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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 14/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zu den Feststellungen hinsichtlich einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit: Die Feststellung einer bestimmten Geschwindigkeit ist ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die gefahrene Geschwindigkeit zu hoch war.
2. Die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 S.1 StVG setzt voraus, dass die Tat selbst sich bereits als grober oder beharrlicher Pflichtenverstoß darstellt.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit, Fahrverbot, grober und beharrlicher Verstoß, Rechtsbeschwerde

Normen: StVO 3, StVG 25

Beschluss: Bußgeldsache gegen T.P.
wegen fahrlässiger Überschreitung der relativen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 31.10.1997 gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 29.10.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04.02.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5, 6 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde im Ausspruch über das Fahrverbot aufgehoben.

Das gegen den Betroffenen angeordnete Fahrverbot entfällt.

Die Kosten der Rechtsbeschwerde tragen die Staatskasse und der Betroffene jeweils zur Hälfte, in diesem Umfang hat die Staatskasse auch die dem Betroffenen durch das Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit zu einer Geldbuße von 150,- DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dem liegen folgende Feststellungen zugrunde:
”Am 30.07.1997 befuhr der Betroffene mit seinem Motorrad in Essen u.a. die Hammerstraße. Die Hammerstraße zeichnet sich im wesentlichen dadurch aus, dass die Straßenführung sehr kurvenreich ist, wobei die Kurven teilweise sehr eng sind und nur langsam durchfahren werden können.

Aus diesen Gründen ist in einzelnen Streckenabschnitten die Höchstgeschwindigkeit deutlich reduziert und auf 30 km/h beschränkt.

Der Betroffene fuhr gegen 17.50 Uhr aus Richtung Essen-Heidhausen kommend in Fahrtrichtung Essen-Kupferdreh. An einer sehr scharfen Rechtskurve, in diesem Bereich ist die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt, fuhr der Betroffene mit dem Motorrad sehr weit auf der rechten Fahrbahn links, teilweise bereits auf der unterbrochenen Leitlinie.

Etwa im Scheitelpunkt geriet der Betroffene bereits auf die aus seiner Richtung gesehene linke Fahrbahnseite. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Zeuge P. mit seinem PKW, Daimler-Benz, amtliches Kennzeichen E-RP 560. Der Zeuge erkannte bereits, dass die Verkehrssituation sehr gefährlich zu werden drohte, weil der Betroffene mit dem Motorrad bereits auf der linken Fahrbahnseite herübergefahren war.

Als auch der Betroffene erkannte, dass es zu einem Zusammenstoß der Fahrzeuge kommen würde, riss er den Lenker nach rechts herum, um wieder auf seine, die rechte Fahrbahnseite zurückzukommen. Bei diesem Fahrmanöver verlor der Betroffene gänzlich die Kontrolle über sein Kraftrad und stürzte, wobei das Motorrad in den PKW des Zeugen P. hineinrutschte. Bei diesem Unfall wurde im Vorderbereich des Fahrzeugs des Zeugen P. ein Schaden von etwa 3.000 DM verursacht.

(...)

Der Betroffene lässt sich dahin ein, dass er nicht zu schnell in die Kurve gefahren sei. Er sei zwar links zunächst an der Leitlinie langgefahren, dann auf der Leitlinie und habe in der Kurve aufgrund von Unachtsamkeit wohl die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und sei dann gestürzt.

Im übrigen, so weiter der Betroffene, habe er sich ordnungsgemäß verhalten. Er sei nicht zu schnell gefahren. Sicherlich habe seine Geschwindigkeit nicht über 30 km/h betragen. Er habe auch im übrigen, bis auf seine Unachtsamkeit, sich so verhalten, wie es beim Führen eines Motorrades erforderlich sei und wie er es auch in der Fahrschule gelernt habe.

Er, der Betroffene, sei, so seine weitere Einlassung, allerdings etwas überrascht gewesen, dass es sich bei der Kurve um eine 180-Grad-Kurve gehandelt habe."

Das Amtsgericht hat gegen den verkehrsrechtlich bislang unbelasteten Betroffenen den "Regelsatz" nach dem Bußgeldkatalog in Höhe von 150,- DM sowie gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat mit der Begründung verhängt, das Verhalten des Betroffenen bei der Fahrt, aber auch seine Einstellung sowie seine Kenntnisse von den verkehrsrechtlichen Vorschriften gäben dem Gericht Veranlassung zu der Befürchtung, dass der Betroffene auch zukünftig seine Verhaltensweise nicht ändern werde, wenn er nicht deutlich vor Augen geführt bekomme, dass sich sein Fahrstil und das Verhalten im Straßenverkehr deutlich ändern müsse. Neben der damit verbundenen positiven Einwirkung auf den Betroffenen diene das Fahrverbot auch dazu, die Allgemeinheit und den Straßenverkehr vor der Teilnahme dieses rücksichtslosen Fahrers zumindest zeitweise zu schützen. Nach dem Eindruck, den der Betroffene in der Hauptverhandlung vermittelt habe, komme zur Einwirkung auf ihn allein die Verhängung eines Fahrverbotes in Betracht.

Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 03.11.1997 bei der gemeinsamen Briefannahmestelle der Justizbehörden in Essen eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 13.11.1997 mit einem am 28.11.1997 bei der gemeinsamen Briefannahmestelle der Justizbehörden in Essen eingegangenem weiteren Schriftsatz begründet. Die Rechtsbeschwerde beanstandet, das Amtsgericht habe nicht die zur Verhängung der Geldbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung erforderlichen Feststellungen zu den konkreten Straßenverhältnissen an der Unfallstelle, insbesondere zum Vorliegen einer Gefahrenstelle oder zur Unübersichtlichkeit, getroffen. Darüber hinaus sei die Anordnung des Fahrverbotes zu Unrecht erfolgt, da der Betroffene nicht uneinsichtig gewesen sei, vielmehr allein versucht habe, dem Amtsgericht zu erklären, welche Fahrweise er in der Fahrschule gelernt habe.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die von dem Betroffenen allein erhobene Sachrüge greift nur insoweit durch, als er vom Amtsgericht mit einem Fahrverbot von einem Monat Dauer belegt worden ist. Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet. Der Senat hat von der sich aus § 79 Abs. 6 OWiG ergebenden Möglichkeit, in der Sache selbst zu entscheiden, Gebrauch gemacht, da allein die Verhängung des Fahrverbotes gegen den Betroffenen rechtsfehlerhaft war und ausgeschlossen erscheint, dass noch weitere tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die geeignet wären, die Verhängung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen zu rechtfertigen.

Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Insbesondere tragen die Feststellungen des Amtsgerichts die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr gemäß §§ 3 Abs. 1 S.1, 2; 2 Abs. 2; 1 Abs. 2; 49 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 StVO, 24 StVG. Der Betroffene ist in der 180-Grad-Kurve, in der es zu dem Unfallgeschehen gekommen ist, mit einer der Straßenführung nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren (§ 3 Abs. 1 S.1, 2 StVO), ist dabei auf seinem Fahrstreifen zu weit links teilweise auf die Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295), zuletzt über diese Fahrstreifenbegrenzung hinaus auf die Gegenfahrbahn gefahren (§§ 2 Abs. 2, 41 Abs. 3 Nr. 3 a StVO) und hat dadurch einen anderen Verkehrsteilnehmer, nämlich den Zeugen P., durch den so verursachten Verkehrsunfall geschädigt (§ 1 Abs. 2 StVO). Insbesondere sind hier auch die Voraussetzungen einer sogenannten relativen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 1 S.1, 2 StVO hinreichend festgestellt. Zwar setzt der Vorwurf, der Betroffene sei zu schnell gefahren, im Grundsatz eine bestimmte und klare Vorstellung darüber, welche Geschwindigkeit den Umständen nach höchstens zulässig war, sowie die eindeutige Feststellung voraus, dass der Betroffene diese Geschwindigkeit wesentlich überschritten hat (BGH, VRS 28, 430, 432; KG, VRS 33, 54, 55; BayObLG, VRS 53, 433, 435). Die ausdrückliche Feststellung der an sich zulässigen Geschwindigkeit ist aber dann entbehrlich, wenn feststeht, dass die von dem Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit offensichtlich zu hoch war (KG, VRS 33, 54, 55; BayObLG, VRS 53, 433, 435). Ein solcher Ausnahmefall liegt auch hier vor. Der Betroffene war nach den Urteilsfeststellungen nämlich bereits aufgrund der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit nicht mehr in der Lage, auf seinem Fahrstreifen zu bleiben, er musste vielmehr auf die Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) und schließlich sogar über diese hinaus auf die Gegenfahrbahn ausweichen, um einen Sturz zu verhindern, was ihm dann aber letztlich aufgrund des durch das Herannahen des Zeugen P. erforderlichen weiteren Lenkmanövers gleichwohl nicht gelang. Dieser Geschehensablauf verdeutlicht hinreichend, dass die Geschwindigkeit des Betroffenen in der Kurve offensichtlich für die Straßenführung zu hoch war (vgl. BayObLG, a.a.O.; OLG Neustadt, VRS 21, 214). Darüber hinaus liegt hier auch ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO vor. Auch Kradfahrer müssen zumindest einen seitlichen Abstand von 50 cm zur Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) bzw. zur Mittellinie der Fahrbahn einhalten (BGH, NZV 1990, 229 f; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl., § 2 StVO Rdnr. 35). Dies hat der Betroffene spätestens dann nicht mehr getan, als er auf die Fahrstreifenbegrenzung und schließlich jenseits darüber hinaus fuhr. Die Schuldform hat das Amtsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt, dem Zusammenhang der Urteilsgründe lässt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es von einer fahrlässigen Begehungsweise des Betroffenen ausgegangen ist. Insbesondere hat das Amtsgericht die Einlassung des Betroffenen, er sei überrascht gewesen, dass es sich bei der Kurve um eine 180-Grad-Kurve gehandelt habe, nicht als widerlegt angesehen und ist erkennbar davon ausgegangen, dass der Betroffene aufgrund fahrlässiger Verkennung der Straßenführung zu schnell und zu weit links gefahren ist, so dass es schließlich zu dem Unfall kam.

Soweit die Rechtsbeschwerde bemängelt, das angefochtene Urteil enthalte keine hinreichenden Feststellungen zu den konkreten Straßenverhältnissen, insbesondere zur Übersichtlichkeit der fraglichen Kurve, betrifft dies nicht den Schuldspruch, richtigerweise vielmehr den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils, nämlich die Frage, welche Regelsätze nach der Bußgeldkatalogverordnung der Bemessung der Rechtsfolgen zugrunde zu legen sind. Insoweit kann dem Zusammenhang des angefochtenen Urteils entnommen werden, dass der Amtsrichter die lfd. Nr. 3 i.V.m. Tabelle 4 des Bußgeldkataloges zugrundegelegt hat. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind vorliegend jedoch hinreichend festgestellt. Dies gilt zunächst aus den bereits dargelegten Gründen für die zu hohe, nicht angepasste Geschwindigkeit des Betroffenen im Kurvenbereich. Den Urteilsfeststellungen kann weiterhin entnommen werden, dass der Kurvenverlauf unübersichtlich war. Dies folgt jedenfalls aus der vom Amtsgericht zugrundegelegten Einlassung des Betroffenen, er sei überrascht gewesen, dass es sich bei der Kurve um eine 180-GradKurve gehandelt habe. Über diesen Umstand kann der Betroffene naturgemäß nämlich nur dann überrascht gewesen sein, wenn er den Kurvenverlauf beim Einfahren in die Kurve nicht erkennen konnte. Darüber hinaus ist es bei dem anschließenden, durch das vorschriftswidrige Fahrverhalten des Betroffenen verursachten Unfall auch zu einer Sachbeschädigung am PKW des Zeugen P., des Unfallgegners, gekommen. Da der Sachverhalt nach den insoweit erkennbar umfassenden Feststellungen des Amtsgerichts keinerlei Besonderheiten aufweist, war auch die Verhängung der Regelgeldbuße von 150,- DM nicht zu beanstanden.

Rechtsfehlerhaft war hier indes die Verhängung des Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 S.1 StVG. Das Amtsgericht hat nämlich selbst keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers durch den Betroffenen bei Begehung der Ordnungswidrigkeiten festgestellt. Dies wäre hier aber - anders als bei der Verhängung des Fahrverbotes gemäß § 44 StGB, bei der auch das Nachtatverhalten berücksichtigt werden kann (OLG Düsseldorf, NZV 1993, S. 76) - zur Verhängung des Fahrverbotes erforderlich gewesen. Während nämlich das Fahrverbot gemäß § 44 StGB als Nebenstrafe an den allgemeinen Strafzumessungsregeln orientiert ist (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 44 StGB Rdnr. 3 m.w.N.), setzt das Fahrverbot gemäß § 25 Abs. 1 StVG darüber hinaus voraus, dass die Tat selbst sich bereits als grober oder beharrlicher Pflichtenverstoß darstellt (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 25 StVG Rdnr. 14 ). Angesichts des einmaligen, nach den Urteilsfeststellungen nur auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden Verkehrsverstoßes des Betroffenen durfte das Amtsgericht daher nicht allein aufgrund dessen fehlender Unrechtseinsicht in der Hauptverhandlung ein Fahrverbot gegen ihn verhängen. Da bei dieser Sachlage ausgeschlossen werden kann, dass weitere tatsächliche Feststellungen möglich wären, die die Verhängung eines Fahrverbotes begründen könnten - die Feststellungen des Amtsgerichts zum Tatgeschehen sind erkennbar umfassend, der Betroffene ist danach auch verkehrsrechtlich nicht vorbelastet - konnte der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG wie geschehen in der Sache selbst entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.


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