Staatsanwaltschaft Essen rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Verjährung sei rechtzeitig unterbrochen worden, da der Betroffene ausweislich sich eines bei den Akten befindenden Vermerks der Polizei-Inspektion Wetter am 08.12.1995 i.S.d. § 55 Abs. 1 OWiG zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf angehört worden sei.
Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Essen hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen bedarf allerdings der Zulassung nach §§ 79 Abs. 1 S.2, 80 Abs. 1 OWiG. Ein Fall des § 79 Abs. 1 S.1 Nr. 3 OWiG liegt nämlich nicht vor, da gegen den Betroffenen wegen der Tat im Bußgeldbescheid keine Geldbuße von mehr als 500,- DM festgesetzt worden war und die Staatsanwaltschaft auch nicht eine solche Geldbuße beantragt hatte. Da das Verfahren gegen den Betroffenen insgesamt eingestellt worden ist, ist die Rechtsbeschwerde hier auch nicht etwa gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 OWiG zulässig (vgl. dazu BGH NJW 1991, 1367).
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Das Amtsgericht hat nämlich in der grundsätzlichen Frage der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG eine Fehlentscheidung getroffen, die angesichts des Gewichtes der dem Betroffenen zur Last gelegten Verkehrsordnungswidrigkeit - Geschwindigkeitsüberschreitung um 37 km/h - zu schwer erträglichen Unterschieden in der Rechtsanwendung führen würde.
Die Verfolgung der dem Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit war hier entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht verjährt. Vielmehr war durch die Anhörung des Betroffenen am 08.12.1995 die Verfolgungsverjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden, so dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides am 07.02.1996 noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten war. Aus dem Vermerk des PHK S. von der Polizei-Inspektion Wetter vom 08.12.1995 ergibt sich eindeutig, dass der Betroffene an diesem Tage durch den Zeugen als Fahrzeugführer identifiziert und belehrt worden ist. Weiterhin ist ihm danach das Lichtbild von der Radarmessung vorgelegt worden, worauf der Betroffene unter Hinweis auf den bereits hinzugezogenen Rechtsanwalt erklärte, zu dem Vorwurf keine Angaben machen zu wollen. Da für die Anhörung des Betroffenen nach § 55 Abs. 1 OWiG eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist, seine mündliche Anhörung vielmehr ausreicht (Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 33 Rdnr. 7, 48 und § 55 Rdnr. 4), liegt hierin die erste Vernehmung des Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, so dass am 08.12.1995 die Verjährung unterbrochen wurde.
Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens ist keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Verjährung ist später insbesondere durch den Erlass des Bußgeldbescheides am 07.02.1996 gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 S.1 OWiG unterbrochen worden und ruht seit dem Urteil vom 29.07.1996 gemäß § 32 Abs. 2 OWiG jedenfalls bis zur Entscheidung des Senats (vgl. Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 32 Rdnr. 10).
Schließlich besteht auch die gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG im Rahmen der Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderliche Gefahr, dass ohne die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit weiteren Fehlentscheidungen des Amtsgerichts Hattingen in vergleichbaren Fällen zu rechnen ist. Das Amtsgericht hat die Frage der Verjährung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 29.07.1996 mit dem Betroffenen und seinem Verteidiger erörtert und die Akte überprüft. Es ist daher davon auszugehen, dass es in Kenntnis der von der Verwaltungsbehörde mit Schreiben vom 11.04.1996 unter Hinweis auf den polizeilichen Vermerk vom 08.12.1995 dargelegten Rechtslage entschieden hat. Die im vorliegenden Verfahren auftretende Konstellation, bei der ein anderer Familienangehöriger als der Fahrzeughalter Fahrer des Kraftfahrzeuges und Täter der Ordnungswidrigkeit ist, kommt zudem in der Praxis häufig vor. Auch aus diesem Grunde besteht die Gefahr,' dass es in zukünftigen Fällen weiterhin zu fehlerhaften Entscheidungen durch das Amtsgericht Hattingen kommen wird. Insoweit teilt der Senat die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 22.10.1996, die dem Betroffenen und seinem Verteidiger bekannt ist.
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