Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1522/96 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Zu den Anforderungen an eine ordnunsgemäße Bezugnahme im Sinn von § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO.
2. Zu den erforderlichen Ausführungen, wenn der Betroffene anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes identifiziert werden soll .
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Identifizierung anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichbildes,Bildqualität, Geschwindigkeitsüberschreitung, Identifizierung, Verweisung auf Foto
Normen: StPO Abs. 1 Satz 3
Beschluss: Bußgeldsache gegen D.B.,
wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 StVO.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden/Westfalen vom 31. Juli 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 07.01.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.
Gründe:
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 3 Abs. 3 StVO mit einer Geldbuße von 175,00 DM und einem Fahrverbot von zwei Monaten belegt. Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Zwar erweist sich die formelle Rüge, die nicht näher ausgeführt ist, als unzulässig. Indessen hat die Rüge der Verletzung materiellen Rechts - zumindest vorläufiqen - Erfolg.
Die Feststellungen und Erwägungen im angefochtenen Urteil zur Täterschaft des Betroffenen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Insoweit hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Betroffene der auf dem Radarfoto (Bl. 2 d. A.) abgebildete Fahrer des gemessenen Fahrzeuges ist. Das Gericht hatte Gelegenheit, den Betroffenen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen. Es konnte dabei festgestellt werden, dass er mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch ist. Es handelt sich bei dem abgebildeten Fahrer um eine männliche Person. Die Gesichtsform des Betroffenen ist mit der Gesichtsform des abgebildeten Fahrers identisch. Insbesondere die Nase und das Kinn des Betroffenen stimmt mit denen des abgebildeten Fahrers überein. Eine Übereinstimmung liegt auch hinsichtlich der Augenpartie vor. Dagegen ist der Bruder des Betroffenen, der Zeuge T.B., wesentlich jünger als der auf dem Radarfoto abgebildete Fahrer."
Diese Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer des Tatfahrzeugs genügen nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1995 (NZV 1996/157 f) ausgeführt, dass es in Fällen, in denen im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Beweisfoto verwiesen wird, in der Regel keiner näheren Ausführungen bedarf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach Inhalt oder Qualität des Fotos Zweifel an seiner Eignung als Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers bestehen. Vorliegend ist jedoch eine Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, aufgrund deren das Foto Bestandteil der Urteilsgründe geworden wäre, nicht erfolgt. Die Formulierung: "Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Betroffene der auf dem Radarfoto (Bl. 2 d. A.) abgebildete Fahrer des gemessenen Fahrzeugs ist, stellt keine derartige Verweisung dar (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl. RN 8 zu 267; Senatsentscheidung v. 05.11.1996 - 3 Ss OWi 1195/96 und Senatsentscheidung v. 12.12.1996 - 3 Ss OWi 1291/96 -). Der Senat folgt. insoweit nicht der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft im Antrag vom 20. Dezember 1996.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH a.a.O.) muss in Fällen, in denen eine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto unterblieben ist, das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist. Daran mangelt es hier. Es wird lediglich mitgeteilt, dass bei dem abgebildeten männlichen Fahrer die Gesichtsform mit der Gesichtsform des Betroffenen identisch sei, dass insbesondere Nase und Kinn des Betroffenen mit denen des abgebildeten Fahrers übereinstimmen und auch hinsichtlich der Augenpartie eine Übereinstimmung vorliege. Eine Mitteilung dahingehend, wie Gesichtsform, Nase, Kinn und Augenpartie des Betroffenen und des auf dem Radarfoto abgebildeten Fahrzeugführers ausgestattet sind, sowie eine Darlegung etwaiger weiterer Merkmale fehlen. Auch lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen, ob das bei den Akten befindliche Beweisfoto hinsichtlich der Bildqualität, insbesondere hinsichtlich der Bildschärfe als Grundlage für eine Identifizierung tauglich ist.
Dabei kann dahinstehen, ob ausdrückliche Ausführungen zur Bildqualität ausnahmsweise entbehrlich sind, wenn der Tatrichter in den Urteilsgründen einen ins einzelne gehenden Vergleich mehrerer charakteristischer Merkmale vorgenommen hat, aus denen sich zwingend die Geeignetheit des Frontfotos zur Identifizierung ergibt (so BayObLG DAR 1996/411 f, Senatsentscheidung v. 30.01.1996 - 3 Ss OWi 1491/95 -). Vorliegend sind nur einzelne Identifizierungsmerkmale allgemein angesprochen, ohne dass sie konkret geschildert worden sind.
Nach alledem war das angefochtene Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückzuverweisen.
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