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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 155/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen, auch wenn schon ein Urteil gegen den Angeklagten vorliegt.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Untersuchungshaft, U-Haft, besondere Sicherungsmaßnahmen, besondere Fluchtgefahr, besondere Verdunkelungsgefahr

Normen: StPO 119 Abs. 3, UVollzO Nr. 62

Beschluss: Strafsache gegen F.A. wegen Mordes u.a.,
hier: Beschwerde des Angeklagten gegen besondere Sicherungsmaßnahmen während des Vollzugs von Untersuchungshaft.

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 30. März 2000 gegen die Anordnung und Genehmigung von besonderen Sicherungsmaßnahmen durch den Vorsitzenden der 2. Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Münster vom 27. März 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.04.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
I. Der Angeklagte wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Anordnung und Genehmigung besonderer Sicherungsmaßnahmen während des Vollzugs von Untersuchungshaft.

Der Beschwerdeführer ist am 9. März 2000 vom Schwurgericht Münster wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte soll am 15. August 1994 in Dülmen-Hiddingsel die am 20. September 1973 geborene A.D., mit der er zuvor befreundet gewesen sein soll, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen mit zwei Schusssalven aus einer Maschinenpistole auf offener Straße erschossen haben.

Der Vorsitzende des Schwurgerichts hatte bereits am 20. September 1999 umfassende besondere Sicherungsmaßnahmen, die von dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Bochum zuvor vorläufig angeordnet worden waren, genehmigt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 9. Dezember 1999, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, mit der Maßgabe verworfen, dass die angeordneten Maßnahmen zunächst auf die Dauer der Hauptverhandlung begrenzt werden.

Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat mit Verfügung vom 27. März 2000 folgende besondere Haftbedingungen - unter Aufhebung der zuvor angeordneten weitergehenden besonderen Haftbedingungen - angeordnet bzw. genehmigt:

- Fesselung der Hände bei Aus- und Vorführungen außerhalb der JVA,
- Begleitung durch drei Bedienstete,
- Rücksprache mit der Abt. Sicherheit und Ordnung bei Transporten/Überstellungen,
- Durchsuchung des Gefangenen, seiner Sachen und seines Haftraumes alle drei Tage,
- Verbot der Arbeitsaufnahme außerhalb des Haftraumes,
- Verbot der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen nach 17.00 Uhr,
- Verbot des Tragens von Privatkleidung - ausgenommen privates Sportzeug -,
- Umschluss mit anderen Gegangenen vor 17.00 Uhr nach Einzelfallprüfung,
- Umschlussverbot nach 17.00 Uhr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten vom 30. März 2000, auf deren Inhalt verwiesen wird. Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.

II. Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Die nunmehr noch angeordneten Maßnahmen sind durch § 119 Abs. 3 StPO gerechtfertigt. Sie sind angesichts der auch weiterhin bestehenden erhöhten Fluchtgefahr unverzichtbar, um den Zweck der Untersuchungshaft zu gewährleisten. Weniger einschneidende Maßnahmen reichen nicht aus, der bestehenden hohen Fluchtgefahr hinreichend wirksam zu begegnen. Im übrigen sind die getroffenen Anordnungen auch zur Vermeidung einer erheblichen Störung der Anstaltsordnung (vgl. Nr. 62 UVollzO) erforderlich.

Bei dem Angeklagten besteht nach wie vor aufgrund konkreter Umstände eine deutlich erhöhte Fluchtgefahr. Diese ergibt sich daraus, dass gegen ihn, wenn auch noch nicht rechtskräftig, eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt worden ist. Er hat sich bereits zuvor unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel und mit Unterstützung seiner Familie und durch Bekannte lange Zeit dem vorliegenden Verfahren durch Flucht entzogen. Die ihm zur Last gelegte Tat hat zumindest bei einem Teil seines sozialen Umfeldes Zustimmung und Billigung erfahren, so dass zu erwarten ist, dass ihm von dieser Seite umfangreich Hilfe bei einer erneuten Flucht geleistet würde. Den dafür erforderlichen Informationsaustausch könnte der Angeklagte, wie bereits in der Vergangenheit erfolgt, im Wege verbotener Außenkontakte herbeiführen. Deshalb ist diese Möglichkeit weiterhin zuverlässig zu unterbinden. Auch die Tat, die ihm zur Last gelegt worden ist und die ein sehr hohes Gewaltpotential und die völlige Bedenkenlosigkeit hinsichtlich des Einsatzes von gefährlichen Gewaltmitteln zeigt, sprechen für eine besonders hohe Fluchtgefahr. Die nunmehr noch angeordneten Maßnahmen sind deshalb erforderlich, um hinreichend zu erwartende Fluchtbemühungen oder -vorbereitungen des Angeklagten auszuschließen. Die erforderliche Kontrolle und Unterbindung darauf gerichteter unerlaubter Außenkontakte ist auch nach Ansicht des Senats mit weniger einschneidenden als den angeordneten Maßnahmen nicht zu erreichen.

Aber auch die Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung gebietet die angeordneten Maßnahmen. Die Anstaltsordnung ist durch die in der Vergangenheit umfangreich herbeigeführten verbotenen Außenkontakte und den Besitz von Haschisch empfindlich gestört worden. Es ist zu befürchten, dass es ohne die angeordneten Maßnahmen erneut zu gleichartigen schweren Störungen kommen wird.

Aufgrund der erfolgten Begrenzung und Abmilderung der angeordneten Maßnahmen ist zumindest derzeit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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