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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 77/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Eine Beschwerde gegen die Entscheidungen, die auf Gegenvorstellungen hin ergangen sind, ist zulässig.
Ein Haftbefehl einer Strafkammer, der in der Hauptverhandlung durch drei Berufsrichter und die Schöffen beraten und erlassen worden ist, kann außerhalb der Hauptverhandlung nur durch die drei Berufsrichter verkündet werden

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Beschwerde gegen Gegenvorstellungsentscheidung der Kammer, Besetzung bei Haftentscheidung während Hauptverhandlung, Unwirksamkeit des Haftbefehls

Normen: StPO 304, GVG 76

Beschluss: Strafsache gegen B. und andere,
hier: den Wirtschaftsprüfer M.,
wegen Betruges,
(hier: Beschwerde gegen Ablehnung der sofortigen Freilassung des Angeklagten wegen behaupteter Unwirksamkeit des Haftbefehls; Beschwerde gegen Gegenvorstellungsentscheidungen der Strafkammer).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 18. Februar 1998 gegen die Beschlüsse der Strafkammer IX des Landgerichts Bielefeld vom 10. Februar, 12. Februar und 13. Februar 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:
Gegen den Angeklagten wird in vorliegender Sache seit dem 26. April 1996 vor der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld wegen Betruges und anderer Delikte verhandelt. Der Angeklagte hatte sich in der Zeit von August 1994 bis zum 28. Juni 1996 in vorliegender Sache in Untersuchungshaft befunden. Am 28. Juni 1996 hat die Strafkammer in der Hauptverhandlung den Haftbefehl aufgehoben. Nunmehr befindet sich der Angeklagte erneut aufgrund neuen Haftbefehls der Strafkammer vom 3. Februar 1998 in Untersuchungshaft.

Im Hauptverhandlungstermin vom 3. Februar 1998, dem 117. Verhandlungstag, stellte der Vertreter der Staatsanwaltschaft Haftbefehlsantrag betreffend den Angeklagten und die Mitangeklagten B., K. und S.. Anlass hierfür war, dass der weitere Mitangeklagte Br. nicht mehr zur Hauptverhandlung erschienen war und schriftsätzlich erklärt hatte, dass er dies auch in Zukunft nicht mehr tun werde. Bis zur Entscheidung über den Haftbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft machte der Strafkammervorsitzende von dem Festhalterecht gemäß § 231 Abs. 1 S.2 StPO Gebrauch. Diese Anordnung wurde durch Kammerbeschluss bestätigt. Alsdann beriet die Strafkammer über den Haftbefehlsantrag bezüglich der genannten vier Angeklagten. Der Vorsitzende erklärte nach Beratung in der Hauptverhandlung, dass die Kammer Haftbefehle gegen den beschwerdeführenden Angeklagten und die Mitangeklagten B. und K., nicht aber gegen den Angeklagten S. gefasst habe. Alsdann wurde in der Hauptverhandlung der Haftbefehl bezüglich des Angeklagten B. verkündet. Zu einer Verkündung der weiteren gefassten Haftbefehle kam es nicht mehr, weil sich ausweislich der Sitzungsniederschrift nach Verkündung des Haftbefehls gegen den Angeklagten B. bei dem Mitangeklagten K. gesundheitliche Beschwerden zeigten. Dies führte zur Unterbrechung der Hauptverhandlung, die für eine halbe Stunde geplant war, während deren ein Notarzt herbeigezogen wurde. Der Mitangeklagte K. wurde untersucht; der Notarzt ordnete eine Überstellung ins Krankenhaus an, die auch durchgeführt wurde. Um 17.45 Uhr wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt; der Angeklagte K. war nicht mehr anwesend. Eine Verkündung des Haftbefehls gegen den Angeklagten M. erfolgte in der Hauptverhandlung nicht mehr. In der Hauptverhandlung wurde Termin zur Verkündung des Haftbefehls gegen den Angeklagten M. in nicht-öffentlicher Sitzung und zur Rechtsbehelfsbelehrung für den Angeklagten in derselben nicht-öffentlichen Sitzung auf 18.00 Uhr desselben Tages in Saal 1 des Landgerichts anberaumt. Zu diesem Verkündungstermin wurden die beiden genannten Angeklagten und ihre Verteidiger mündlich geladen. Die Hauptverhandlung wurde alsdann unterbrochen. Fortsetzungstermin wurde anberaumt auf den 10. Februar 1998.

In nicht-öffentlicher Sitzung in Anwesenheit der drei Berufsrichter und ohne die beiden Schöffinnen verkündete der Kammervorsitzende alsdann den in der Hauptverhandlung beratenen Haftbefehl gegen den Angeklagten M., der als Anlage zum Protokoll vom 3. Februar 1998 über die nicht-öffentliche Sitzung genommen wurde. Zuvor hatte er nach Beratung folgenden Beschluss verkündet:

Die Haftbefehle gegen den Angeklagten B. und M. sind unter Mitwirkung der Schöffinnen gefasst worden. Wegen der krankheitsbedingten Entfernung des Angeklagten K. konnten sie nicht mehr in der Hauptverhandlung verkündet werden.

Ihre Verkündung nach § 35 StPO erfolgt daher nunmehr außerhalb der Hauptverhandlung.

Öffentlich ist die Hauptverhandlung nach § 169 GVG nur bei Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Um eine solche handelt es sich bei dem vorliegenden Verkündungstermin nicht. Da die Schöffinnen nur an der Hauptverhandlung mitwirken, bedarf es ihrer Anwesenheit bei dem vorliegenden Verkündungstermin nicht.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 1998 ließ der Angeklagte durch seine Verteidiger vortragen, dass ein wirksamer Haftbefehl gegen ihn nicht ergangen sei und somit seine sofortige Freilassung erfolgen müsse. Wirksamkeitsvoraussetzung sei, dass das Original der Haftanordnung von allen erlassenden Richtern unterzeichnet werde oder aber, dass der erlassene Haftbefehl vollständig in das Sitzungsprotokoll über die öffentliche Sitzung aufgenommen werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Da die beiden Schöffinnen, die an der Entscheidung über den Erlass des Haftbefehls mitgewirkt haben sollen, im Verkündungstermin nicht anwesend gewesen seien, habe auch keine Heilung des zuvor erörterten Mangels erfolgen können; vielmehr sei von einem nicht wirksamen Haftbefehl auszugehen. Der Angeklagte hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Erwägungen keine Haftbeschwerde gemäß §§ 117, 304 StPO darstellen sollen.

Mit Beschluss vom 10. Februar 1998 hat die zwischenzeitlich vom Angeklagten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Strafkammer (Kammervorsitzender und beide beisitzende Richter) gemäß § 29 Abs. 1 StPO entschieden, weil die beantragte Entscheidung keinen Aufschub dulde. Sie hat den Antrag des Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen und mit näheren Ausführungen ihre Auffassung dargelegt, dass der Haftbefehl vom 3. Februar 1998 nicht unwirksam sei, insbesondere auch schriftlich ergangen sei. Dazu hat sie ausgeführt, dass in der Hauptverhandlung vom 3. Februar 1998, deren Unterbrechung wegen Verhandlungsunfähigkeit eines Mitangeklagten bevorstand, Termin zur Verkündung des beratenen Haftbefehls in nicht-öffentlicher Sitzung anberaumt und alsdann im Protokoll über diese sich anschließende nicht-öffentliche Sitzung die erfolgte Verkündung des Haftbefehls vermerkt und der verkündete Haftbefehl als Anlage zum Protokoll über die nicht-öffentliche Sitzung genommen wurde.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte am 12. Februar 1998 zunächst nur Gegenvorstellungen erhoben und mit näheren Ausführungen seinen Rechtsstandpunkt bekräftigt, dass ein wirksamer Haftbefehl nicht vorgelegen habe und die Verkündung ins Leere gegangen sei. Die Strafkammer hat mit Beschluss vom selben Tage die Gegenvorstellungen verworfen und dazu ausgeführt, dass die Verkündung nicht voraussetze, dass die zu verkündende Entscheidung bereits wirksam ergangen sei. Eine Entscheidung, die durch Verkündung bekanntgemacht werde, ergehe erst mit der Verkündung. Ebenfalls am 12. Februar 1998 hat der Angeklagte erneut Gegenvorstellungen und wiederum mit näheren Ausführungen vorgetragen, dass ein wirksamer Haftbefehl nicht vorliege. Der "Haftbefehl" vom 3. Februar 1998 lasse weder die ihn erlassenden Richter erkennen noch genüge er sonst den Anforderungen des § 114 Abs. 1 StPO. Auch diese Gegenvorstellungen hat die Strafkammer mit Beschluss vom 13. Februar 1998 verworfen.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 1998 hat der Angeklagte Beschwerde sowohl gegen den Beschluss vom 10. Februar 1998, durch den der Antrag auf sofortige Freilassung des Angeklagten wegen behaupteter Unwirksamkeit des Haftbefehls zurückgewiesen worden ist als auch gegen die beiden die jeweiligen Gegenvorstellungen zurückweisenden Entscheidungen der Strafkammer eingelegt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie erweist sich bereits als unzulässig, soweit mit ihr die Entscheidungen der Strafkammer angegriffen werden, die auf Gegenvorstellungen des Angeklagten hin ergangen sind. Bei der Gegenvorstellung handelt es sich um einen Rechtsbehelf außerhalb der Verfahrensordnung, der an keine Fristen und Formvorschriften gebunden ist und auch keinen unmittelbaren Einfluss auf den Verfahrensvorgang hat. Die Gegenvorstellung verfolgt das Ziel, dass die Stelle, die entschieden hat, ihre eigene Entscheidung nochmals überprüft. Einer förmlichen Entscheidung über eine als unzulässig oder unbegründet angesehene Gegenvorstellung - wie es vorliegend der Fall war - hätte es nicht einmal bedurft (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., vor § 296 Randziffern 23 ff.; KK-Ruß, StPO, 3. Aufl., vor § 296 Randziffer 4).

Im übrigen wird mit dem Beschwerdevorbringen betreffend die Kammerentscheidungen über die Gegenvorstellungen des Angeklagten dasselbe Ziel verfolgt wie mit der Beschwerde betreffend den Beschluss der Strafkammer vom 9. Februar 1998, mit dem die sofortige Freilassung des Angeklagten mangels wirksamen Haftbefehls abgelehnt worden ist.

Diese zulässige Beschwerde, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Der Haftbefehl vom 3. Februar 1998 ist wirksam zustandegekommen. In der Hauptverhandlung vom 3. Februar 1998 ist von der großen Strafkammer (drei Berufsrichter, zwei Schöffinnen) über den Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld auf Erlass von Haftbefehlen, u.a. gegen den Angeklagten M., beraten worden; noch während der Hauptverhandlung hatte der Vorsitzende mitgeteilt, dass die Kammer gegen den Angeklagten M. einen Haftbefehl gefasst hatte. Zur Wirksamkeit dieses Haftbefehls ist es allerdings in der Hauptverhandlung vom 3. Februar 1998 noch nicht gekommen.

Davon gehen sowohl der Angeklagte als auch die Strafkammer in ihren Beschlüssen vom 9. Februar und vom 10. Februar 1998, der auf Gegenvorstellungen des Angeklagten hin ergangen ist, aus. Zur Verkündung des Beratungsergebnisses der großen Strafkammer im Hauptverhandlungstermin war es - anders als im Fall des Mitangeklagten B. - wegen der eingetretenen Verhandlungsunfähigkeit des Mitangeklagten K. nicht mehr gekommen. Die in der Hauptverhandlung beratene Kammerentscheidung betreffend die Haftanordnung gegen den Angeklagten M. wurde aber wirksam, als sie in dem in der Hauptverhandlung anberaumten Termin zur Verkündung eines Haftbefehls in nicht-öffentlicher Sitzung am selben Tage tatsächlich verkündet wurde. Zutreffend hat die Strafkammer in ihrer Entscheidung über die Gegenvorstellungen des Angeklagten M. vom 12. Februar 1998 ausgeführt, dass die Verkündung einer Entscheidung nicht voraussetzt, dass die zu verkündende Entscheidung schon vorher wirksam ergangen ist. Eine Entscheidung, die durch Verkündung bekanntgegeben wird, ergeht erst durch die Verkündung (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O. vor § 33 Randziffer 4; § 35 Randziffer 4)

Die Verkündung des Haftbefehls gegen den Angeklagten M. erfolgte vorliegend in nicht-öffentlicher Sitzung in Anwesenheit der drei Berufsrichter und in Abwesenheit der beiden Schöffinnen. Dies ist entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht zu beanstanden; es handelte sich mit Rücksicht auf die krankheitsbedingte Abwesenheit des Mitangeklagten K., die eine Unterbrechung der Hauptverhandlung veranlasst hatte, um eine Verhandlung außerhalb der Hauptverhandlung, an der die Schöffen nicht teilnehmen (§ 76 Abs. 1 S.2 GVG). Die zu verkündende Entscheidung lag schriftlich vor und wurde als Anlage 1 zum Protokoll über die nicht-öffentliche Sitzung vom 3. Februar 1998 genommen; die Anlage trägt die Unterschrift des Kammervorsitzenden und der Protokollführerin. Damit war dem Erfordernis der Schriftlichkeit i.S.d. §§ 114, 114 a StPO Genüge getan. Ausreichend ist, dass die Verkündung, die vorliegend nicht in der Hauptverhandlung erfolgen konnte, in einem Gerichtstermin erfolgt ist (§ 35 Abs. 1 S. 1 StPO).

Durch die Verkündung des gefassten Haftbefehls, in dem anschließend eigens dafür angesetzten Verkündungstermin ist es jedenfalls zum Erlass des Haftbefehls gekommen, so dass die verkündete Entscheidung Grundlage für die Inhaftierung des Angeklagten M. sein konnte und auch weiterhin ist.

Dies gilt um so mehr, wenn man davon ausgeht, dass die drei Berufsrichter für Haftentscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung ohnehin nach § 76 Abs. 1 GVG zuständig waren (OLG Hamburg NJW 1998/99 f). Eine Beteiligung der Schöffinnen wäre somit dann nicht in Betracht gekommen, wenn der Haftbefehl erst in der nicht-öffentlichen Sitzung außerhalb der Hauptverhandlung beschlossen und verkündet worden wäre.

Nach alledem war die Beschwerde des Angeklagten gegen den Kammerbeschluss vom 9. Februar 1998 als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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