Aktenzeichen: 4 Ss 60/96 OLG Hamm
Leitsatz: Für den Betrugsvorsatz genügt es in den Fällen der Vermögensgefährdung/beim Eingehungsbetrug, wenn der Täter die Umstände kennt, die die Vermögensgefährdung begründen, mag er auch darauf vertrauen, dass die Gefährdung nicht zu einem Verlust führen werde.
Senat: 4
Gegenstand: Revision
Stichworte: Urteil, Betrug, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungswilligkeit, Zahlungsfähigkeit, Täuschung, Täuschungshandlung, Vermögensgefährdung, Vorleistungspflicht, Beweiswürdigung, mögliche Schlussfolgerung, Erwartung eines Geldeinganges ist spekulativ, Eingehungsbetrug, Kenntnis von den Umständen, die die Vermögensgefährdung ausmachen
Normen: StGB 263
Beschluss: Strafsache gegen A.S.
wegen Betruges.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg vom 19. Oktober 1995 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 05.06.1996, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richterin am Oberlandesgericht und Richter am Landgericht als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen.
Gründe:
I.
1. Das Amtsgericht Soest hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Auf dessen form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Arnsberg in der Hauptverhandlung vom 19. Oktober 1995 das Verfahren "bezüglich des versuchten Betruges zum Nachteil des Zeugen E." gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt; im übrigen hat sie durch Urteil vom selben Tage gegen den Angeklagten wegen Betruges auf eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten erkannt. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er das Ziel des Freispruchs verfolgt. Mit der Sachbeschwerde wendet er sich gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer und macht außerdem geltend, das Landgericht hätte seiner Einlassung nachgehen und "notfalls" über den Wert der Maschine ein Gutachten einholen müssen.
Die Staatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.
2. Der Verurteilung liegen im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde (vgl. Bl. 233, 237 ff d.A.):
Am 21. September 1993 beauftragte der Angeklagte die Firma E. und Partner, Maschinenbau GmbH & Co. KG, in Arnsberg-Neheim (im folgenden: EPM), eine von ihm erfundene Reinigungsmaschine für Asbestdächer nach seinen Vorstellungen zum Sonderpreis von DM 26.000 zu konstruieren, dabei verschwieg er seine "finanzielle Misere" (UA 10).
Der Angeklagte befand sich schon seit Jahren in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, was dazu führte, dass er seit 1989 vor dem Amtsgericht Soest wiederholt die eidesstattliche Versicherung abgeben musste. Er verbüßte von Ende 1992 bis zum 26. August 1993 Strafhaft, was seine wirtschaftliche Situation noch verschlechtert hatte. Seine Verbindlichkeiten beliefen sich im Herbst 1993 auf mehr als DM 100.000 zuzüglich Steuerrückstände, Verzugszinsen und Säumniszuschläge in einer Größenordnung von etwa DM 300.000; selbst Forderungen von weniger als DM 1.000 konnte er nicht erfüllen.
Er verfügte allerdings über Barmittel in Höhe von DM 40.000. Am 12. August 1993 hatte ihm ein Bekannter ein Darlehen über DM 30.000 mit einer Laufzeit von sechs Monaten gewährt; am 11. September 1993 waren ihm DM 10.000 zugeflossen. Von der Verwertung seiner Erfindung erhoffte er sich eine lukrative Einnahmequelle, weswegen er noch vor Herstellung eines Prototyps der Dachreinigungsmaschine am 11. September 1993 einen entsprechenden Vermarktungsvertrag mit dem Kaufmann Sieke gegen Zahlung von DM 80.000 abgeschlossen hatte, wovon er sogleich den Teilbetrag von DM 10.000 in bar erhalten hatte.
Gleichwohl war der Angeklagte hinsichtlich neuer Verpflichtungen zahlungsunfähig, was ihm bekannt war. Er hatte keine "laufende und sichere Einkommensquelle" (UA 11); Bankkredite bekam er nicht. Das genannte Barvermögen benötigte er dringend, um die laufenden und künftigen Lebenshaltungskosten für sich und seine Familie zu bestreiten (UA 11). Er dachte nicht daran, die Barmittel zur Erfüllung anderer Zahlungsverpflichtungen einzusetzen (UA 6). Er war deshalb von vornherein insbesondere auch nicht willens, damit die Kosten der Firma EPM zu bestreiten. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten hatte er nicht (UA 11).
Die Mitarbeiter der Firma EPM stellten alsbald fest, dass die Dachreinigungsmaschine so, wie sie nach der Planung des Angeklagten gebaut werden sollte, nicht funktionstüchtig war, weil bei einem Einsatz das Dach beschädigt worden wäre. In Kenntnis der technischen Problematik bestand der Angeklagte auf einer Fortsetzung der Arbeiten, weil er das Gerät Anfang November 1993 auf einer Erfindermesse in Nürnberg einem breiteren Publikum vorstellen wollte. Trotz weiterer Versuche gelang es nicht, die vom Angeklagten in Auftrag gegebene Dachreinigungsmaschine funktionstüchtig herzustellen. Mit Rechnung vom 5. Oktober 1993 verlangte die Firma EPM eine Abschlagszahlung von insgesamt DM 9.477,04 (= DM 6.254,50 Konstruktion und Montage + DM 1.986,40 Materialkosten + Mehrwertsteuer), die der Angeklagte nicht begleichen konnte, weil er nicht zahlungsfähig und auch nicht zahlungswillig war (UA 13).
Nach am 27. Oktober 1993 versuchte er vergeblich, Geld bei einer Bank aufzutreiben, nachdem der Geschäftsführer der Firma EPM die Aushändigung der Dachreinigungsmaschine von der vorherigen Begleichung der gestellten Rechnung abhängig gemacht hatte. Ob die Forderung der Firma EPM zwischenzeitlich von dem Angeklagten oder einem Dritten erfüllt worden ist, hat das Landgericht nicht feststellen können.
Nach Ansicht der Strafkammer hat der Angeklagte durch schlüssiges Verhalten bei Auftragserteilung den Geschäftsführer der Firma EPM über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit in die Irre geführt. Die Revision meint, es komme darauf an, ob nachgewiesen werden könne, dass der Angeklagte bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vorsatz gefasst hat, die Rechnung der Firma EPM nicht zu bezahlen.
II. Die Revision des Angeklagten ist zulässig, im Ergebnis jedoch unbegründet.
1. Eine im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässige Verfahrensrüge ist nicht erhoben.
Soweit die Revision beanstandet, dass das Landgericht kein Sachverständigengutachten über den Wert der von der Firma EPM hergestellten Konstruktion eingeholt hat, wird eine formunwirksame Aufklärungsrüge (vgl. § 244 Abs. 2 StPO) geltend gemacht. Es ist nicht dargetan, dass sich der Strafkammer die Einholung eines Wertgutachtens hätte aufdrängen müssen. Nach den für das Revisionsgericht insoweit maßgeblichen Urteilsgründen ist der Wert der nach den Vorstellungen des Angeklagten gebauten Dachreinigungsmaschine ohne Bedeutung für seine Verurteilung wegen Betruges gem. § 263 StGB.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Firma EPM nach der am 21. September 1993 getroffenen Vereinbarung - wonach sie sich zur Herstellung des Prototyps der von dem Angeklagten erdachten Dachreinigungsmaschine zum Sonderpreis von DM 26.000 verpflichtete (UA 7) - die Lieferung eines abnahmefähigen Werkes i.S.d. §§ 631, 640 BGB oder die Erbringung von Arbeitsleistungen i.S.d. §§ 611 ff BGB geschuldet hat. Unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung des Vertrages als Werk- oder Dienstvertrag hat sich der Angeklagte nämlich verpflichtet, das seiner Planung entsprechende, nicht notwendigerweise funktionstüchtige Endprodukt oder die Arbeitsleistung der Firma EPM zu vergüten (vgl. § 631 Abs. 1 bzw. § 611 Abs. 1 BGB). Die Durchsetzung dieses Vergütungsanspruchs bei Fälligkeit ist infolge der Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten bei Vertragsschluss gefährdet gewesen, was im Wirtschaftsverkehr einen Minderwert der Forderung schon im frühen Zeitpunkt zur Folge hat. Da die Firma EPM wegen des vom Angeklagten hervorgerufenen Irrtums über seine finanzielle Situation gleichwohl eine verbindliche Vorleistungsverpflichtung eingegangen ist, ist schon bei Vertragsschluss der Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB eingetreten (vgl. Schönke/Schröder/Cramer, 24. Aufl. (1991), § 263 StGB Rn. 128, 130, 132).
Es kann überdies - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbegründung - nicht zweifelhaft sein, dass sich der Schaden, unabhängig vom Wert der gebauten Maschine, später konkretisiert hat. Die Firma EPM hat entsprechend ihrer eingegangenen vertraglichen Verpflichtung Arbeitszeit für Konstruktion und Montage sowie Material aufgewendet, für die der Angeklagte das Entgelt schuldig geblieben ist, obwohl die fehlende Funktionstüchtigkeit des Geräts auf Mängeln seiner Planung beruht hat (UA 7/8).
2. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
a) Die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhaltsfeststellungen sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen. Die Urteilsgründe lassen sachlichrechtliche Fehler bei der Beweiswürdigung nicht erkennen:
Das Revisionsgericht überprüft insoweit (nur), ob die Beweiswürdigung Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist, Verstöße gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse enthält oder Beweise nicht erschöpfend gewürdigt sind. Das ist nicht der Fall: die richterliche Überzeugung davon, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 21. September 1993 zahlungsunfähig und soweit er Barmittel hatte - zahlungsunwillig gewesen ist (UA 6), beruht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich, zwingend brauchen sie nicht zu sein.
Die in den Urteilsgründen konkret geschilderten Lebensumstände im August/September 1993 lassen den Schluss zu, dass der Angeklagte das vorhandene Barvermögen für den gegenwärtigen und künftigen Unterhalt seiner Familie hat einsetzen wollen und dass ihm deshalb hinsichtlich des Vergütungsanspruchs der Firma EPM von vornherein die Zahlungsbereitschaft gefehlt hat. Diese Schlussfolgerung ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, soweit die Überzeugung des Gerichts auf der Überlegung beruht, dass für den Angeklagten "überhaupt nicht absehbar war, ob und wann sich seine Erfindung für ihn bezahlt machen werde oder er über andere Einkommensquellen verfügen werde" (UA 11).
Zwar hatte er am 11. September 1993 mit dem Kaufmann S. einen lukrativen Vertrag geschlossen, aufgrund dessen er weitere DM 70.000 zu erhalten hatte (UA 7). Vertragsgrundlage war allerdings die spekulative Erwartung der Vertragsparteien, die vom Angeklagten geplante Dachreinigungsmaschine würde marktreif produziert werden können. Sieke hatte sich nämlich gegen Entgelt die Vermarktungsrechte gesichert. Das war "Zukunftsmusik": die Vorstellungen des Angeklagten waren - wie das weitere Geschehen zeigt - so wenig ausgereift, dass sie noch nicht einmal zur Herstellung eines funktionsfähigen Prototyps der Dachreinigungsmaschine ausreichten. Ein marktreifes Produkt hat es jedenfalls im Zeitpunkt der Auftragserteilung an die Firma EPM nicht gegeben. Die Fälligkeit und Realisierbarkeit des Zahlungsanspruchs gegen Sieke ist deshalb auch entfernt nicht erkennbar gewesen.
b) Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges gem. § 263 StGB.
Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, dass der Angeklagte "zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits den Vorsatz gefasst hat, die Rechnung der Firma E. nicht zu bezahlen".
Auf die Besonderheit der Tatbestandserfüllung beim sog. Eingehungsbetrug ist bereits hingewiesen worden. Für den Betrugsvorsatz gem. § 263 StGB genügt es in den Fällen der Vermögensgefährdung, wenn der Täter die Umstände kennt, die die Vermögensgefährdung begründen, mag er auch darauf vertrauen, dass die Gefährdung nicht zu einem Verlust führen werde (vgl. BGHR § 263 StGB I Vorsatz 1). Dem Angeklagten war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine fehlende Bonität bekannt (UA 6). Er ist sich deshalb auch darüber im klaren gewesen, dass der Vergütungsanspruch der Firma EPM wegen seiner zweifelhaften Durchsetzbarkeit wirtschaftlich minderwertig gewesen ist. Schädigungsvorsatz liegt mithin vor, selbst wenn er gehofft haben sollte, bei Fälligkeit der Rechnung liquide Mittel zur Verfügung zu haben.
c) Auch gegen die Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
III. Gemäß § 473 Abs. 1 StPO hat der Angeklagte die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
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