Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1275/96 OLG Hamm
Leitsatz: Ist eine Existenzgefährdung durch die Verhängung eines Fahrverbots nichts ausgeschlossen, will das Gericht aber von em Fahrverbot nicht absehen, muss es die berufliche Situation des Betroffenen und die Folgen eines Fahrverbots für seine wirtschaftliche Existenz und die seiner Familie in tatsächlicher Hinsicht näher darlegen müssen .
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Ausnahme von der Verhängung des Fahrverbots, Absehen vom Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung
Normen: StVG 25, BKatV 2 Abs. 4
Beschluss: Bußgeldsache gegen B.H.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 21. August 1996 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 21. August 1996 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 17.12.1996 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf der Grundlage seines Geständnisses wegen Überschreitens der innerhalb geschlossener Ortschaft zulässigen Geschwindigkeit um mindestens 33 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 200,- DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Hinsichtlich des Fahrverbotes enthalten die Entscheidungsgründe die Feststellung, dass ein Verzicht auf das Fahrverbot unter Erhöhung der Geldbuße nicht in Betracht komme, da der Betroffene in der Hauptverhandlung nicht habe darlegen können, dass es sich nicht um einen Regelfall handele oder das Fahrverbot für seine berufliche Existenz in besonderem Maße gefährdend wirken würde.
Hiergegen richtet sich die im Ergebnis auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, zu der die Generalstaatsanwaltschaft unter dem 4. Dezember 1996 wie folgt Stellung genommen hat:
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist form- sowie fristgemäß erhoben und begründet worden. Das Rechtsmittel ist zulässig auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, denn angesichts der uneingeschränkten Geständigkeit des Betroffenen ist bereits mit der Angabe der Geschwindigkeitsüberschreitung eine den Schuldspruch ausreichend tragende Grundlage gegeben (BGH NZV 1993, 485 ff); es erscheint auch begründet.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind erst bei der Verhängung einer Geldbuße von über 200,00 DM nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen erforderlich (zu vgl. Göhler, OWiG, 11. Auflage, § 17 Rdnr. 22 und OLG Hamm, DAR 1996, 65).
Die Begründung, mit der das Amtsgericht die Verhängung des gem. § 2 Abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1 a "Geschwindigkeitsüberschreiten hier indizierten Fahrverbots für unverzichtbar erachtet hat, erlaubt die gebotene Überprüfung indessen nicht. Im Falle einer groben Pflichtverletzung gem. § 2 Abs. 1 BKatV kann gem. Abs. 4 dieser Vorschrift zumal dann ausnahmsweise von dieser Regelfolge abgesehen werden, wenn sie eine für den Betroffenen erhebliche Härte bedeuten würde (BGHSt 38, 125 f und OLG Hamm, JMBl NW 1996, 77). Darunter ist zwar nicht jeder wirtschaftliche oder berufliche Nachteil zu verstehen, eine besondere Härte wäre aber bei einer existenzgefährdenden Einschränkung anzunehmen. Dieser Ausnahmefall kann hier nicht ausgeschlossen werden, denn der Betroffene ist selbständiger Handelsvertreter, und er hat nach dem angefochtenen Urteil geltend gemacht, "dass das Fahrverbot für seine berufliche Existenz in besonderem Maße gefährdend wirken würde". Wenn das Gericht einen Ausnahmefall dennoch ablehnte, so hätte es die berufliche Situation des Betroffenen und die Folgen eines Fahrverbots für seine wirtschaftliche Existenz und die seiner Familie in tatsächlicher Hinsicht näher darlegen müssen (Beschluss des OLG Hamm vom 26.03.1996 - 1 Ss OWi 219/96 -).
Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und der Bußgeldbemessung ist der Rechtsfolgenausspruch aber insgesamt aufzuheben (Göhler, a.a.O., § 79 Rdnr. 9)."
Dem schließt sich der Senat uneingeschränkt an, wobei der Senat für den Fall der erneuten Verhandlung und Entscheidung angesichts des Inhalts des amtsgerichtlichen Urteils, der Betroffene habe in der Hauptverhandlung nicht darlegen können, dass es sich nicht um einen Regelfall handele, ergänzend darauf hinweist, dass bei Vorliegen einer der Tatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BKatV im Hinblick auf die Verhängung eines Fahrverbotes zwar das Vorliegen eines groben Verstoßes i.S.d. § 25 Abs. 1 S.1 StVG indiziert ist, diese Indizwirkung aber nicht zur Folge hat, dass dem Betroffenen die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes aufgebürdet wird. Unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbotes und des Aufklärungsgrundsatzes hat vielmehr das Gericht von Amts wegen zu ermitteln und zu überprüfen, ob Umstände gegeben sind, die ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen könnten, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der konkrete Einzelfall in objektiver oder subjektiver Hinsicht zugunsten des Betroffenen von den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BKatV aufgeführten Regelfällen abweicht.
Das angefochtene Urteil war deshalb im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen.
zur Startseite "Rechtsprechung"
zum SuchformularDie Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".