Aktenzeichen: 3 Ws 72/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Zulässigkeit eines Antrags auf Prozesskostenhilfe im Klageerzwingungsverfahren.
Die Beiordnung eines sog. Notanwalts kommt im Klageerzwingungsverfahren nicht in Betracht
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Klageerzwingungsverfahren, Zulässigkeitsvoraussetzungen PKH
Normen: StPO 172, ZPO 78 b
Beschluss: Ermittlungsverfahren (Klageerzwingungsverfahren)
gegen S.B.
wegen falscher uneidlicher Aussage, (hier: Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts)
Antragsteller: H.K.
Auf den Antrag des Antragstellers vom 27. Januar 1998 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 5. März 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Klageerzwingungsverfahren war als unzulässig zu verwerfen, weil die Antragsschrift nicht den Formerfordernissen des § 172 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz genügt. Danach ist im Antrag - zumindest in groben Zügen - das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 172 Rdnr. 21 a; Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, Stand: Februar 1997, § 172 Rdnr. 62; Reihe Alternativ-Kommentare, StPO, § 172 Rdnr. 95; OLG Stuttgart, OLGSt § 172 StPO Nr. 4; HansOLG Bremen OLGSt § 172 S. 125; OLG Koblenz, OLGSt § 172 S. 143; OLG Düsseldorf, NStE § 172 StPO Nr. 45 ).
Zum Teil wird darüber hinaus verlangt, auch die Darlegung der formellen Voraussetzungen für das Klageerzwingungsverfahren sei im Prozesskostenhilfegesuch erforderlich (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 172 Rdnr. 164). Andere halten die inhaltliche Auseinandersetzung mit den zuvor ergangenen Bescheiden der Ermittlungsbehörden als Zulässigkeitsvoraussetzung auch im Prozesskostenhilfeverfahren für geboten (vgl. OLG Celle, GA 1957, 276; OLG Köln, OLGSt § 172 StPO S. 113).
Das Verlangen eines derartigen Vorbringens im Prozesskostenhilfeverfahren lässt sich jedoch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) in Einklang bringen. Das Prozesskostenhilferecht stellt eine Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge dar (BVerfGE 9, 256, 258) und soll sicherstellen, dass die nicht bemittelte Partei in gleicher Weise wie die bemittelte Partei Zugang zu den Gerichten erhalten kann (vgl. BVerfG NJW 1974, 229, 230). Hieraus ergeben sich die Anforderungen, die an einen zulässigen Prozesskostenhilfeantrag für ein beabsichtigtes Klageerzwingungsverfahren zu stellen sind. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, welcher Vortrag von einer anwaltlich nicht beratenen Partei in einem derartigen Gesuch verlangt werden kann. Dies beschränkt sich nach der Überzeugung des Senats auf eine Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, in dem das strafrechtlich relevante Verhalten erblickt wird, und in der Angabe der Beweismittel, die zur Feststellung dieses Sachverhalts führen soll. Hierauf ist auch nicht wie in Fällen der Stellung eines Prozesskostenhilfegesuchs im zivilrechtlichen Instanzverfahren zu verzichten, wo eine sachliche Begründung nicht für erforderlich gehalten wird (vgl. BGH NJW 1960, 676, 676; BGH VersR 1985, 395, 395; BGH NJW 1993, 732, 733). Ein derartiger Mindestvortrag ist schon deshalb zu verlangen, weil sonst, praktisch von Amts wegen, durch den Senat eine sachliche Überprüfung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisses anhand der Akten erfolgen müsste, so dass die arme Partei letztlich besser gestellt wäre als die bemittelte Partei, bei der eine inhaltliche Überprüfung des Ermittlungsvorgangs erst erfolgt, wenn eine den strengen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügende Antragsschrift vorliegt. Das ist aber mit dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe nicht zu vereinbaren. Andererseits kann der anwaltlich nicht beratenen Partei aber auch nicht zugemutet werden, sich in rechtlicher Hinsicht mit den angefochtenen Bescheiden der Ermittlungsbehörden auseinander zusetzen oder Einzelheiten des Sachverhalts vorzutragen, deren Relevanz möglicherweise erst nach einer genaueren Subsumtion unter Strafvorschriften erkennbar wird. Ebenfalls darf von einem Prozesskostenhilfegesuch nicht erwartet werden, die Einhaltung der formellen Voraussetzungen eines Klageerzwingungsverfahrens aufzuzeigen, weil auch dies juristische Kenntnisse erfordert.
Der vorliegende Antrag erweist sich schon deshalb als unzulässig, weil er weder in nachvollziehbarer Weise noch auch nur annähernd konkret genug aufzeigt, welches strafrechtlich relevante Verhalten der Antragsteller der Beschuldigten vorwirft. Die behauptete Tat ist weder nach Ort, Zeit und Tatbegehung dargelegt. Aus dem Vorbringen heraus wird nicht einmal hinreichend erkennbar, welche Straftat der Beschuldigten vorgeworfen werden soll. Der Tatvorwurf lässt sich allenfalls erahnen. Zudem hat der Antragsteller keine Beweismittel für das von ihm behauptete strafbare Verhalten der Beschuldigten dargelegt.
Bei dieser Sachlage kam es nicht mehr darauf an, dass der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch entgegen stand, dass der Antragsteller seine Bedürftigkeit nicht unter Verwendung des amtlichen Vordrucks zur Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt hat (§ 172 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz StPO i.V.m. §§ 117 Abs. 2 und 4, 118 Abs. 2 ZPO).
Der Antrag war somit als unzulässig zu verwerfen.
II. Da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits unzulässig ist, kommt die gemäß § 121 ZPO vorgesehene Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht.
Soweit in dem Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ein Antrag gemäß § 78 b ZPO auf Beiordnung eines Notanwalts zu sehen sein könnte, was der Senat aber schon deshalb nicht zu erkennen vermag, weil der Antragsteller nichts vorgetragen hat, woraus sich ein tatsächliches Bedürfnis für eine derartige Beiordnung ablesen lässt, scheidet eine solche nach der Rechtsprechung des Senats und der überwiegend in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung auch deshalb aus, weil § 78 b ZPO im Klageerzwingungsverfahren nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28.07.1994 - 3 Ws 341/94 -; vom 29.09.1994 - 3 Ws 535/94 -; vom 23.11.1989 - 3 Ws 652/89 -; Reihe Alternativkommentare, StPO, 1992, § 172 Rdnr. 101; Karlsruher Kommentar, StPO, 3. Auflage, § 172 Rdnr. 55 jeweils mit weiteren Nachweisen). Aber selbst dann, wenn man der teilweise vertretenen Auffassung folgen würde, die Bestellung eines Notanwalts für das Klageerzwingungsverfahren sei zulässig (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 172 Rdnr. 23; KMR, StPO, Stand: Oktober 1996, § 172 Rdnr. 64; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 172 Rdnr. 157) schiede eine derartige Bestellung aus, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden zu haben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 172 Rdnr. 23).
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