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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 575/97 OLG Hamm

Leitsatz: Hat ein Angeklagter mit einem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel vollen Erfolg, ist über die notwendigen Auslagen der Nebenkläger im Rechtsmittelzug nach den Grundsätzen des § 472 Abs. 1 StPO zu entscheiden.

Senat: 3

Gegenstand: Revision, Beschwerde

Stichworte: beschränktes Rechtsmittel, Erfolg des Rechtsmittels, Kostenentscheidung, notwendige Auslagen der Nebenklage, voller Erfolg

Normen: StPO 464 Abs. 3 Satz 1, StPO 471

Beschluss: Strafsache gegen H:M.,
wegen vorsätzlicher Körperverletzung,
(hier: Revision des Angeklagten sowie sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung).

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der IX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 21. April 1997 und auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung in diesem Urteil hat 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.02.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers und der Vertreter der Nebenkläger einstimmig beschlossen:

Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Er hat die insoweit den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Essen vom 21. April 1997 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten mit Ausnahme der gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen, die bei einer alsbald nach Urteilszustellung erklärten Rechtsmittelbeschränkung vermeidbar gewesen wären, fallen der Staatskasse zur Last. Der Angeklagte hat jedoch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen fallen zu 6/7 dem Angeklagten, im übrigen der Staatskasse zur Last. Die insoweit den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.

Gründe:
I. Durch Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 22. November 1996 ist der Angeklagte wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt worden. Für die beiden letztgenannten Körperverletzungen hat das Amtsgericht jeweils auf Einzelgeldstrafen von 120 Tagessätzen erkannt.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. November 1996, eingegangen beim Amtsgericht Gladbeck am selben Tag, hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 28. Februar 1997 hat der Vorsitzende der IX. Strafkammer des Landgerichts Essen Termin zur Berufungsverhandlung auf den 21. April 1997 anberaumt und die Ladung verschiedener Zeugen angeordnet. Mit Schriftsatz vom 14. April 1997 hat der Verteidiger des Angeklagten mitgeteilt, dass die mit Schriftsatz vom 26. November 1996 eingelegte Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werde. Mit Verfügung vom 15. April 1997 hat daraufhin der Vorsitzende die Abladung bereits geladener Zeugen angeordnet.

Mit Urteil vom 21. April 1997 hat die IX. Strafkammer des Landgerichts Essen das Urteil des Amtsgerichts Gladbeck im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 225 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt wird. Es ist auf Einzelgeldstrafen in Höhe von 150, 90 und 60 Tagessätzen erkannt worden. Es wurde folgende Kostenentscheidung verkündet:

"Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger (im schriftlichen Urteil irrtümlich als ”der Nebenklägerin” bezeichnet) trägt der Angeklagte. Die Berufungsgebühr wird jedoch um die Hälfte ermäßigt; in diesem Umfang trägt die Landeskasse auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsrechtszug."

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. April 1997 Revision eingelegt. Darüber hinaus wendet er sich mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Essen über die Kosten und notwendigen Auslagen, auch bezüglich der Nebenkläger. Mit seiner rechtzeitig begründeten Revision rügt der Angeklagte die Strafzumessung des angefochtenen Urteils.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit wie folgt Stellung genommen:

"Die auf die allein erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam gewesen. Das erstinstanzliche Urteil enthält die für den Schuldspruch erforderlichen Darlegungen. Mithin unterliegt lediglich der Rechtsfolgenausspruch der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

Die für die Bemessung der Strafe beachtlichen Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen ist wesentlicher Bestandteil der Strafzumessung und deshalb grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts und unterliegt nur einer begrenzten Nachprüfung. In die tatrichterliche Strafzumessung kann nur eingegriffen werden, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist. Dabei ist eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 09.03.1993 - 1 StR 766/92 -; BGHSt 34, 345, 349), auch die Darlegung sämtlicher Erwägungen ist insoweit weder möglich noch nötig (BGH, Urteil vom 25.05.1994 - 3 StR 239/94 -). Hieran gemessen ist die Strafzumessung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Die Kammer hat ent- und belastende Strafzumessungsgesichtspunkte umfassend dargestellt und abgewogen. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist die Kammer auch nicht zu Lasten des Angeklagten davon ausgegangen, dass die im Wasser geführten Schläge bei dem Kind zu einer unkontrollierten Aufnahme von Wasser und damit zu gefährlichen Folgen geführt haben. Das Gericht hat in seinem Urteil diese mögliche Folge nur deshalb aufgezeigt, um die Gefährlichkeit des Handelns des Angeklagten darzustellen.

Ein Ermessensfehler bei der Strafzumessung ist insgesamt nicht ersichtlich."

Diese Stellungnahme macht der Senat sich zu eigen und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, war die Revision mit der sich aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.

III. Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil - soweit sie die Kosten des Berufungsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten betrifft - fehlerhaft ist. Sein Rechtsmittel hat indes keinen Erfolg, soweit sich der Angeklagte auch dagegen gewendet hat, die im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger tragen zu müssen.

1. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsrechtszug kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht § 473 Abs. 4 StPO zur Anwendung, die Kostenentscheidung ergibt sich vielmehr aus der sinngemäßen Anwendung des § 473 Abs. 3 StPO, da der Angeklagte die Berufung wirksam auf das Strafmaß beschränkt hat und das Ziel dieser eingeschränkten Berufung in vollem Umfang erreicht worden ist.

Vollen Erfolg hat ein beschränktes Rechtsmittel, wenn der Beschwerdeführer sein erklärtes Ziel im wesentlichen erreicht. Bei einer Strafmaßberufung kommt es dabei auf einen Vergleich zwischen der in der Vorinstanz erkannten Strafe und der in der Rechtsmittelinstanz erreichten Milderung, hingegen nicht entscheidend auf den Schlussantrag des Beschwerdeführers an (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 21).

Hier hat der Angeklagte mit seiner (nachträglich) auf das Strafmaß beschränkten Berufung sein Ziel zumindest im wesentlichen erreicht. Ausweislich des Antrages in der Berufungshauptverhandlung ging es ihm zumindest in erster Linie darum, dass die ursprüngliche Verurteilung in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe entfallen und insgesamt nur auf Geldstrafen erkannt werden sollte. Schon insoweit hatte sein Rechtsmittel vollen Erfolg. Darüber hinaus ist in den beiden weiteren Fällen der Körperverletzung die ursprüngliche Tagessatzzahl von 120 deutlich auf 90 bzw. 60 Tagessätze herabgesetzt worden, worin ein weiterer Erfolg zu sehen ist.

Sind nach alledem die Kosten der beschränkten Berufung und die notwendigen Auslagen des Angeklagten in Anwendung des § 473 Abs. 3 StPO der Staatskasse aufzuerlegen, so ist aber doch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Angeklagte die Berufung erst nachträglich beschränkt hat. Dies geschieht in entsprechender Anwendung des § 473 Abs. 1 StPO (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 20). Denn in der nachträglichen Beschränkung der Berufung ist eine Teilrücknahme des Rechtsmittels zu sehen. Der Angeklagte hat in diesem Fall diejenigen Kosten und Auslagen zu tragen, die bei rechtzeitiger Beschränkung nicht angefallen wären. Es ist nicht gerechtfertigt, auch diese Kosten der Staatskasse aufzuerlegen, nur weil der Beschwerdeführer mit seinem später beschränkten Rechtsmittel Erfolg gehabt hat (OLG Hamm, MDR 1982, 778). Vorliegend können solche Kosten auch angefallen sein, nachdem vor der Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß bereits Zeugen geladen worden waren.

2. Soweit sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde auch dagegen wendet, dass er die den Nebenklägern im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, ist seinem Rechtsmittel der Erfolg zu versagen.

a) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dazu, wer die notwendigen Auslagen von Nebenklägern bei vollem Erfolg eines auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittels des Angeklagten zu tragen hat, fehlt. Wie diese Lücke zu schließen ist, wird unterschiedlich behandelt.

Ein wesentlicher Teil vor allem der Kommentarliteratur und ein Teil der Rechtsprechung stellt den Angeklagten in derartigen Fällen von den notwendigen Auslagen der Nebenkläger frei. Begründet wird diese Ansicht damit, der Angeklagte werde bei vollem Erfolg kostenrechtlich für das Rechtsmittelverfahren wie ein Freigesprochener behandelt. Das müsse konsequent auch im Verhältnis zu Nebenklägern gelten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 23; Heidelberger Kommentar zur StPO, § 473 Rdnr. 22; Reihe Alternativ-Kommentare, StPO, § 473 Rdnr. 18; OLG Saarbrücken, StV 90, 366).

Nach anderer Ansicht ist im Grunde dieselbe Schlussfolgerung zu ziehen, die Verpflichtung der Nebenkläger, ihre notwendigen Auslagen selbst tragen zu müssen, soll allerdings dann nicht bestehen, wenn sie nach erfolgter Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ihren Anschluss widerrufen (KMR, StPO, § 473 Rdnr. 73; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 473 Rdnr. 76 - 78).

Schließlich wird vertreten, dass sich die Verteilung der notwendigen Auslagen der Nebenklage nach § 472 Abs. 1 StPO zu richten habe. Als Grundsatz gelte danach, dass der Verurteilte die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen habe, wovon jedoch im Rahmen der Billigkeit abgewichen werden könne (vgl. Pfälzisches OLG Zweibrücken, MDR 93, 698).

b) Auch der Senat hält in Fällen, in denen der Angeklagte mit seinem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel einen vollen Erfolg erzielt, einzig die entsprechende Anwendung von § 472 Abs. 1 StPO für sachgerecht. Nur auf diese Weise lassen sich unbefriedigende Wertungswidersprüche mit anderen bestehenden gesetzlichen Regelungen vermeiden. Diese Lösung bewirkt zudem, dass die Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit dem Opferschutzgesetz vom 18.12.1986 verfolgt hat, über die Kostenregelung, der faktisch wesentlicher Einfluss auf die Mitwirkung der Nebenkläger beikommt, verwirklicht werden kann und nicht durch richterliche Lückenfüllung gegenteilig unterlaufen wird. Schließlich lassen sich nur auf diese Weise aufgrund der Eröffnung einer Billigkeitsentscheidung jeweils im Einzelfall sachgerechte Ergebnisse erzielen.

Schon der gedankliche Ansatz der erstgenannten Ansicht, der lediglich im Strafmaß erfolgreiche Angeklagte sei auch im Verhältnis zum Nebenkläger wie ein Freigesprochener zu behandeln, vermag nicht zu überzeugen. Auch in derartigen Fällen ist und bleibt der Angeklagte wegen einer den Nebenkläger betreffenden Straftat verurteilt. Folglich ist auch anerkannt, dass die Befugnis des Nebenklägers, sich am Verfahren aktiv zu beteiligen, nicht etwa deshalb endet, weil in der Rechtsmittelinstanz nur noch das Strafmaß zur Disposition steht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 400 Rdnr. 1, OLG Düsseldorf, MDR 91, 276). Zudem ist in derartigen Fällen auch bei einer Revision des Angeklagten nach § 347 StPO dem Nebenkläger als Gegner des Beschwerdeführers die Revisionsschrift mit der Möglichkeit, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung abzugeben, zuzustellen, ihn also zu beteiligen. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber auch bei auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmitteln das Bestehen eines billigenswerten Interesses der Nebenklage an einer weiteren Beteiligung am Verfahren als möglich erkannt und anerkannt hat.

Dass diese Sichtweise zutreffend ist, belegt schon allein der Umstand, dass die Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung nicht nur ausnahmsweise zur Aufhebung von Urteilen durch die Obergerichte führt. Damit erweist sich zugleich die Ansicht, die den Nebenkläger über das Kostenrecht bei einer Strafmaßberufung zu einem Widerruf des Anschlusses nötigen will, als praktisch ungeeignet. Fälle, in denen nach vorläufiger Prüfung eine Beschränkung zunächst als wirksam angesehen worden ist, dann aber andere Erkenntnisse zur Aufgabe dieser Ansicht zwingen, führen zu erheblichen praktischen Komplikationen, weil nunmehr dem Nebenkläger ein Anschluss erneut ermöglicht und so eine Mitwirkungsmöglichkeit wieder eingeräumt werden müsste.

Die beiden erstgenannten Ansichten stehen zudem in einem Wertungswiderspruch zu den Kostenfolgen, die unzweifelhaft bei einem erfolglosen oder nur teilweise erfolgreichen auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel anzuordnen sind.

Dass dem Angeklagten, der mit einem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, auch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger aufzuerlegen sind, ergibt sich unmittelbar aus § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO. Das Interesse der Nebenklage an einer Beteiligung unterscheidet sich aber - im Lichte des § 400 Abs. 1 StPO betrachtet - nicht von dem Fall, dass der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel Erfolg hat. Insbesondere ist daraus nicht erkennbar, warum sich der Nebenkläger - so die zweite Ansicht - im Kosteninteresse zu einem Widerruf seines Anschlusses genötigt fühlen soll.

Ganz augenscheinlich wird der Wertungswiderspruch jedoch in Fällen, in denen der Angeklagte mit seinem beschränkten Rechtsmittel einen Teilerfolg erzielt. Hier wird über § 473 Abs. 4 StPO die Möglichkeit eröffnet, über die notwendigen Auslagen der Nebenklage nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei sollen dann das Interesse des Nebenklägers, sich am Rechtsmittelverfahren zu beteiligen, der Umfang des Teilerfolges und auch die spezielle Bedeutung der Beteiligung für die Beteiligten und in ihrem Verhältnis untereinander zu berücksichtigen sein (Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 473 Rdnr. 80). Insoweit kommt insbesondere aus Sicht eines Nebenklägers in Betracht, sich gegen den Vorwurf eines Mitverschuldens zu wenden (KMR, StPO, § 473 Rdnr. 74; OLG Düsseldorf MDR 92, 599). Auch hierin zeigt sich, dass sich aus § 400 Abs. 1 StPO nichts für die Kostentragungspflicht der Nebenklage ableiten lässt. Entscheidend kann nur sein, ob ein billigenswertes Interesse besteht, sich trotz der Beschränkung weiter an dem Verfahren zu beteiligen.

Die unterschiedliche Behandlung eines erfolgreichen und nur teilweise erfolgreichen beschränkten Rechtsmittels ist aber unverständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie schwer oftmals festzustellen ist, ob der Beschwerdeführer ”im wesentlichen” sein erklärtes Ziel erreicht hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 21) oder ob es im Falle einer Strafmaßberufung, bei der die Herabsetzung der Strafe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu einer ”fühlbaren Milderung” kommt (KK, StPO, 3. Aufl., § 473 Rdnr. 4). So können im letzteren Fall unter Zugrundelegung üblicher, wenn auch nicht unbestrittener Kriterien (Herabsetzung der Strafe um mindestens 25%, vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 21) geringste Unterschiede im Erfolg dazu führen, dass unter Zugrundelegung der beiden erstgenannten Ansichten dem Gericht eine Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Nebenklage verschlossen wird und der Nebenkläger nunmehr zwingend seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass ein Angeklagter in 1. Instanz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden ist, mit seinem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel eine Verurteilung von entweder 40 oder aber 35 Tagessätzen erreicht. Dass dieser geringe Unterschied im Erfolg so weitreichende Konsequenzen für die Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage haben soll, ist weder sachgerecht noch einsichtig. Das Interesse der Nebenklage, sich am Verfahren zu beteiligen, unterscheidet sich in diesen Fällen nicht.

Wesentliches Gewicht für die Entscheidung des Senats kam dem Umstand bei, dass nur die entsprechende Anwendung von § 472 Abs. 1 StPO der Motivation des Gesetzgebers, die dieser mit dem Opferschutzgesetz vom 18.12.1986 verfolgt hat, gerecht wird und die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür geben, dass mit der Gesetzesnovelle eine inhaltliche Änderung der bis dahin von der Rechtsprechung ebenfalls als Billigkeitsentscheidung ausgefüllten Lücke gewollt war.

Nach der früheren Gesetzeslage vor Inkrafttreten des Opferschutzgesetzes bestand Einigkeit, dass in derartigen Fällen über eine analoge Anwendung von § 471 Abs. 3 Nr. 1 StPO eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage nach Billigkeitsgesichtspunkten eröffnet wurde (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 473 Rdnr. 89 m.w.N., OLG Hamm, AnwBl. 79/240). Zwar war durch das Opferschutzgesetz eine Abkehr von der nicht in allen Fällen als passend angesehenen Vorschrift des § 471 StPO gewollt, Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine inhaltliche Änderung durch den Gesetzgeber gewollt war, finden sich in den Gesetzesmaterialien aber nicht (vgl. BT-Drucksache 10/5305 S. 21 f.; 10/6124 S. 12). Den Motiven ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Kostenregelung für die Nebenklage von dem allgemeinen Grundgedanken geleitet wurde, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen der Nebenklage zu tragen hat, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft, es sei denn, dass hiervon im Rahmen der Billigkeit abzusehen ist (vgl. BT-Drucksache 10/5305, S. 21). Dass das Rechtsmittelverfahren nicht von diesem kostenrechtlichen Grundsatz geleitet werden soll, ist nicht erkennbar.

Gegen eine andere Sichtweise im Sinne der beiden erstgenannten Ansichten spricht insbesondere die Motivation des Gesetzgebers, die zur Verabschiedung des Opferschutzgesetzes geführt hat. Ziel dieses Gesetzes war es, ”erste gesetzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren zu verwirklichen” (BT-Drucksache10/5305, S. 8). Dieses Ziel ist aber nicht zu erreichen, würde die Rechtsstellung des Verletzten über die faktisch bedeutsame Kostenregelung im Gegensatz zur früher bestehenden Regelung beschnitten. Der Nebenkläger stünde dann nach ”neuem” Recht schlechter dar als zuvor. Folglich lässt sich nur die vom Pfälzischen OLG Zweibrücken aufgezeigte Lösung mit dem gesetzgeberischen Willen zum Opferschutzgesetz in Einklang bringen.

c) Die entsprechende Anwendung von § 472 Abs. 1 StPO führt vorliegend dazu, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen der Nebenkläger in der Berufungsinstanz zu tragen hat. Von diesem sich aus Satz 1 dieser Vorschrift ergebenden Grundsatz aus Billigkeitsgründen abzuweichen, besteht kein Anlass. Insoweit war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte, wenn auch möglicherweise nicht mehr so massiv wie in 1. Instanz, auch noch in der Berufungsinstanz ”immer wieder, auch auf Vorhalte der Nebenkläger versucht hat, seine Handlungen ... nicht nur zu beschönigen, sondern zu rechtfertigen” (U.A. S. 6). In der 1. Instanz hatte er die Anwesenheit mehrerer Kinder im Schwimmbad noch mit dem Konzentrationslager Auschwitz in Zusammenhang gebracht und behauptet, ein Schwimmer habe seinen Schnorchel zugehalten, so dass er Todesangst gehabt habe. Bei einem derartigen Verteidigungsverhalten muß den Nebenklägern ein berechtigtes Interesse, einem solchen Vorbringen in aller Entschiedenheit entgegen zu treten, zuerkannt werden. Dass es trotz des Erfolges im Strafmaß die Billigkeit erfordert, den Angeklagten von den notwendigen Auslagen der Nebenkläger für die Berufungsinstanz freizustellen, ist vorliegend nicht ersichtlich. Dazu kommt, dass für die Nebenkläger nicht von vornherein völlig unzweifelhaft feststellbar war, dass die Beschränkung des Rechtsmittels letztlich als wirksam anzusehen war, weil im amtsgerichtlichen Urteil ausdrückliche Ausführungen zum subjektiven Tatbestand fehlten, wenn sich auch die erforderlichen Feststellungen letztlich hinreichend aus den Ausführungen ergeben.

Lediglich klarstellend wird angemerkt, dass es für die 1. Instanz bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts Gladbeck verbleibt.

III. Die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte hinsichtlich der Kosten und seiner notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren im wesentlichen Erfolg hatte, hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Nebenkläger dagegen erfolglos geblieben ist, hielt der Senat die vorgenommene Quotelung für angemessen. Die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger hatte dagegen der Angeklagte ganz zu tragen, §§ 473 Abs. 4, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Da seinem Rechtsmittel im Verhältnis zu den Nebenklägern der Erfolg zu versagen war, ist es angemessen, dem Angeklagten die den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen vollständig aufzuerlegen.


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