Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1536/96 OLG Hamm
Leitsatz: Zu den erforderlichen Ausführungen in den Urteilsgründen, wenn der Betroffene anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes identifiziert werden soll, eine prozeßordnungsgemäße Bezugnahme auf das Lichtbild aber nicht vorliegt .
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Identifizierung anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichbildes, keine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf Foto
Normen: StPO 267 Abs. 1 Satz
Beschluss: Bußgeldsache gegen B.L.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 02.10.1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14.01.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.
Gründe:
I. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 41, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 400,- DM festgesetzt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen soll der Betroffene am 4. März 1996 um 11.29 Uhr als Führer des PKW VW, amtliches Kennzeichen MI-NM 997, in HilleOberlübbe die Ellernstraße in Höhe der Hausnummer 1 mit einer Fahrtgeschwindigkeit von abzüglich des Toleranzwertes 90 km/h befahren haben, obwohl in diesem Bereich innerhalb der geschlossenen Ortschaft eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h galt.
Der Betroffene, der sich zu dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht eingelassen hatte, ist von dem Amtsgericht aufgrund des Vergleichs seines äußeren Erscheinungsbildes mit dem von der Geschwindigkeitsmeßanlage gefertigten Beweisfoto als überführt angesehen worden, das Fahrzeug zur Tatzeit geführt zu haben.
In den Urteilsgründen ist hierzu folgendes ausgeführt:
"Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Betroffene der auf dem Radarfoto Bl. 1 d.A. abgebildete Fahrer des gemessenen Fahrzeuges ist. Das Gericht hatte Gelegenheit, den Betroffenen im Hauptverhandlungstermin in Augenschein zu nehmen. Es konnte dabei festgestellt werden, dass er mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch ist. Es handelt sich bei dem abgebildeten Fahrer des Fahrzeuges um eine männliche Person jungen Alters. Dies trifft auch bei dem Betroffenen zu. Die Haarfrisur des abgebildeten Fahrers ist ebenso wie bei dem Betroffenen durch einen Mittelscheitel und längeres Haar, etwas über Kinnlänge, gekennzeichnet. Die Gesichtsform des auf dem Radarfoto abgebildeten Fahrers ist ebenso wie bei dem Betroffenen oval. Auch die Breite der Kopfform, die Mund- und Augenpartie sowie die schmale Nase des abgebildeten Fahrers entsprechen dem Aussehen des Betroffenen. Darüberhinaus fällt die schmale Statur des auf dem Radarfoto abgebildeten Fahrers, insbesondere die schmale Schulterpartie, ins Auge, die auch bei dem Betroffenen zu erkennen ist.
Im weiteren enthält das angefochtene Urteil umfangreiche Ausführungen zur Frage des Strafklageverbrauches. Dem liegt zugrunde, dass an die mittlerweile verstorbene Mutter des Betroffenen, Frau M.L., mit Bescheid des Oberkreisdirektors des Kreises Minden-Lübbecke vom 09.03.1996 wegen einer am 04.03.1996 um 11.35 Uhr an derselben Meßstelle begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 14 km/h eine schriftliche Verwarnung ergangen und ein Verwarnungsgeld vom 50,- DM erhoben worden war. Dieses Verwarnungsgeld ist in der Folgezeit gezahlt worden. Insoweit war nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils aufgrund eines EDV-Eingabefehlers das Radarfoto des Betroffenen, welches sich auf die Geschwindigkeitsüberschreitung in Hille-Oberlübbe am 4. März 1996 um 11.29 Uhr bezieht, einer von einer dritten Person begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung an dieser Stelle am selben Tage um 11.35 Uhr zugeordnet worden. In der Folgezeit hat der Oberkreisdirektor den Verwarnungsgeldbescheid dann zurückgenommen und das bereits gezahlte Verwarnungsgeld erstattet. Den Strafklageverbrauch bezüglich der dem Betroffenen hier vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht mit näheren Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, deshalb verneint, weil es sich bei der Geschwindigkeitsüberschreitung am 04.03.1996 um 11.35 Uhr um eine gegenüber der dem Betroffenen hier vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit andere Tat handele.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Minden verfolgt. Der Betroffene rügt die Verletzung materiellen Rechts und vertritt mit näheren Ausführungen die Ansicht, dass aufgrund der gegen die Mutter des Betroffenen ergangenen Verwarnung hinsichtlich der ihm hier vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung ein Verfolgungshindernis eingetreten sei.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Minden.
Allerdings ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde aufgrund der gegenüber der Mutter des Betroffenen ergangenen Verwarnung kein Verfolgungshindernis gemäß § 56 Abs. 4 OWiG eingetreten. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden. Der Eintritt des Verfolgungshindernisses gemäß § 56 Abs. 4 OWiG setzt voraus, dass die Verwarnung wegen derselben Tat erfolgt ist, wegen derer nunmehr ein Bußgeld gegen den Betroffenen festgesetzt worden ist. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es hier aber an der erforderlichen Tatidentität, da die zu verschiedenen Zeitpunkten begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen voneinander unabhängige, selbständige historische Vorgänge und damit jeweils selbständige Taten i.S.d. § 56 Abs. 4 OWiG darstellen und sich die Verwarnung im Übrigen auch nicht gegen den Betroffenen, sondern gegen eine dritte Person, nämlich gegen seine Mutter, richtete. Aus dem letztgenannten Grunde hätte daher selbst bei der hier bereits fehlenden Tatidentität jedenfalls gegenüber dem Betroffenen kein Verfolgungshindernis aufgrund der Verwarnung entstehen können.
Dagegen hat die Rechtsbeschwerde aufgrund der Sachrüge zumindest vorläufigen Erfolg, da das angefochtene Urteil in seiner Begründung nicht den Anforderungen entspricht, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19. Dezember 1995, 4 StR 170/95, DAR 1996, 98) an die Darstellung der Identifizierung des Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos zu stellen sind. Danach muss das Urteil dann, wenn es - wie hier - eine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto gemäß § 267 Abs. 1 S.3 StPO nicht enthält, Ausführungen zur Bildqualität aufweisen und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist. Dabei kann die Zahl der zu beschreibenden Merkmale um so kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen, während die Beschreibung um so mehr Merkmale umfassen muss, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Auch sind Umstände zu schildern, die eine Identifizierung erschweren können. Dagegen genügt es weder, dass der Tatrichter allein das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, dass er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale lediglich auflistet.
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es enthält über die gerade nicht ausreichende, bloße Auflistung der vom Tatrichter zur Identifizierung herangezogenen und im Übrigen auch sehr allgemein gehaltenen und geschilderten Merkmale des Betroffenen bzw. der auf dem Beweisfoto abgebildeten Person keinerlei Angaben zur Bildqualität. Solche Angaben waren hier auch nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich, weil aufgrund eines ins Einzelne gehenden Vergleichs mehrerer charakteristischer Merkmale durch den Tatrichter zwingend auf die Geeignetheit des Frontfotos zur Identifizierung geschlossen werden könnte (BayObLG, DAR 1996, 411, Senat, Beschluss vom 30.01.1996 - 3 Ss OWi 1491/95 -). Dazu wäre nämlich zumindest eine detaillierte Beschreibung der übereinstimmenden Merkmale erforderlich gewesen. An einer solchen Beschreibung fehlt es hier aber ebenfalls, da die Urteilsgründe sich darauf beschränken, in allgemeiner Form mehrere Identifizierungsmerkmale aufzulisten, ohne nähere Ausführungen dazu zu machen, wie diese Merkmale konkret ausgeprägt sind.
Das angefochtene Urteil war daher unter Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Minden mit den Feststellungen aufzuheben.
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