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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 579/97 OLG Hamm

Leitsatz: Ist das Beschwerdegericht nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Beschlusses, durch den eine akustische Besuchsüberwachung angeordnet worden ist, zu überprüfen und kann mit einer Entscheidung über die Beschwerde nicht weiter zugewartet werden, ist Beschluss aufzuheben und anzuordnen, dass dem Angeklagten gestattet wird, Besuche ohne akustische Besuchsüberwachung zu erhalten .

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: akustische Besuchsüberwachung

Normen: StPO 119, GG Art 1, GG Art 2

Beschluss: Strafsache gegen S.R.,
wegen Mordes u. a.,
(hier: Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 02.12.1997 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 10. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 20.11.1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.02.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die akustische Besuchsüberwachung bei Besuchen des Angeklagten durch seine Verlobte D.S. wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten in diesem Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatsklasse auferlegt.

Gründe:
Der Angeklagte befindet sich in der vorliegenden Sache seit dem 16.11.1996 in Untersuchungshaft. Durch Urteil der 10. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 13.11.1997 wurde der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Außerdem wurde seine Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Bielefeld Revision eingelegt.

Mit Schreiben vom 16.11.1997 hat der Angeklagte die Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung beantragt und mit Schreiben vom 30.11.1997 diesen Antrag dahingehend präzisiert, dass die akustische Überwachung bei Besuchen seiner Verlobten D.S. aufgehoben werden soll.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende der 10. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld den Antrag des Verurteilten abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

"Der Angeklagte ist u. a. wegen Mordes zu einer erheblichen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Angeklagte, der in den entscheidenden Punkten kein volles Geständnis ablegt hat, erhält Besuche aus dem verwandtschaftlichen Umfeld seiner Verlobten, das offensichtlich vom Angeklagten beeinflusst wird. So war es in der Hauptverhandlung erforderlich, die Aussage der Schwester der Verlobten wegen des Verdachts einer Falschaussage zu protokollieren."

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der der Vorsitzende der 10. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld nicht abgeholfen hat.

Die gemäß § 304 Abs.1 StPO zulässige Beschwerde führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Außerdem war dem Angeklagten zu gestatten, Besuche seiner Verlobten ohne akustische Besuchsüberwachung zu empfangen.

Die Anordnung der akustischen Besuchsüberwachung gegenüber einem Untersuchungsgefangenen stellt einen erheblichen Eingriff in den persönlichen durch Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich sowohl des Gefangenen als auch des Besuchers dar. Der Richter hat daher - wie bei allen grundrechtseinschränkenden Anordnungen gemäß § 119 Abs. 3 StPO - stets zu prüfen, ob im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch akustisch nicht überwachter Besuche der eine Gefährdung von Haftzweck oder Ordnung der Anstalt mit sich brächte, vorliegen. Der Umstand allein, dass ein möglicher Missbrauch eines Freiheitsrechts nicht völlig auszuschließen ist, reicht bei einer den Grundrechten Rechnung tragenden Auslegung des § 119 Abs. 3 StPO nicht aus, um Beschränkungen anzuordnen (BVerfG NStZ 1996, 613).

Ob der Vorsitzende der 10. Strafkammer unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zu Recht eine Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung abgelehnt hat, vermag der Senat allein anhand der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht zu überprüfen. Der darin angeführte Grund einer Beeinflussung von Besuchern aus dem Verwandtenkreis der Verlobten des Angeklagten durch diesen ist nicht näher konkretisiert. Soweit in dem Beschluss ausgeführt wird, in der Hauptverhandlung sei es erforderlich gewesen, die Aussage der Schwester der Verlobten des Angeklagten wegen des Verdachts einer Falschaussage zu protokollieren, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, inwieweit diese Tatsache für die Frage einer Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung relevant ist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass der Angeklagte kein vollständiges Geständnis abgegeben hat, für sich allein auch nicht den Rückschluss zulässt, bei dem Angeklagten seien im Falle akustisch nicht überwachter Besuche seiner Verlobten Verdunkelungshandlungen zu befürchten.

Eine Überprüfung des angefochtenen Beschlusses kann zur Zeit durch den Senat auch nicht anhand der Gerichtsakten erfolgen. Denn der Vorsitzende der 10. Strafkammer hat auf die schriftliche Aktenanforderung durch den Senat mit Schreiben vom 16.02.1998 mitgeteilt, dass eine Aktenübersendung im Hinblick auf Nr. 160 RiStBV, wonach während des Laufes der Frist zur Revisionsbegründung die Akten zur Einsichtnahme durch den Verteidiger bereit zu halten sind, ausscheidet. Auf eine erneute telefonische Aktenanforderung am 24.02.1998 durch den Senat hat der Vorsitzende der 10. Strafkammer erneut eine Übersendung der Gerichtsakten abgelehnt und ausgeführt, Zweitakten der Gerichtsakten, die dem Oberlandesgericht Hamm übersandt werden könnten, lägen dem Landgericht Bielefeld nicht vor. Eine Übersendung der vollständigen Akten komme mit Rücksicht auf die laufende Revisionsbegründungsfrist nicht in Betracht. Eine Rückfrage bei dem Verteidiger des Angeklagten, ob dieser zur Zeit eine Akteneinsicht vornehmen wolle oder ob die Akten zur kurzfristigen Einsichtnahme an das Oberlandesgericht verschickt werden könnten, sei durch ihn nicht erfolgt. Er sei zu einer solcher Rückfrage auch nicht bereit, weil der Verteidiger möglicherweise zunächst eine Akteneinsicht verneinen, dann aber doch Einblick in die Gerichtsakten begehren könnte. Bei einer Versendung der Akten an das Oberlandesgericht Hamm bestünde daher die Gefahr, dass ggf. ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt werden müsste, weil der Verteidiger mangels Akteneinsichtsgewährung nicht zu einer rechtzeitigen Revisionsbegründung in der Lage gewesen war. Aus diesen Gründen werde er die Akten nicht an das Oberlandesgericht Hamm übersenden.

Der Senat ist daher derzeit nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses zu überprüfen. Da aber andererseits die Anordnung der akustischen Besuchsüberwachung, wie bereits oben dargelegt, einen erheblichen Eingriff in den durch Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Angeklagten darstellt, konnte mit einer Entscheidung über dessen Beschwerde nach der Auffassung des Senats nicht weiter zugewartet werden. Der Senat hat daher den angefochtenen Beschluss aufgehoben und angeordnet, dass dem Angeklagten gestattet wird, Besuche seiner Verlobten ohne akustische Besuchsüberwachung zu erhalten.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 473 StPO.


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