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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 4/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Absehen von der Verhängung eines an sich verwirkten Fahrverbots.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, persönliche Umstände, Tatumstände, Absehen vom Fahrverbot

Normen: StVO 3, StVG 25, BKatV 2 Abs. 4

Beschluss: Bußgeldsache gegen B.D.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 15.09.1997 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 03.09.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29.01.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zu der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld folgendes ausgeführt:

”Das Amtsgericht Herford hat den Betroffenen durch Urteil vom 03.09.1997 wegen fahrlässig begangener Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 2 StVG, §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO zu einer Geldbuße von 500,00 DM verurteilt, von der Verhängung eines Fahrverbotes jedoch abgesehen. Dieser Verurteilung hat das Gericht folgende Feststellungen zugrundegelegt:

"Der Betroffene befuhr am 23.10.1996 gegen 14.35 Uhr in Herford die Straße "Füllenbruch" von Hiddenhausen-Oetinghausen kommend, in Richtung Innenstadt. Auf der sehr breit ausgebauten und geradeaus fahrenden Straße .überschritt er dabei mehrere 100 m vor Einmündung der Kiebitzstraße auf dem innerorts gelegenen Teil der Straße Füllenbruch die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 34 km/h. Der Betroffene fiel deshalb Polizeibeamten auf, die mit einem Laser-Messgerät der Marke Riegl etwa 100 m vor Einmündung der Kiebitzstraße eine gezielte Geschwindigkeitskontrolle durchführten. Bei der ordnungsgemäß und einwandfrei durchgeführten Messung stellten die Polizeibeamten eine Geschwindigkeit des Betroffenen von brutto 87 km/h fest. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung hätte der Betroffene auf der ihm gut bekannten Straße, über die er regelmäßig seine Arbeitsstelle erreicht, ohne weiteres erkennen können und müssen."

Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hat das Gericht ausgeführt, es sei in der vorliegenden Sache angemessen und vertretbar, von der Regelung der Bußgeldkatalogverordnung abzuweichen und ausnahmsweise das Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße auf 500,00 DM wegfallen zu lassen. Der Betroffene sei seit langen Jahren Kraftfahrer und nehme regelmäßig am öffentlichen Straßenverkehr teil, ohne bislang verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten zu sein.

Zudem sei es für den in Wechselschicht arbeitenden Betroffenen ausgesprochen schwierig, seinen Arbeitsplatz bei Früh- und Spätschicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

Im übrigen hat es darauf abgestellt, dass die Straße "Füllenbruch" gut ausgebaut sei und aufgrund der spärlichen Bebauung, aber auch wegen ihrer Breite und ihres Verlaufs den Eindruck einer außerorts gelegenen Straße vermittele.

Schließlich habe der Betroffene unwiderlegt geltend gemacht, er habe einen Lkw überholen müssen, der seine Vorfahrt nicht beachtet habe. Um schnell wieder die rechte Fahrbahn erreichen zu können, habe er seine Geschwindigkeit erhöht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, die mit ihrer Begründung vom 20.11.1997 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist.

Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Bielefeld trete ich bei und bemerke dazu:

Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft von dem gegen den Betroffenen gem. § 2 Abs. 4 BKatV zu verhängenden Regelfahrverbot von einem Monat abgesehen. Zwar hat der Tatrichter nicht verkannt, dass § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV grundsätzlich das Vorliegen einer groben Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert, so dass es in diesen Fällen regelmäßig der eindringlichen Warn- und Denkzettelfunktion des Fahrverbotes bedarf (BGHSt 38, 125, 134). Auch ist die Entscheidung, ob trotz der Verwirklichung eines Regeltatbestandes der Bußgeldkatalogverordnung der Einzelfall einen solchen Ausnahmecharakter hat, dass von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung unterworfen (BGH NZV 1992, 286, 287). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbotes nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (zu vgl. Senatsbeschluss vom 10.12.1996 - 3 Ss OWi 1405/956 - und 20.03.1997 - 3 Ss OWi 52/97 -).

Von der Verhängung eines Fahrverbotes kann zwar nicht nur bei Verkehrsbegebenheiten mit denkbar geringer Gefährlichkeit und minimalem Handlungsunwert, sondern auch bei Vorliegen erheblicher Härten oder einer Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände abgesehen werden, wobei nicht jeder wirtschaftliche Nachteil eine solche Entscheidung rechtfertigt (BGHSt 38, 125 f; OLG Hamm, Beschluss vom 09.04.1991 - 1 Ss OWi 383/91 -; OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.1996 - 2 Ss OWi 1314/96 -; Senatsbeschluss vom 27.08.1996 - 3 Ss OWi 872/96 - und vom 10.12.1996 - 3 Ss OWi 1405/96 - m.w.N.).
Umstände der vorbezeichneten Art sind den Feststellungen des angefochtenen Urteils jedoch nicht zu entnehmen. Der Betroffene hat auch eine besondere Härte oder eine existenzgefährdende Beeinträchtigung seiner beruflichen Betätigung durch die Verhängung eines Fahrverbotes ausweislich der Urteilsgründe nicht behauptet. Andere persönliche oder berufliche Nachteile sind indes regelmäßig mit der Verhängung eines Fahrverbotes verbunden.

Das Amtsgericht hat es insoweit zu Unrecht unterlassen zu prüfen, ob für den Betroffenen die während der Dauer des Fahrverbotes anfallenden Fahrten nicht auch unter Inkaufnahme eines erheblichen Zeitverlustes mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können oder ob es dem Betroffenen nicht zuzumuten ist, für diese Fahrten ein Taxi zu benutzen oder die Folgen jedenfalls durch die Inanspruchnahme des Jahresurlaubes zu mildern. Vielmehr hat es sich mit der Feststellung zufrieden gegeben, dass es für den Betroffenen schwierig sei, seinen in Herford gelegenen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

Andere erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes rechtfertigen würden, sind ebenfalls den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Weder ist der Eindruck der Straße "Füllenbruch" als eher außerorts gelegene Strecke geeignet, ein Absehen vom Fahrverbot zu tragen, zumal die Örtlichkeit dem Betroffenen durch seine regelmäßigen Fahrten zur Arbeitsstelle bekannt war, noch stellt die durch den Betroffenen behauptete Verkehrssituation einen solchen Umstand dar. Das Amtsgericht hat insoweit jedenfalls nicht festgestellt, dem Betroffenen sei nur die Möglichkeit verblieben, den Lkw zu überholen. Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Handlungsunrecht reichen damit aber nicht aus, einen nur minimalen Handlungsunwert und eine denkbar geringe Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes zu dokumentieren, zumal sich die Ordnungswidrigkeit gegen 14.35 Uhr, und damit zu Beginn des Berufsverkehrs ereignete. Unerheblich ist weiter, dass der Betroffene verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist und der Verstoß an der unteren Grenze der nach der Bußgeldkatalogverordnung und ihren Anlagen mit einem Fahrverbot zu sanktionierenden Fälle liegt (vgl. Senatsbeschluss vom 27.08.1996 - 3 Ss OWi 872/96 -). Vielmehr bestimmt § 1 Abs. 2 BKatV, dass die im Bußgeldkatalog bestimmten Regelsätze von fahrlässiger Begehung unter gewöhnlichen Tatumständen ausgehen und etwaige Eintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister hierbei nicht berücksichtigt sind.

Schließlich ist auch die Gesamtschau der vom Tatrichter zugunsten des Betroffenen berücksichtigten Umstände nicht geeignet, eine Ausnahme von der Verhängung des Regelfahrverbotes zu rechtfertigen (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, NZV 1995, 406 m.w.N.).

Unbeschadet der Frage, ob das Gericht sich angesichts der Verhängung einer Geldbuße in Abweichung von den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen hätte auseinandersetzen müssen (OLG Köln, VRS 87, 40; Senatsbeschluss vom 17.09.1996 - 3 Ss OWi 1275/96 - m.w.N.) oder ob dieses mangels fehlender Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder schlechte wirtschaftliche Verhältnisse nicht erforderlich war (Senatsbeschluss vom 30.01.1996 - 3 Ss OWi 1459/95 = NZV 1996, 246), ist das Urteil wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und der Bußgeldbemessung im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben (vgl. Göhler, OWiG, 11. Auflg., § 79 Rdnr. 9), zumal eine eigene Entscheidung des Senates gem. § 79 Abs. 6 OWiG schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil weitere Feststellungen zur Frage der Anordnung des Fahrverbotes zu treffen sind."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.


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