Aktenzeichen: 3 BL 470/97 OLG Hamm
Senat: 3
Gegenstand: Haftprüfung durch das OLG nach 9 Monaten
Stichworte: wichtiger Grund, Zeitraum zwischen Eröffnung und Anklage von drei Monaten
Normen: StPO 121, StPO 122
Beschluss: Strafsache gegen 1. J. F. und 2. M.H.
wegen versuchter Vergewaltigung
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).
Auf die erneute Vorlage der Akten zur Entscheidung nach den §§ 121, 122 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.01.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeklagten und ihrer Verteidiger beschlossen:
Die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird erneut dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
Der Senat hat im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO bereits am 26. September 1997 die Haftfortdauer angeordnet. Das Landgericht hat ihm die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft zur erneuten Prüfung der Haftfrage vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat erneut beantragt, Haftfortdauer zu beschließen.
Dem Antrag war wiederum stattzugeben. Die in dem genannten Senatsbeschluss dargelegten Erwägungen treffen auch jetzt noch nach erneuter Prüfung zu. Neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, die zur Frage des dringenden Tatverdachts oder der Fluchtgefahr eine den Angeklagten günstigere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht hervorgetreten.
Eine solche ergibt sich für die Angeklagten auch nicht aus den nunmehr vorliegenden psychiatrisch-psychologischen Gutachten der Sachverständigen Dr. Br. und Bi. Beim Angeklagten F., der zur Zeit der ihm vorgeworfenen Tat Heranwachsender war, haben die Sachverständigen in ihrem vorläufigen Gutachten eine geistig-seelisch, körperlich und hirnorganisch gesunde, intellektuell überdurchschnittlich leistungsfähige, leistungsorientierte, extravertiert-sthenische, selbstbewußte Persönlichkeit festgestellt. Der Angeklagte F. sei altersgemäß gereift und bei Begehung der ihm vorgeworfenen Tat einsichts- und steuerungsfähig gewesen. Auch beim Angeklagten H. hat das vorläufige Gutachten keine Umstände ergeben, die der Anordnung einer Haftfortdauer entgegenstellen. Nach dem Ergebnis des Gutachtens handelt es sich bei diesem Angeklagten um eine geistig-seelisch, körperlich und hirnorganisch gesunde, intellektuell durchschnittlich leistungsfähige Persönlichkeit, die sich als wenig leistungsbereit, bedürfnisorientiert und zur Verdrängung und Abspaltung von Gefühlen, Konflikten und Belastungen neigend darstellt. Als Jugendlicher sei er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Zur aktuellen Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit durch Alkohol und Drogen bei der ihm vorgeworfenen Tat haben die Sachverständigen ausgeführt, dass beim Angeklagten H. für den Fall, dass seine Einlassung zum Tatgeschehen zutreffend sei, infolge einer hochgradigen Alkohol- und Drogenintoxikation Steuerungsunfähigkeit vorgelegen habe. Sollte dagegen, so die Sachverständigen, die Tatdarstellung des Angeklagten F. richtig sein, sei der Angeklagte H. bei Begehung der inkriminierten Handlung einsichts- und steuerungsfähig gewesen.
Dass und aus welchen Gründen bei der Beurteilung des dringenden Tatverdachts der Einlassung des Angeklagten F. zu folgen ist, hat der Senat bereits im Beschluss vom 26. September 1997 dargelegt. Daran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Demgemäss ist für den Angeklagten H. jedenfalls das Vorliegen von Schuldunfähigkeit auszuschließen.
Die besonderen Voraussetzungen für die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft liegen vor. Seit dem Senatsbeschluss vom 26. September 1997 ist das Verfahren weiter gefördert worden. Nach Eingang der psychiatrisch-psychologischen Gutachten hat die Staatsanwaltschaft die umfangreichen Ermittlungen in dieser Sache, die u.a. auch die Einholung mehrerer weiterer Gutachten erforderte, durch Anklageerhebung am 21.10.1997 abschließen können. Am 22.10.1997 hat der Vorsitzende der Jugendkammer des Landgerichts Bielefeld die Mitteilung der Anklageschrift mit einer Stellungnahmefrist von zwei Wochen verfügt. Den am 17.11.1997 eingegangenen Antrag der Mutter des Opfers auf Zulassung der Nebenklage hat der Vorsitzende der Jugendkammer der Staatsanwaltschaft Bielefeld am 21.11.1997 zur Stellungnahme übersandt. Am 24.11.1997 ist die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der Jugendkammer eröffnet worden. Am selben Tag ist Termin zur Hauptverhandlung bestimmt worden auf den 03.03.1998 mit Fortsetzungen am 05., 10. und 12.03.1998. Insoweit war die Abstimmung der Termine mit insgesamt fünf Sachverständigen erforderlich. Angesichts der Belastung der Jugendkammer, die dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, und aufgrund des Umstandes, dass ein früherer Beginn der Hauptverhandlung der Kammer wegen anderer anterminierter Verfahren, insbesondere Haftsachen, nicht möglich war, stellt ein Beginn der Hauptverhandlung gut drei Monate nach der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens einen Umstand dar, den die Angeklagten noch hinnehmen müssen. Es liegen somit wichtige Gründe vor, die ein Urteil bisher nicht zugelassen haben und die auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft - wie auch vom Landgericht nach wie vor erforderlich gehalten - rechtfertigen.
Die Nebenentscheidung beruht erneut auf § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.
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