Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1524/97 OLG Hamm
Leitsatz: Registriert der Betroffene über einen längeren Zeitraum nicht, dass er sich nicht mehr auf der BAB befindet, sondern bereits auf einer Landstraße, dann beruht die dort begangene Geschwindigkeitsüberschreitung auf grober Nachlässigkeit, ein Augenblicksversagen infolge eines "Blackouts" scheidet dann aus.
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Fahrverbot, Augenblicksversagen, erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, Blackout, grobe Nachlässigkeit, Höchstbußgeld
Normen: StVO 3, StVG 25, OWiG 17
Beschluss: Bußgeldsache gegen M.B.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15.09.1997 gegen das Urteil des Amtsgerichts Marl vom 15.09.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.12.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5, 6 OWiG beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Gegen den Betroffenen wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße in Höhe von 500,00 DM verhängt.
Weiter wird dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
§§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274); 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24, 25 StVG
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene.
Gründe:
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässigen Überschreitens der höchstzulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften ein Bußgeld in Höhe von 1.000,- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 23.08.1996 gegen 10.01 Uhr in Haltern mit seinem PKW Mercedes, amtliches Kennzeichen DU-LP 480, die B 58 in Richtung Haltern. In Höhe der Einmündung der Saarbrückenstraße fuhr der Betroffene eine gemessene Geschwindigkeit von 150 km/h. Auf dieser Straße außerhalb der geschlossenen Ortschaft ist eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h angeordnet. Von der mit einem Verkehrsradargerät Traffipax LI TPH-S gemessenen Geschwindigkeit hat das Amtsgericht einen Toleranzwert von 3 % abgezogen, so dass sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 145 km/h und eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 95 km/h ergibt.
Der Betroffene hat die Geschwindigkeitsüberschreitung eingestanden. In den Gründen des angefochtenen Urteils ist festgehalten, dass er sich dahingehend eingelassen habe, er sei als Geschäftsführer einer Gruppe von Industrieverbänden tätig und sehr viel mit dem Auto unterwegs. Bereits an den zwei Tagen der Woche, die er am Hauptsitz des Verbandes in Duisburg arbeite, habe er einen Fahrtweg von seinem Wohnort aus nach Duisburg von ca. 130 km. Ansonsten sei er auswärts zu Ortsterminen unterwegs und nehme diese Termine mit seinem eigenen PKW wahr. Mit seinen heute 67 Lebensjahren sei er ein erfahrener Autofahrer und habe in den letzten Jahren keine Eintragungen ins zentrale Verkehrsregister erhalten. Am betreffenden Tage sei er auf dem Wege zu einem Betriebsausflug am Stausee in Haltern gewesen. Eine Beschilderung habe er nicht wahrgenommen. Die gefahrene Geschwindigkeit von 150 km/h führe er darauf zurück, dass er die Geschwindigkeit noch von der Autobahn her gewohnt sei und auf der Landstraße einen einmaligen "Blackout" erlitten habe.
Bei der Bemessung des Bußgeldes und der Verhängung des Fahrverbotes hat das Amtsgericht zugunsten des Betroffenen berücksichtigt, dass die B 58 an der Messstelle gut ausgebaut, geradlinig geführt und ohne seitliche Wohnbebauung sei. Wer die Beschilderung nicht wahrnehme, gehe vom Fahrgefühl sicherlich nicht von einer Geschwindigkeitsbegrenzung aus, die angesichts des Ausbauzustandes und der Streckenführung dort für auswärtige Fahrer auch eine ganz und gar unübliche Verkehrsregelung darstelle. Deshalb gehe das Gericht auch trotz der extrem hohen Geschwindigkeit des Betroffenen noch von einer fahrlässigen Begehungsweise durch ihn aus. In Anbetracht der guten Einkommensverhältnisse des Betroffenen sei das nach der Gesetzeslage höchstmögliche Bußgeld von 1.000,- DM gegen ihn verhängt worden. Die Geschwindigkeitsüberschreitung stelle auch eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers dar, die die Verhängung eines Fahrverbotes zur Einwirkung auf den Betroffenen erforderlich mache. Angesichts der ausgeführten Besonderheiten der Messstelle und des Umstandes, dass der Betroffene trotz seiner hohen jährlichen Fahrleistung verkehrsrechtlich unbelastet sei und nach dem persönlichen Eindruck, den er dem Gericht vermittelt habe, sich volleinsichtig in sein Fehlverhalten gezeigt habe, sei ein Fahrverbot von einem Monat Dauer ausreichend.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung des sachlichen Rechts rügt. Zum einen überschreite die verhängte Geldbuße das gesetzliche Höchstmaß bei fahrlässigem Handeln gemäß §§ 24 StVG, 17 Abs. 2 OWiG, zum anderen liege bei dem Betroffenen nur ein Augenblicksversagen vor, das nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 11.09.1997 - 4 StR 638/96 -) nicht ohne weiteres die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertige. Auch mit der Rechtsbeschwerde hält der Betroffene an seiner Einlassung fest, die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit beruhe auf einem Blackout , den er als Augenblicksversagen wertet. Der Betroffene beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Geldbuße bis zum gesetzlich zulässigen Höchstmaß zu reduzieren und das Fahrverbot aufzuheben.
Die zulässige und nach dem eindeutigen Inhalt ihrer Begründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde hat in der Sache zunächst Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen entgegen § 17 Abs. 2 OWiG eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- DM festgesetzt, obwohl es nur eine Fahrlässigkeitstat hatte feststellen können. Das Höchstmaß der Geldbuße beträgt bei fahrlässigem Handeln aber nach der genannten Bestimmung des § 17 Abs. 2 OWiG 500,- DM. Dies hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft nicht beachtet.
Nach der Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch hat der Senat von der sich aus § 79 Abs. 6 OWiG ergebenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, in der Sache selbst zu entscheiden und hat gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 500,- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt. Der Urteilstenor des angefochtenen Urteils ist lediglich zur Klarstellung und insoweit zur Berichtigung neu gefaßt worden, als dass das Amtsgericht offenbar zu Unrecht auch einen Verstoß gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO angenommen hat, der allerdings bei Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaften ausscheidet.
Der Senat konnte hier gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden, da die dem Rechtsfolgenausspruch zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts von der festgestellten Gesetzesverletzung unberührt bleiben und im übrigen erkennbar erschöpfend und vollständig sind. Insbesondere rügt auch die Rechtsbeschwerde insoweit allein eine fehlerhafte Bewertung des von ihm festgestellten Sachverhaltes durch das Amtsgericht, macht aber gerade nicht geltend, dass etwa hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs noch weitere Feststellungen zu treffen wären.
Gegen den Betroffenen war zunächst eine Geldbuße in Höhe von 500,- DM als tat- und schuldangemessen festzusetzen. Der Betroffene hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit hier um mindestens 95 km/h überschritten. Die Regelgeldbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung (Tabelle 1 a, Buchst. c lfd. Nr. 5.3.6) sieht für eine fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch einen nicht vorbelasteten Betroffenen um mehr als 60 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften einen Regelsatz von 400,- DM vor. Da der Betroffene dieses Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung hier noch einmal um mehr als 50 % überschritten hatte, ist die gemäß § 17 Abs. 2 OWiG höchstzulässige Geldbuße in Höhe von 500,- DM zumindest angemessen.
Ferner war gegen den Betroffenen auch gemäß § 25 StVG ein Fahrverbot zu verhängen, das der Senat unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes auf einen Monat bestimmt hat. Zu Unrecht beruft sich der Betroffene hier mit seiner Rechtsbeschwerde auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.09.1997 - 4 StR 638/96 -, in: EBE/BGH Nr. 41, S. 322 ff.). Auch unter Anwendung der dort niedergelegten Grundsätze stellt die Tat des Betroffenen nämlich eine grobe Pflichtverletzung i.S.v. § 25 StVG dar. Zwar hat der Bundesgerichtshof in dem genannten Beschluss ausgeführt, dass dem Kraftfahrzeugführer das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden kann, wenn der Grund für die von ihm begangene erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung darin liege, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit. Die letztgenannten Voraussetzungen sind hier indes erfüllt. Die Fehlleistung des Betroffenen, das die Geschwindigkeitsbegrenzung bestimmende Verkehrszeichen nicht gesehen zu haben, beruht nämlich bereits unter Zugrundelegung seiner eigenen Einlassung auf grober Nachlässigkeit. Der Betroffene hat nämlich gerade nicht ausgeführt, dass er zur Tatzeit aufmerksam gefahren und nur in dem Augenblick unachtsam gewesen sei, als er das Verkehrsschild hätte wahrnehmen müssen. Er hat sich vielmehr und angesichts der Verkehrssituation - der Betroffene befand sich immerhin abseits der Autobahn auf einer Landstraße - glaubhaft dahin eingelassen, er habe aufgrund eines "Blackouts" die von ihm noch von der Autobahn her gewohnte Geschwindigkeit auf der Landstraße beibehalten. Diese Einlassung kann aber nur so verstanden werden, dass der Betroffene aufgrund dieses Blackouts überhaupt nicht registriert hatte, dass er die Autobahn verlassen hatte und sich nunmehr auf einer Landstraße befand, obwohl er zuvor zumindest die Autobahnabfahrt zur Landstraße hin und sodann dort die Strecke auf der Landstraße bis zur Messstelle zurückgelegt haben mußte. Bei dieser völligen Unaufmerksamkeit des Betroffenen über einen nicht allzu kurzen Zeitraum kann aber nicht mehr von einem Augenblicksversagen ausgegangen werden. Eine solche Unaufmerksamkeit stellt vielmehr eine grobe Nachlässigkeit dar. Dass er sich nicht mehr auf der Autobahn befand, hätte der Betroffene nämlich spätestens seit dem Abbiegen auf die Autobahnabfahrt und anschließend aufgrund der örtlichen Begebenheiten der von ihm befahrenen Landstraße bei auch nur geringster Aufmerksamkeit ohne weiteres feststellen können. Hinzu kommt, dass der Betroffene selbst dann, wenn er das Verbotszeichen aufgrund allenfalls leichter Fahrlässigkeit nicht gesehen hätte, zumindest hätte erkennen müssen, dass er sich auf einer Landstraße befindet, auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 c StVO außerhalb geschlossener Ortschaften auf 100 km/h begrenzt ist. Es verbliebe dann immer noch eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung um 45 km/h, die nach der Tabelle 1 a Buchst. c lfd. Nr. 5.3.4 der Bußgeldkatalogverordnung bereits für sich genommen die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots rechtfertigen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 71 Abs. 1 OWiG, §§ 465, Abs. 1; 473 Abs. 1 StPO.
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